den sichern Sinnen des Natursohns den starken, äußerst glatt polirten und spitzen Dolch aus dem Ende eines Hirschgeweihs, ungehindert von der bauschigen Mähne, der dicken Haut, den stahlharten Sehnen, zwischen den Hinterhauptknochen und den ersten Halswirbel hinein, daß er mit Blitzesschnelle die Verbindung von Gehirn und Rückenmark zerreißt. Das schwere Thier bäumt sich empor wie ein Hirsch, schnellt mit einer unwidersteh¬ lichen Schüttelbewegung den tödtlichen Reiter weit weg, stürzt auf den Rücken, zappelt und verendet. Arthur sah nur wie durch einen Schleier diese That der Ret¬ tung, ein starrer, in allen Nerven gelähmter Zuschauer stand er wie in den Boden gewurzelt, an einen Baum gelehnt, und statt dem Retter, der nun bewußtlos am Boden lag, zu Hülfe zu eilen, sank er jetzt selbst zusammen und blieb so liegen wie ein Träumender mit offnen Augen, bis auch ihm die Lider sich schloßen.
Jetzt hört man ein Bellen, kurze, kläffende Laute, wie die Hunde sie hören lassen, wenn sie einer Spur nachjagen. Schnell dringt es näher und mit einem Sprunge, heulend vor Freude, wirft sich Tyras auf seinen Herrn und leckt ihm die Hände, die blutende Stirne. Kurz darnach rauscht es wieder durch das Gehölz und aus den Büschen taucht Sigunens hohe Gestalt hervor, ihre Haare fliegen, ihre Gewänder sausen noch von der Heftigkeit athemloser Bewegung, ihre schönen Arme sind von scharfen Fichtenzweigen,
den ſichern Sinnen des Naturſohns den ſtarken, äußerſt glatt polirten und ſpitzen Dolch aus dem Ende eines Hirſchgeweihs, ungehindert von der bauſchigen Mähne, der dicken Haut, den ſtahlharten Sehnen, zwiſchen den Hinterhauptknochen und den erſten Halswirbel hinein, daß er mit Blitzesſchnelle die Verbindung von Gehirn und Rückenmark zerreißt. Das ſchwere Thier bäumt ſich empor wie ein Hirſch, ſchnellt mit einer unwiderſteh¬ lichen Schüttelbewegung den tödtlichen Reiter weit weg, ſtürzt auf den Rücken, zappelt und verendet. Arthur ſah nur wie durch einen Schleier dieſe That der Ret¬ tung, ein ſtarrer, in allen Nerven gelähmter Zuſchauer ſtand er wie in den Boden gewurzelt, an einen Baum gelehnt, und ſtatt dem Retter, der nun bewußtlos am Boden lag, zu Hülfe zu eilen, ſank er jetzt ſelbſt zuſammen und blieb ſo liegen wie ein Träumender mit offnen Augen, bis auch ihm die Lider ſich ſchloßen.
