wendet, das er sich aus Kohlenstaub zurecht gemacht; ein Kenner hätte den amerikanischen Bison, nicht seinen lichtern europäischen Verwandten zu sehen geglaubt. Aber mit entschiedener Sicherheit des Blicks und der Hand war nicht nur die Gestalt, sondern mehr noch die Bewegung erfaßt. Man sah das Thier in wildem Ansprung, den Kopf zum Stoße gesenkt; daß dieser von vorn, der Körper aber von der Seite genommen war, darüber durfte man billig wegsehen; man kannte und forderte Verkürzungen dortzulande so wenig wie im alten Egypten und später in Byzanz; übrigens kam die Kühnheit daher, daß es das Absehen des Künstlers war, die Augen beide in ihrer ganzen Schrecklichkeit wiederzugeben. Mit dem röthsten Röthel, den er auftreiben konnte, hatte er die blutrünstige Bindehaut, mit der schwärzesten Mischung von Kohlen¬ staub und Kienruß die Augensterne aufgetragen und in dieses Schwarz je ein Stück des findbar reinsten Bergkrystalls eingelassen. Mit Staunen und Grauen wurde das Meisterwerk begrüßt, als es aufgestellt war. Die Senkung des Kopfes erlaubte auch, das Centrum der Scheibe an der Stelle anzubringen, auf welche Alpin den tödtlichen Stoß geführt hatte: es war ein rundgeschnittenes Blatt von rothem Zeug, das zwischen Kopf und Nacken saß. Der erste Festpreis, von Alpin selbst gewidmet, war das kostbare große Fell des er¬ legten Thiers. Man säumte nach Betrachtung des
wendet, das er ſich aus Kohlenſtaub zurecht gemacht; ein Kenner hätte den amerikaniſchen Biſon, nicht ſeinen lichtern europäiſchen Verwandten zu ſehen geglaubt. Aber mit entſchiedener Sicherheit des Blicks und der Hand war nicht nur die Geſtalt, ſondern mehr noch die Bewegung erfaßt. Man ſah das Thier in wildem Anſprung, den Kopf zum Stoße geſenkt; daß dieſer von vorn, der Körper aber von der Seite genommen war, darüber durfte man billig wegſehen; man kannte und forderte Verkürzungen dortzulande ſo wenig wie im alten Egypten und ſpäter in Byzanz; übrigens kam die Kühnheit daher, daß es das Abſehen des Künſtlers war, die Augen beide in ihrer ganzen Schrecklichkeit wiederzugeben. Mit dem röthſten Röthel, den er auftreiben konnte, hatte er die blutrünſtige Bindehaut, mit der ſchwärzeſten Miſchung von Kohlen¬ ſtaub und Kienruß die Augenſterne aufgetragen und in dieſes Schwarz je ein Stück des findbar reinſten Bergkryſtalls eingelaſſen. Mit Staunen und Grauen wurde das Meiſterwerk begrüßt, als es aufgeſtellt war. Die Senkung des Kopfes erlaubte auch, das Centrum der Scheibe an der Stelle anzubringen, auf welche Alpin den tödtlichen Stoß geführt hatte: es war ein rundgeſchnittenes Blatt von rothem Zeug, das zwiſchen Kopf und Nacken ſaß. Der erſte Feſtpreis, von Alpin ſelbſt gewidmet, war das koſtbare große Fell des er¬ legten Thiers. Man ſäumte nach Betrachtung des
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wendet, das er ſich aus Kohlenſtaub zurecht gemacht;
ein Kenner hätte den amerikaniſchen Biſon, nicht ſeinen
lichtern europäiſchen Verwandten zu ſehen geglaubt.
Aber mit entſchiedener Sicherheit des Blicks und der
Hand war nicht nur die Geſtalt, ſondern mehr noch
die Bewegung erfaßt. Man ſah das Thier in wildem
Anſprung, den Kopf zum Stoße geſenkt; daß dieſer
von vorn, der Körper aber von der Seite genommen
war, darüber durfte man billig wegſehen; man kannte
und forderte Verkürzungen dortzulande ſo wenig wie
im alten Egypten und ſpäter in Byzanz; übrigens
kam die Kühnheit daher, daß es das Abſehen des
Künſtlers war, die Augen beide in ihrer ganzen
Schrecklichkeit wiederzugeben. Mit dem röthſten Röthel,
den er auftreiben konnte, hatte er die blutrünſtige
Bindehaut, mit der ſchwärzeſten Miſchung von Kohlen¬
ſtaub und Kienruß die Augenſterne aufgetragen und
in dieſes Schwarz je ein Stück des findbar reinſten
Bergkryſtalls eingelaſſen. Mit Staunen und Grauen
wurde das Meiſterwerk begrüßt, als es aufgeſtellt war.
Die Senkung des Kopfes erlaubte auch, das Centrum
der Scheibe an der Stelle anzubringen, auf welche
Alpin den tödtlichen Stoß geführt hatte: es war ein
rundgeſchnittenes Blatt von rothem Zeug, das zwiſchen
Kopf und Nacken ſaß. Der erſte Feſtpreis, von Alpin
ſelbſt gewidmet, war das koſtbare große Fell des er¬
legten Thiers. Man ſäumte nach Betrachtung des
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/319>, abgerufen am 23.12.2024.
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