nicht im mindesten den Ausdruck von Güte und feiner Laune, der auf diesen Zügen lag, sondern ließ nur schließen, daß anhaltende Geistesarbeit die Verrichtung der Leber etwas beeinträchtigt haben dürfte.
Er begann: "Hochwürdiger Herr Druide! Hochacht¬ bare Gemeindeältesten, achtbare und ehrsame Mannen! Pfahlbürger! Pfahlkerle! Pfahlekarlier! (Bravo!) Ihr habt mir die Ehre erwiesen, mich zu einem Vortrag über die merkwürdigen Fünde einzuladen, die euer Seegrund zu Tage gefördert hat. Glücklicherweise bin ich nun in der Lage, euch melden zu können, daß an unserem See, nur ein paar Stunden von Turik ent¬ fernt, gerade dieselbe Entdeckung gemacht worden ist; nämlich an der Stelle, wo jetzt die ehrenwerthe Ge¬ meinde Milun auf ihren Pfählen wohnt, legte die große Dürre einen Theil des Grundes trocken, man sah uralte schwarze Stümpfe hervorragen, Kinder fan¬ den Scherben von Töpfen, brachten sie nach Hause, die Alten wurden aufmerksam auf die rohe Form, die arme und ungeschickte Art der Verzierung -- es waren, wie ihr es hier gefunden, bloße Reihen von Eindrücken mit Fingernägeln während man jetzt doch einige feinere Linien, ein Zickzackornament einritzt oder aufmalt --, ebenso auf den zerbrechlichen Thon, der nicht mit feinem Staub aus hartem Gestein verdichtet war, wie man es jetzt thut: man grub weiter, fand in Milun wie in Robanus Knochen von unbekannten ungeheuren
nicht im mindeſten den Ausdruck von Güte und feiner Laune, der auf dieſen Zügen lag, ſondern ließ nur ſchließen, daß anhaltende Geiſtesarbeit die Verrichtung der Leber etwas beeinträchtigt haben dürfte.
Er begann: „Hochwürdiger Herr Druide! Hochacht¬ bare Gemeindeälteſten, achtbare und ehrſame Mannen! Pfahlbürger! Pfahlkerle! Pfahlekarlier! (Bravo!) Ihr habt mir die Ehre erwieſen, mich zu einem Vortrag über die merkwürdigen Fünde einzuladen, die euer Seegrund zu Tage gefördert hat. Glücklicherweiſe bin ich nun in der Lage, euch melden zu können, daß an unſerem See, nur ein paar Stunden von Turik ent¬ fernt, gerade dieſelbe Entdeckung gemacht worden iſt; nämlich an der Stelle, wo jetzt die ehrenwerthe Ge¬ meinde Milun auf ihren Pfählen wohnt, legte die große Dürre einen Theil des Grundes trocken, man ſah uralte ſchwarze Stümpfe hervorragen, Kinder fan¬ den Scherben von Töpfen, brachten ſie nach Hauſe, die Alten wurden aufmerkſam auf die rohe Form, die arme und ungeſchickte Art der Verzierung — es waren, wie ihr es hier gefunden, bloße Reihen von Eindrücken mit Fingernägeln während man jetzt doch einige feinere Linien, ein Zickzackornament einritzt oder aufmalt —, ebenſo auf den zerbrechlichen Thon, der nicht mit feinem Staub aus hartem Geſtein verdichtet war, wie man es jetzt thut: man grub weiter, fand in Milun wie in Robanus Knochen von unbekannten ungeheuren
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nicht im mindeſten den Ausdruck von Güte und feiner
Laune, der auf dieſen Zügen lag, ſondern ließ nur
ſchließen, daß anhaltende Geiſtesarbeit die Verrichtung
der Leber etwas beeinträchtigt haben dürfte.
Er begann: „Hochwürdiger Herr Druide! Hochacht¬
bare Gemeindeälteſten, achtbare und ehrſame Mannen!
Pfahlbürger! Pfahlkerle! Pfahlekarlier! (Bravo!) Ihr
habt mir die Ehre erwieſen, mich zu einem Vortrag
über die merkwürdigen Fünde einzuladen, die euer
Seegrund zu Tage gefördert hat. Glücklicherweiſe bin
ich nun in der Lage, euch melden zu können, daß an
unſerem See, nur ein paar Stunden von Turik ent¬
fernt, gerade dieſelbe Entdeckung gemacht worden iſt;
nämlich an der Stelle, wo jetzt die ehrenwerthe Ge¬
meinde Milun auf ihren Pfählen wohnt, legte die
große Dürre einen Theil des Grundes trocken, man
ſah uralte ſchwarze Stümpfe hervorragen, Kinder fan¬
den Scherben von Töpfen, brachten ſie nach Hauſe,
die Alten wurden aufmerkſam auf die rohe Form, die
arme und ungeſchickte Art der Verzierung — es waren,
wie ihr es hier gefunden, bloße Reihen von Eindrücken
mit Fingernägeln während man jetzt doch einige feinere
Linien, ein Zickzackornament einritzt oder aufmalt —,
ebenſo auf den zerbrechlichen Thon, der nicht mit feinem
Staub aus hartem Geſtein verdichtet war, wie man
es jetzt thut: man grub weiter, fand in Milun wie
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/273>, abgerufen am 23.12.2024.
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