bei seinem Schwellen und Rollen zeigt sich die Binde¬ haut, die als weißer Grund dem menschlichen Augen¬ stern seine edle, reine, hebende Umrahmung gibt, als roth durchäderte Folie und erhöht so mit ihrer Blut¬ farbe das scheusliche Wuthbild, aus dem Maule hängt die blaurothe Zunge und ein dunkler Bart schwankt am Unterkiefer, als hätte der teuflischen Maske noch ein Stück vom Kopfe des Ziegenbocks gefehlt. Vom mächtigen langen Leibe wird dieß Haupt in ungeheuren Galopprucken zum Stoß vorgeworfen und mit der geschwungenen Zottel des Schweifes scheint sich das Unthier zu immer erneuter, wachsender Furie zu peit¬ schen. Das war, muß man gestehen, ein Anblick besinnungraubender Art; Arthur stand auf dem Punkte, sie zu verlieren, und sobald er sie verlor, mußte seine Behendigkeit selbst sein Untergang sein, denn eine einzige seiner blitzschnellen Kehrungen verfehlt -- und sie mußte ihn gerade in die Stoßlinie des fürchter¬ lichen Feindes hineinführen. Bereits ist ihm dieß widerfahren, er blutet aus einer Streifwunde an der Stirne, sein Auge umflort sich, er schwankt, er beginnt zu taumeln. In diesem Augenblick unendlicher Gefahr ist Alpin erschienen, ein Gedanke wie ein zuckender Strahl erleuchtet ihn, er nimmt einen Ansatz, springt dem Ungeheuer auf den Rücken, auf den höckerartigen Wulst des Widerristes, klammert sich mit mächtigen Schenkeln fest und stößt mit der Riesenkraft und mit
bei ſeinem Schwellen und Rollen zeigt ſich die Binde¬ haut, die als weißer Grund dem menſchlichen Augen¬ ſtern ſeine edle, reine, hebende Umrahmung gibt, als roth durchäderte Folie und erhöht ſo mit ihrer Blut¬ farbe das ſcheusliche Wuthbild, aus dem Maule hängt die blaurothe Zunge und ein dunkler Bart ſchwankt am Unterkiefer, als hätte der teufliſchen Maske noch ein Stück vom Kopfe des Ziegenbocks gefehlt. Vom mächtigen langen Leibe wird dieß Haupt in ungeheuren Galopprucken zum Stoß vorgeworfen und mit der geſchwungenen Zottel des Schweifes ſcheint ſich das Unthier zu immer erneuter, wachſender Furie zu peit¬ ſchen. Das war, muß man geſtehen, ein Anblick beſinnungraubender Art; Arthur ſtand auf dem Punkte, ſie zu verlieren, und ſobald er ſie verlor, mußte ſeine Behendigkeit ſelbſt ſein Untergang ſein, denn eine einzige ſeiner blitzſchnellen Kehrungen verfehlt — und ſie mußte ihn gerade in die Stoßlinie des fürchter¬ lichen Feindes hineinführen. Bereits iſt ihm dieß widerfahren, er blutet aus einer Streifwunde an der Stirne, ſein Auge umflort ſich, er ſchwankt, er beginnt zu taumeln. In dieſem Augenblick unendlicher Gefahr iſt Alpin erſchienen, ein Gedanke wie ein zuckender Strahl erleuchtet ihn, er nimmt einen Anſatz, ſpringt dem Ungeheuer auf den Rücken, auf den höckerartigen Wulſt des Widerriſtes, klammert ſich mit mächtigen Schenkeln feſt und ſtößt mit der Rieſenkraft und mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0252"n="239"/>
bei ſeinem Schwellen und Rollen zeigt ſich die Binde¬<lb/>
