Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

ist fähig, über einen Schrank einen Teppich so zu legen,
daß er über die oberste Schublade überhängt und so
oft diese gezogen und geschlossen wird, sich einklemmt!
Mein Herr, das Weib hat Zeit für den Kampf mit
dem Racker Objekt, sie lebt in diesem Kampf, er ist
ihr Element; ein Mann darf und soll keine Zeit hiefür
haben, er braucht seine Geduld auf für das, was der
Geduld werth ist. Ueber die Zumuthung, Beides zu
verwenden gegen das Unwerthe, kann, darf, soll er
wüthen! Sie können doch wissen, daß die elenden
Objekte, diese Igel, diese Nickel, sich nie lieber ein¬
haken, als wenn wir die höchste Eile haben, etwas
fertig zu bringen, was nöthig und vernünftig ist!
Elender Bettel, nichtswürdiger Knopf oder Knäuel
eines Bändels, Lorgnettenschnur, die sich um meinen
Westenknopf wickelt, just wenn es auf der Eisenbahn
auf's Aeußerste eilt, einen klein gedruckten Fahrplan
nachzusehen, ich hab' ja keine Zeit, keine Zeit für
euch! Und wenn ich tausend Blutigel an die Ewigkeit
setze, sie ziehen mir nicht eine Sekunde Zeit für euch
heraus!"

"Was nützt aber die Wuth?"

"O, geistlos! Hat es Luther nichts genützt -- falls
von Nutzen die Rede sein soll --, wenn er den Teufel
fortschalt? Wißt ihr denn nichts von Entlastung der
armen Seele? Von der köstlichen Arznei, die im
Fluchen liegt?"

iſt fähig, über einen Schrank einen Teppich ſo zu legen,
daß er über die oberſte Schublade überhängt und ſo
oft dieſe gezogen und geſchloſſen wird, ſich einklemmt!
Mein Herr, das Weib hat Zeit für den Kampf mit
dem Racker Objekt, ſie lebt in dieſem Kampf, er iſt
ihr Element; ein Mann darf und ſoll keine Zeit hiefür
haben, er braucht ſeine Geduld auf für das, was der
Geduld werth iſt. Ueber die Zumuthung, Beides zu
verwenden gegen das Unwerthe, kann, darf, ſoll er
wüthen! Sie können doch wiſſen, daß die elenden
Objekte, dieſe Igel, dieſe Nickel, ſich nie lieber ein¬
haken, als wenn wir die höchſte Eile haben, etwas
fertig zu bringen, was nöthig und vernünftig iſt!
Elender Bettel, nichtswürdiger Knopf oder Knäuel
eines Bändels, Lorgnettenſchnur, die ſich um meinen
Weſtenknopf wickelt, juſt wenn es auf der Eiſenbahn
auf's Aeußerſte eilt, einen klein gedruckten Fahrplan
nachzuſehen, ich hab' ja keine Zeit, keine Zeit für
euch! Und wenn ich tauſend Blutigel an die Ewigkeit
ſetze, ſie ziehen mir nicht eine Sekunde Zeit für euch
heraus!“

