Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.Das schimmert von der Ferne her Tiefschweigend wie ein Nachtgebet, Dahinter höre ich das Meer Im Geist und wie die Brandung geht." Hier griff der Sänger gewaltig in die Saiten "Brausen hör' ich's allerwegen Einem neuen Tag entgegen, Durch die weiten Geisterbahnen Geht ein Träumen, geht ein Ahnen. Wir sinnen, wo in weiter Welt Die Thore wohl geöffnet sind Und wann wohl seinen Einzug hält Das längst ersehnte Heldenkind. Brüte, Nebel, wärme, brüte Dunkler Keime Wunderblüte! Das ſchimmert von der Ferne her Tiefſchweigend wie ein Nachtgebet, Dahinter höre ich das Meer Im Geiſt und wie die Brandung geht.“ Hier griff der Sänger gewaltig in die Saiten „Brauſen hör' ich's allerwegen Einem neuen Tag entgegen, Durch die weiten Geiſterbahnen Geht ein Träumen, geht ein Ahnen. Wir ſinnen, wo in weiter Welt Die Thore wohl geöffnet ſind Und wann wohl ſeinen Einzug hält Das längſt erſehnte Heldenkind. Brüte, Nebel, wärme, brüte Dunkler Keime Wunderblüte! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0268" n="255"/> <lg n="4"> <l>Das ſchimmert von der Ferne her</l><lb/> <l>Tiefſchweigend wie ein Nachtgebet,</l><lb/> <l>Dahinter höre ich das Meer</l><lb/> <l>Im Geiſt und wie die Brandung geht.“</l><lb/> </lg> </lg> <p>Hier griff der Sänger gewaltig in die Saiten<lb/> denen er bis dahin am Schluſſe der Strophen nur<lb/> leiſe, zitternde Akkorde entlockt hatte; eine ſtürmiſche<lb/> Tonflut brauste durch die ſtille Nacht und durch die<lb/> erſchütterten Seelen der Zuhörer, die noch tiefer<lb/> ſchwiegen, als der kaum bewegte Spiegel des Sees im<lb/> Strahle des Mondes. Der Barde ließ die mächtigen<lb/> Laute noch fortrollen, während er die nächſte Zeile<lb/> ſang, dann gieng er wieder in die zart gegriffenen<lb/> Töne über, denen er Pauſen ließ, um noch hörbar<lb/> unter dem gleich ſanften Plätſchern der Wellen im Röh¬<lb/> richt und dem leiſen Rauſchen des nahen Haines zu<lb/> verſchweben und zu verhauchen:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Brauſen hör' ich's allerwegen</l><lb/> <l>Einem neuen Tag entgegen,</l><lb/> <l>Durch die weiten Geiſterbahnen</l><lb/> <l>Geht ein Träumen, geht ein Ahnen.</l><lb/> <l>Wir ſinnen, wo in weiter Welt</l><lb/> <l>Die Thore wohl geöffnet ſind</l><lb/> <l>Und wann wohl ſeinen Einzug hält</l><lb/> <l>Das längſt erſehnte Heldenkind.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Brüte, Nebel, wärme, brüte</l><lb/> <l>Dunkler Keime Wunderblüte!</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [255/0268]
Das ſchimmert von der Ferne her
Tiefſchweigend wie ein Nachtgebet,
Dahinter höre ich das Meer
Im Geiſt und wie die Brandung geht.“
Hier griff der Sänger gewaltig in die Saiten
denen er bis dahin am Schluſſe der Strophen nur
leiſe, zitternde Akkorde entlockt hatte; eine ſtürmiſche
Tonflut brauste durch die ſtille Nacht und durch die
erſchütterten Seelen der Zuhörer, die noch tiefer
ſchwiegen, als der kaum bewegte Spiegel des Sees im
Strahle des Mondes. Der Barde ließ die mächtigen
Laute noch fortrollen, während er die nächſte Zeile
ſang, dann gieng er wieder in die zart gegriffenen
Töne über, denen er Pauſen ließ, um noch hörbar
unter dem gleich ſanften Plätſchern der Wellen im Röh¬
richt und dem leiſen Rauſchen des nahen Haines zu
verſchweben und zu verhauchen:
„Brauſen hör' ich's allerwegen
Einem neuen Tag entgegen,
Durch die weiten Geiſterbahnen
Geht ein Träumen, geht ein Ahnen.
Wir ſinnen, wo in weiter Welt
Die Thore wohl geöffnet ſind
Und wann wohl ſeinen Einzug hält
Das längſt erſehnte Heldenkind.
Brüte, Nebel, wärme, brüte
Dunkler Keime Wunderblüte!
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