haut, die als weißer Grund dem menſchlichen Augen¬<lb/>ſtern ſeine edle, reine, hebende Umrahmung gibt, als<lb/>
roth durchäderte Folie und erhöht ſo mit ihrer Blut¬<lb/>
farbe das ſcheusliche Wuthbild, aus dem Maule hängt<lb/>
die blaurothe Zunge und ein dunkler Bart ſchwankt<lb/>
am Unterkiefer, als hätte der teufliſchen Maske noch<lb/>
ein Stück vom Kopfe des Ziegenbocks gefehlt. Vom<lb/>
mächtigen langen Leibe wird dieß Haupt in ungeheuren<lb/>
Galopprucken zum Stoß vorgeworfen und mit der<lb/>
geſchwungenen Zottel des Schweifes ſcheint ſich das<lb/>
Unthier zu immer erneuter, wachſender Furie zu peit¬<lb/>ſchen. Das war, muß man geſtehen, ein Anblick<lb/>
beſinnungraubender Art; Arthur ſtand auf dem Punkte,<lb/>ſie zu verlieren, und ſobald er ſie verlor, mußte ſeine<lb/>
Behendigkeit ſelbſt ſein Untergang ſein, denn eine<lb/>
einzige ſeiner blitzſchnellen Kehrungen verfehlt — und<lb/>ſie mußte ihn gerade in die Stoßlinie des fürchter¬<lb/>
lichen Feindes hineinführen. Bereits iſt ihm dieß<lb/>
widerfahren, er blutet aus einer Streifwunde an der<lb/>
Stirne, ſein Auge umflort ſich, er ſchwankt, er beginnt<lb/>
zu taumeln. In dieſem Augenblick unendlicher Gefahr<lb/>
iſt Alpin erſchienen, ein Gedanke wie ein zuckender<lb/>
Strahl erleuchtet ihn, er nimmt einen Anſatz, ſpringt<lb/>
dem Ungeheuer auf den Rücken, auf den höckerartigen<lb/>
Wulſt des Widerriſtes, klammert ſich mit mächtigen<lb/>
Schenkeln feſt und ſtößt mit der Rieſenkraft und mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[239/0252]
bei ſeinem Schwellen und Rollen zeigt ſich die Binde¬
haut, die als weißer Grund dem menſchlichen Augen¬
ſtern ſeine edle, reine, hebende Umrahmung gibt, als
roth durchäderte Folie und erhöht ſo mit ihrer Blut¬
farbe das ſcheusliche Wuthbild, aus dem Maule hängt
die blaurothe Zunge und ein dunkler Bart ſchwankt
am Unterkiefer, als hätte der teufliſchen Maske noch
ein Stück vom Kopfe des Ziegenbocks gefehlt. Vom
mächtigen langen Leibe wird dieß Haupt in ungeheuren
Galopprucken zum Stoß vorgeworfen und mit der
geſchwungenen Zottel des Schweifes ſcheint ſich das
Unthier zu immer erneuter, wachſender Furie zu peit¬
ſchen. Das war, muß man geſtehen, ein Anblick
beſinnungraubender Art; Arthur ſtand auf dem Punkte,
ſie zu verlieren, und ſobald er ſie verlor, mußte ſeine
Behendigkeit ſelbſt ſein Untergang ſein, denn eine
einzige ſeiner blitzſchnellen Kehrungen verfehlt — und
ſie mußte ihn gerade in die Stoßlinie des fürchter¬
lichen Feindes hineinführen. Bereits iſt ihm dieß
widerfahren, er blutet aus einer Streifwunde an der
Stirne, ſein Auge umflort ſich, er ſchwankt, er beginnt
zu taumeln. In dieſem Augenblick unendlicher Gefahr
iſt Alpin erſchienen, ein Gedanke wie ein zuckender
Strahl erleuchtet ihn, er nimmt einen Anſatz, ſpringt
dem Ungeheuer auf den Rücken, auf den höckerartigen
Wulſt des Widerriſtes, klammert ſich mit mächtigen
Schenkeln feſt und ſtößt mit der Rieſenkraft und mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/252>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.