Jetzt hört man ein Bellen, kurze, kläffende Laute, wie die Hunde ſie hören laſſen, wenn ſie einer Spur nachjagen. Schnell dringt es näher und mit einem Sprunge, heulend vor Freude, wirft ſich Tyras auf ſeinen Herrn und leckt ihm die Hände, die blutende Stirne. Kurz darnach rauſcht es wieder durch das Gehölz und aus den Büſchen taucht Sigunens hohe Geſtalt hervor, ihre Haare fliegen, ihre Gewänder ſauſen noch von der Heftigkeit athemloſer Bewegung, ihre ſchönen Arme ſind von ſcharfen Fichtenzweigen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0253"n="240"/>
den ſichern Sinnen des Naturſohns den ſtarken, äußerſt<lb/>
glatt polirten und ſpitzen Dolch aus dem Ende eines<lb/>
Hirſchgeweihs, ungehindert von der bauſchigen Mähne,<lb/>
der dicken Haut, den ſtahlharten Sehnen, zwiſchen den<lb/>
Hinterhauptknochen und den erſten Halswirbel hinein,<lb/>
daß er mit Blitzesſchnelle die Verbindung von Gehirn<lb/>
und Rückenmark zerreißt. Das ſchwere Thier bäumt ſich<lb/>
empor wie ein Hirſch, ſchnellt mit einer unwiderſteh¬<lb/>
lichen Schüttelbewegung den tödtlichen Reiter weit weg,<lb/>ſtürzt auf den Rücken, zappelt und verendet. Arthur<lb/>ſah nur wie durch einen Schleier dieſe That der Ret¬<lb/>
tung, ein ſtarrer, in allen Nerven gelähmter Zuſchauer<lb/>ſtand er wie in den Boden gewurzelt, an einen Baum<lb/>
gelehnt, und ſtatt dem Retter, der nun bewußtlos<lb/>
am Boden lag, zu Hülfe zu eilen, ſank er jetzt ſelbſt<lb/>
zuſammen und blieb ſo liegen wie ein Träumender mit<lb/>
offnen Augen, bis auch ihm die Lider ſich ſchloßen.</p><lb/><p>Jetzt hört man ein Bellen, kurze, kläffende Laute,<lb/>
wie die Hunde ſie hören laſſen, wenn ſie einer Spur<lb/>
nachjagen. Schnell dringt es näher und mit einem<lb/>
Sprunge, heulend vor Freude, wirft ſich Tyras auf<lb/>ſeinen Herrn und leckt ihm die Hände, die blutende<lb/>
Stirne. Kurz darnach rauſcht es wieder durch das<lb/>
Gehölz und aus den Büſchen taucht Sigunens hohe<lb/>
Geſtalt hervor, ihre Haare fliegen, ihre Gewänder<lb/>ſauſen noch von der Heftigkeit athemloſer Bewegung,<lb/>
ihre ſchönen Arme ſind von ſcharfen Fichtenzweigen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[240/0253]
den ſichern Sinnen des Naturſohns den ſtarken, äußerſt
glatt polirten und ſpitzen Dolch aus dem Ende eines
Hirſchgeweihs, ungehindert von der bauſchigen Mähne,
der dicken Haut, den ſtahlharten Sehnen, zwiſchen den
Hinterhauptknochen und den erſten Halswirbel hinein,
daß er mit Blitzesſchnelle die Verbindung von Gehirn
und Rückenmark zerreißt. Das ſchwere Thier bäumt ſich
empor wie ein Hirſch, ſchnellt mit einer unwiderſteh¬
lichen Schüttelbewegung den tödtlichen Reiter weit weg,
ſtürzt auf den Rücken, zappelt und verendet. Arthur
ſah nur wie durch einen Schleier dieſe That der Ret¬
tung, ein ſtarrer, in allen Nerven gelähmter Zuſchauer
ſtand er wie in den Boden gewurzelt, an einen Baum
gelehnt, und ſtatt dem Retter, der nun bewußtlos
am Boden lag, zu Hülfe zu eilen, ſank er jetzt ſelbſt
zuſammen und blieb ſo liegen wie ein Träumender mit
offnen Augen, bis auch ihm die Lider ſich ſchloßen.
Jetzt hört man ein Bellen, kurze, kläffende Laute,
wie die Hunde ſie hören laſſen, wenn ſie einer Spur
nachjagen. Schnell dringt es näher und mit einem
Sprunge, heulend vor Freude, wirft ſich Tyras auf
ſeinen Herrn und leckt ihm die Hände, die blutende
Stirne. Kurz darnach rauſcht es wieder durch das
Gehölz und aus den Büſchen taucht Sigunens hohe
Geſtalt hervor, ihre Haare fliegen, ihre Gewänder
ſauſen noch von der Heftigkeit athemloſer Bewegung,
ihre ſchönen Arme ſind von ſcharfen Fichtenzweigen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/253>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.