Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

Wildpret, das wird uns gründlich der Festschmaus
bezeugen, von dem späterhin zu berichten ist.

Wir kehren zum einredenden Vater und ablehnen¬
den Sohne zurück.

"Ach, laß, Vater! Wenn ich so bei meinen Thier¬
lein sitze und denke so allerhand über ihre Art und
Thun und kenne sie aus einander und wundere mich,
wie sie doch verschieden sind, und wenn ich so weiter
denke und kommt mir als großmächtig Geheimniß vor,
wie Alles das so sein mag, auch Gras und Laub und
die großen Berge und die Sterne, und wenn ich dann
nicht weiter weiß und blase oder jodle oder blättle -- --"

Der Vater unterbrach ihn: "Was nützt mich das
Jodeln und Blätteln!" Aber Alpin war stolz auf sein
Jodeln und noch mehr auf sein Blätteln und dieß
mit Grund: er entlockte dem Buchenblatt zwischen seinen
Lippen Töne und Melodieen, wie sie jetzt ein Virtuos
auf Klarinette oder Fagot bezaubernder nicht hervor¬
bringen könnte. Und nun war das Gespräch natür¬
lich schon im unebenen Geleise. "Und blättle," nahm
Alpin in gereiztem Tone wieder auf, "und denke da¬
gegen, ich sollte zu Zwanzigen klopfen und hämmern
an dem, todten Gestein und mein eigen Wort nicht
hören vor dem Lärm -- und so immer das Gleiche
den ganzen Tag -- und dann der Herr oder die
Herren -- ich arbeite ja dann nicht für mich --
was krieg' ich von denen?"

Wildpret, das wird uns gründlich der Feſtſchmaus
bezeugen, von dem ſpäterhin zu berichten iſt.

Wir kehren zum einredenden Vater und ablehnen¬
den Sohne zurück.

„Ach, laß, Vater! Wenn ich ſo bei meinen Thier¬
lein ſitze und denke ſo allerhand über ihre Art und
Thun und kenne ſie aus einander und wundere mich,
wie ſie doch verſchieden ſind, und wenn ich ſo weiter
denke und kommt mir als großmächtig Geheimniß vor,
wie Alles das ſo ſein mag, auch Gras und Laub und
die großen Berge und die Sterne, und wenn ich dann
nicht weiter weiß und blaſe oder jodle oder blättle — —“

Der Vater unterbrach ihn: „Was nützt mich das
Jodeln und Blätteln!“ Aber Alpin war ſtolz auf ſein
Jodeln und noch mehr auf ſein Blätteln und dieß
mit Grund: er entlockte dem Buchenblatt zwiſchen ſeinen
Lippen Töne und Melodieen, wie ſie jetzt ein Virtuos
auf Klarinette oder Fagot bezaubernder nicht hervor¬
bringen könnte. Und nun war das Geſpräch natür¬
lich ſchon im unebenen Geleiſe. „Und blättle,“ nahm
Alpin in gereiztem Tone wieder auf, „und denke da¬
gegen, ich ſollte zu Zwanzigen klopfen und hämmern
an dem, todten Geſtein und mein eigen Wort nicht
hören vor dem Lärm — und ſo immer das Gleiche
den ganzen Tag — und dann der Herr oder die
Herren — ich arbeite ja dann nicht für mich —
was krieg' ich von denen?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0159" n="146"/>
Wildpret, das wird uns gründlich der Fe&#x017F;t&#x017F;chmaus<lb/>
bezeugen, von dem &#x017F;päterhin zu berichten i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Wir kehren zum einredenden Vater und ablehnen¬<lb/>
den Sohne zurück.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, laß, Vater! Wenn ich &#x017F;o bei meinen Thier¬<lb/>
lein &#x017F;itze und denke &#x017F;o allerhand über ihre Art und<lb/>
Thun und kenne &#x017F;ie aus einander und wundere mich,<lb/>
wie &#x017F;ie doch ver&#x017F;chieden &#x017F;ind, und wenn ich &#x017F;o weiter<lb/>
denke und kommt mir als großmächtig Geheimniß vor,<lb/>
wie Alles das &#x017F;o &#x017F;ein mag, auch Gras und Laub und<lb/>
die großen Berge und die Sterne, und wenn ich dann<lb/>
nicht weiter weiß und bla&#x017F;e oder jodle oder blättle &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Vater unterbrach ihn: &#x201E;Was nützt mich das<lb/>
Jodeln und Blätteln!&#x201C; Aber Alpin war &#x017F;tolz auf &#x017F;ein<lb/>
Jodeln und noch mehr auf &#x017F;ein Blätteln und dieß<lb/>
mit Grund: er entlockte dem Buchenblatt zwi&#x017F;chen &#x017F;einen<lb/>
Lippen Töne und Melodieen, wie &#x017F;ie jetzt ein Virtuos<lb/>
auf Klarinette oder Fagot bezaubernder nicht hervor¬<lb/>
bringen könnte. Und nun war das Ge&#x017F;präch natür¬<lb/>
lich &#x017F;chon im unebenen Gelei&#x017F;e. &#x201E;Und blättle,&#x201C; nahm<lb/>
Alpin in gereiztem Tone wieder auf, &#x201E;und denke da¬<lb/>
gegen, ich &#x017F;ollte zu Zwanzigen klopfen und hämmern<lb/>
an dem, todten Ge&#x017F;tein und mein eigen Wort nicht<lb/>
hören vor dem Lärm &#x2014; und &#x017F;o immer das Gleiche<lb/>
den ganzen Tag &#x2014; und dann der Herr oder die<lb/>
Herren &#x2014; ich arbeite ja dann nicht für mich &#x2014;<lb/>
was krieg' ich von denen?&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0159] Wildpret, das wird uns gründlich der Feſtſchmaus bezeugen, von dem ſpäterhin zu berichten iſt. Wir kehren zum einredenden Vater und ablehnen¬ den Sohne zurück. „Ach, laß, Vater! Wenn ich ſo bei meinen Thier¬ lein ſitze und denke ſo allerhand über ihre Art und Thun und kenne ſie aus einander und wundere mich, wie ſie doch verſchieden ſind, und wenn ich ſo weiter denke und kommt mir als großmächtig Geheimniß vor, wie Alles das ſo ſein mag, auch Gras und Laub und die großen Berge und die Sterne, und wenn ich dann nicht weiter weiß und blaſe oder jodle oder blättle — —“ Der Vater unterbrach ihn: „Was nützt mich das Jodeln und Blätteln!“ Aber Alpin war ſtolz auf ſein Jodeln und noch mehr auf ſein Blätteln und dieß mit Grund: er entlockte dem Buchenblatt zwiſchen ſeinen Lippen Töne und Melodieen, wie ſie jetzt ein Virtuos auf Klarinette oder Fagot bezaubernder nicht hervor¬ bringen könnte. Und nun war das Geſpräch natür¬ lich ſchon im unebenen Geleiſe. „Und blättle,“ nahm Alpin in gereiztem Tone wieder auf, „und denke da¬ gegen, ich ſollte zu Zwanzigen klopfen und hämmern an dem, todten Geſtein und mein eigen Wort nicht hören vor dem Lärm — und ſo immer das Gleiche den ganzen Tag — und dann der Herr oder die Herren — ich arbeite ja dann nicht für mich — was krieg' ich von denen?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/159
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/159>, abgerufen am 22.12.2024.