den rein katarrhalischen Baustyl: dieß ist der klassische; ferner den gemischt katarrhalischen oder den Katarrh- und Frostbeulenstyl: dieß ist der gothische, mit einer Vorstufe, dem romanischen, mit dessen Ergründung und schärferer Begriffsbestimmung ich noch beschäftigt bin; der Renaissancestyl, wie er aus dem römischen hervorgegangen, gehört einerseits noch zur rein katarrha¬ lischen Form -- schon wegen seiner Vorliebe zu Hallen und Loggien --, enthält aber andererseits Keime, um aus ihm den Zukunftsstyl, den einzig richtigen, den absoluten Styl, das heißt den reinen Segensstyl zu entwickeln."
Ich starrte den eifrig Vortragenden in großer Ver¬ blüffung an; ich mochte unbeschreiblich dumm aussehen. Er ließ sich nicht stören, sondern fuhr sehr ernst fort: "Sie erkennen doch, daß im klassischen, das heißt rein griechischen Styl Alles auf den Ausdruck des Satzes angelegt ist: hier, auf diesem windigen Peribolos, hier in diesen zugigen Säulenhallen, hier in diesem kühlen, lichtlosen oder (wenn der Tempel ein hypäthrischer ist) erst doppelt zugigen Heiligthum wirst du, mußt du -- wenigstens gewiß, wenn du ein Nordländer bist -- dich verkälten! -- Glauben Sie mir, verehrter Herr, der An¬ blick solcher Räume in einem Gemälde kann allein schon gefährlich werden. Als ich in Paris zum ersten Mal die Hochzeit zu Cana von Paolo Veronese sah, als ich nur in Gedanken mit dieser glänzenden Gesellschaft
den rein katarrhaliſchen Bauſtyl: dieß iſt der klaſſiſche; ferner den gemiſcht katarrhaliſchen oder den Katarrh- und Froſtbeulenſtyl: dieß iſt der gothiſche, mit einer Vorſtufe, dem romaniſchen, mit deſſen Ergründung und ſchärferer Begriffsbeſtimmung ich noch beſchäftigt bin; der Renaiſſanceſtyl, wie er aus dem römiſchen hervorgegangen, gehört einerſeits noch zur rein katarrha¬ liſchen Form — ſchon wegen ſeiner Vorliebe zu Hallen und Loggien —, enthält aber andererſeits Keime, um aus ihm den Zukunftsſtyl, den einzig richtigen, den abſoluten Styl, das heißt den reinen Segensſtyl zu entwickeln.“
Ich ſtarrte den eifrig Vortragenden in großer Ver¬ blüffung an; ich mochte unbeſchreiblich dumm ausſehen. Er ließ ſich nicht ſtören, ſondern fuhr ſehr ernſt fort: „Sie erkennen doch, daß im klaſſiſchen, das heißt rein griechiſchen Styl Alles auf den Ausdruck des Satzes angelegt iſt: hier, auf dieſem windigen Peribolos, hier in dieſen zugigen Säulenhallen, hier in dieſem kühlen, lichtloſen oder (wenn der Tempel ein hypäthriſcher iſt) erſt doppelt zugigen Heiligthum wirſt du, mußt du — wenigſtens gewiß, wenn du ein Nordländer biſt — dich verkälten! — Glauben Sie mir, verehrter Herr, der An¬ blick ſolcher Räume in einem Gemälde kann allein ſchon gefährlich werden. Als ich in Paris zum erſten Mal die Hochzeit zu Cana von Paolo Veroneſe ſah, als ich nur in Gedanken mit dieſer glänzenden Geſellſchaft
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den rein katarrhaliſchen Bauſtyl: dieß iſt der klaſſiſche;
ferner den gemiſcht katarrhaliſchen oder den Katarrh-
und Froſtbeulenſtyl: dieß iſt der gothiſche, mit einer
Vorſtufe, dem romaniſchen, mit deſſen Ergründung
und ſchärferer Begriffsbeſtimmung ich noch beſchäftigt
bin; der Renaiſſanceſtyl, wie er aus dem römiſchen
hervorgegangen, gehört einerſeits noch zur rein katarrha¬
liſchen Form — ſchon wegen ſeiner Vorliebe zu Hallen
und Loggien —, enthält aber andererſeits Keime, um
aus ihm den Zukunftsſtyl, den einzig richtigen, den
abſoluten Styl, das heißt den reinen Segensſtyl zu
entwickeln.“
Ich ſtarrte den eifrig Vortragenden in großer Ver¬
blüffung an; ich mochte unbeſchreiblich dumm ausſehen.
Er ließ ſich nicht ſtören, ſondern fuhr ſehr ernſt fort:
„Sie erkennen doch, daß im klaſſiſchen, das heißt rein
griechiſchen Styl Alles auf den Ausdruck des Satzes
angelegt iſt: hier, auf dieſem windigen Peribolos, hier
in dieſen zugigen Säulenhallen, hier in dieſem kühlen,
lichtloſen oder (wenn der Tempel ein hypäthriſcher iſt)
erſt doppelt zugigen Heiligthum wirſt du, mußt du —
wenigſtens gewiß, wenn du ein Nordländer biſt — dich
verkälten! — Glauben Sie mir, verehrter Herr, der An¬
blick ſolcher Räume in einem Gemälde kann allein ſchon
gefährlich werden. Als ich in Paris zum erſten Mal
die Hochzeit zu Cana von Paolo Veroneſe ſah, als
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/24>, abgerufen am 22.12.2024.
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