kaum erwarten, bis die Butterlage mit dem wohl¬ schmeckenden Ueberzuge bedeckt war. Sigune -- denn so hieß die erwachsene Schwester der Kleinen, die ihnen getreulich seit einem Jahr die todte Mutter ersetzte -- vergaß sich selber nicht; der Alten wurde dann ein Becher Meth gereicht und auch das Eichhörnchen nicht vergessen, ihm wurden einige Haselnüsse gespendet, und so ließ sich denn die ganze Gesellschaft ihr Vesperbrod schmecken.
"Hixi, Hixi" rief jetzt das ältere Schwesterchen Sigunens, "komm' sing mit uns das Märchenlied von Coridwen einmal wieder!" Der Knabe stimmte mit ein, die Alte -- ihr Name nicht abgekürzt hieß Ur¬ hixidur -- war inzwischen munterer geworden und stellte nur die Bedingung, daß die Kinder ordentlich ein¬ fallen; sie versprachen eifrig und so begann denn der Gesang, wobei der Leser zu merken hat, daß bei den fünf ersten Strophen je die zweite Zeile vom Knaben, die vierte vom Mädchen übernommen wird, das Uebrige aber mit näselndem und zugleich hohlem Tone die Alte vorträgt.
"Gwyon, dieser kleine Tropf -- Was thut der? Hat geschleckt vom Zaubertopf. Wer kommt her? Kommt hinzu, o weh! o weh! Coridwen, die starke Fee!
kaum erwarten, bis die Butterlage mit dem wohl¬ ſchmeckenden Ueberzuge bedeckt war. Sigune — denn ſo hieß die erwachſene Schweſter der Kleinen, die ihnen getreulich ſeit einem Jahr die todte Mutter erſetzte — vergaß ſich ſelber nicht; der Alten wurde dann ein Becher Meth gereicht und auch das Eichhörnchen nicht vergeſſen, ihm wurden einige Haſelnüſſe geſpendet, und ſo ließ ſich denn die ganze Geſellſchaft ihr Veſperbrod ſchmecken.
„Hixi, Hixi“ rief jetzt das ältere Schweſterchen Sigunens, „komm' ſing mit uns das Märchenlied von Coridwen einmal wieder!“ Der Knabe ſtimmte mit ein, die Alte — ihr Name nicht abgekürzt hieß Ur¬ hixidur — war inzwiſchen munterer geworden und ſtellte nur die Bedingung, daß die Kinder ordentlich ein¬ fallen; ſie verſprachen eifrig und ſo begann denn der Geſang, wobei der Leſer zu merken hat, daß bei den fünf erſten Strophen je die zweite Zeile vom Knaben, die vierte vom Mädchen übernommen wird, das Uebrige aber mit näſelndem und zugleich hohlem Tone die Alte vorträgt.
„Gwyon, dieſer kleine Tropf — Was thut der? Hat geſchleckt vom Zaubertopf. Wer kommt her? Kommt hinzu, o weh! o weh! Coridwen, die ſtarke Fee!
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kaum erwarten, bis die Butterlage mit dem wohl¬
ſchmeckenden Ueberzuge bedeckt war. Sigune — denn
ſo hieß die erwachſene Schweſter der Kleinen, die ihnen
getreulich ſeit einem Jahr die todte Mutter erſetzte —
vergaß ſich ſelber nicht; der Alten wurde dann ein
Becher Meth gereicht und auch das Eichhörnchen nicht
vergeſſen, ihm wurden einige Haſelnüſſe geſpendet, und
ſo ließ ſich denn die ganze Geſellſchaft ihr Veſperbrod
ſchmecken.
„Hixi, Hixi“ rief jetzt das ältere Schweſterchen
Sigunens, „komm' ſing mit uns das Märchenlied von
Coridwen einmal wieder!“ Der Knabe ſtimmte mit
ein, die Alte — ihr Name nicht abgekürzt hieß Ur¬
hixidur — war inzwiſchen munterer geworden und ſtellte
nur die Bedingung, daß die Kinder ordentlich ein¬
fallen; ſie verſprachen eifrig und ſo begann denn der
Geſang, wobei der Leſer zu merken hat, daß bei den
fünf erſten Strophen je die zweite Zeile vom Knaben,
die vierte vom Mädchen übernommen wird, das Uebrige
aber mit näſelndem und zugleich hohlem Tone die
Alte vorträgt.
„Gwyon, dieſer kleine Tropf —
Was thut der?
Hat geſchleckt vom Zaubertopf.
Wer kommt her?
Kommt hinzu, o weh! o weh!
Coridwen, die ſtarke Fee!
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/146>, abgerufen am 22.12.2024.
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