„Was nützt aber die Wuth?“

„O, geiſtlos! Hat es Luther nichts genützt — falls
von Nutzen die Rede ſein ſoll —, wenn er den Teufel
fortſchalt? Wißt ihr denn nichts von Entlaſtung der
armen Seele? Von der köſtlichen Arznei, die im
Fluchen liegt?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0031" n="18"/>
i&#x017F;t fähig, über einen Schrank einen Teppich &#x017F;o zu legen,<lb/>
daß er über die ober&#x017F;te Schublade überhängt und &#x017F;o<lb/>
oft die&#x017F;e gezogen und ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wird, &#x017F;ich einklemmt!<lb/>
Mein Herr, das Weib hat <hi rendition="#g">Zeit</hi> für den Kampf mit<lb/>
dem Racker Objekt, &#x017F;ie <hi rendition="#g">lebt</hi> in die&#x017F;em Kampf, er i&#x017F;t<lb/>
ihr Element; ein Mann darf und &#x017F;oll keine Zeit hiefür<lb/>
haben, er braucht &#x017F;eine Geduld auf für das, was der<lb/>
Geduld <hi rendition="#g">werth</hi> i&#x017F;t. Ueber die Zumuthung, Beides zu<lb/>
verwenden gegen das Unwerthe, kann, darf, &#x017F;oll er<lb/>
wüthen! Sie können doch wi&#x017F;&#x017F;en, daß die elenden<lb/>
Objekte, die&#x017F;e Igel, die&#x017F;e Nickel, &#x017F;ich nie lieber ein¬<lb/>
haken, als wenn wir die höch&#x017F;te Eile haben, etwas<lb/>
fertig zu bringen, was nöthig und vernünftig i&#x017F;t!<lb/>
Elender Bettel, nichtswürdiger Knopf oder Knäuel<lb/>
eines Bändels, Lorgnetten&#x017F;chnur, die &#x017F;ich um meinen<lb/>
We&#x017F;tenknopf wickelt, ju&#x017F;t wenn es auf der Ei&#x017F;enbahn<lb/>
auf's Aeußer&#x017F;te eilt, einen klein gedruckten Fahrplan<lb/>
nachzu&#x017F;ehen, ich hab' ja keine Zeit, keine Zeit für<lb/>
euch! Und wenn ich tau&#x017F;end Blutigel an die Ewigkeit<lb/>
&#x017F;etze, &#x017F;ie ziehen mir nicht eine Sekunde Zeit für euch<lb/>
heraus!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was nützt aber die Wuth?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O, gei&#x017F;tlos! Hat es Luther nichts genützt &#x2014; falls<lb/>
von Nutzen die Rede &#x017F;ein &#x017F;oll &#x2014;, wenn er den Teufel<lb/>
fort&#x017F;chalt? Wißt ihr denn nichts von Entla&#x017F;tung der<lb/>
armen Seele? Von der kö&#x017F;tlichen Arznei, die im<lb/>
Fluchen liegt?&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0031] iſt fähig, über einen Schrank einen Teppich ſo zu legen, daß er über die oberſte Schublade überhängt und ſo oft dieſe gezogen und geſchloſſen wird, ſich einklemmt! Mein Herr, das Weib hat Zeit für den Kampf mit dem Racker Objekt, ſie lebt in dieſem Kampf, er iſt ihr Element; ein Mann darf und ſoll keine Zeit hiefür haben, er braucht ſeine Geduld auf für das, was der Geduld werth iſt. Ueber die Zumuthung, Beides zu verwenden gegen das Unwerthe, kann, darf, ſoll er wüthen! Sie können doch wiſſen, daß die elenden Objekte, dieſe Igel, dieſe Nickel, ſich nie lieber ein¬ haken, als wenn wir die höchſte Eile haben, etwas fertig zu bringen, was nöthig und vernünftig iſt! Elender Bettel, nichtswürdiger Knopf oder Knäuel eines Bändels, Lorgnettenſchnur, die ſich um meinen Weſtenknopf wickelt, juſt wenn es auf der Eiſenbahn auf's Aeußerſte eilt, einen klein gedruckten Fahrplan nachzuſehen, ich hab' ja keine Zeit, keine Zeit für euch! Und wenn ich tauſend Blutigel an die Ewigkeit ſetze, ſie ziehen mir nicht eine Sekunde Zeit für euch heraus!“ „Was nützt aber die Wuth?“ „O, geiſtlos! Hat es Luther nichts genützt — falls von Nutzen die Rede ſein ſoll —, wenn er den Teufel fortſchalt? Wißt ihr denn nichts von Entlaſtung der armen Seele? Von der köſtlichen Arznei, die im Fluchen liegt?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/31
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/31>, abgerufen am 22.12.2024.