schüttelte wie in einem Anfall grimmigen Verdrusses den Köcher aus, schleuderte den Bogen von sich und rannte hinweg. Man wollte ihn zurückzerren, gab es aber bald auf, denn die Mannen wußten als richtige Schützen gar wohl, daß man's nicht verzwingen soll, wenn man nicht seinen Tag hat, und so war für Alpin gewonnen, was er brauchte: Zeit und Verborgen¬ heit. -- Billig enthalten wir uns, den Verlauf des Schützenfestes zu beschreiben; es genüge, zu berichten, daß den ersten Preis ein Schütze jener Gattung her¬ ausschoß, die wir jetzt Kommißschützen zu nennen lieben, ein Mann, der des Gewinnes wegen auf alle Schützen¬ feste lief und dessen handwerkmäßig sicheres Auge und Hand nie eine innere Aufwallung irrte. Den zweiten Preis, ein Trinkhorn, aus der mächtigen Stoßwaffe des seltenen Ur mit der saubersten Glättung hergestellt, gewann ein Normalhuster, welchem Niemand ein Glück gönnte, das ihm so wenig anstand. Die weiteren Ehrengaben bestanden in Pfeilen, Köchern, Speeren, Aexten, auch lebendes Gethier, Gänse, Hühner, ein Schwein, Kalb, Ziege standen in einer Hürde als Gewinnste bereit. Der Preise waren viele, denn Jung und Alt schoß mit; Schützen waren Alle vom sieben¬ zehnten Jahr an und zwar pflichtmäßig. Diese Ver¬ pflichtung war ein Stück der Religion und zwar, wie der Leser vielleicht mit uns findet, kein schlechtes.
Vom nahen Haine ließ während der Schießbe¬
ſchüttelte wie in einem Anfall grimmigen Verdruſſes den Köcher aus, ſchleuderte den Bogen von ſich und rannte hinweg. Man wollte ihn zurückzerren, gab es aber bald auf, denn die Mannen wußten als richtige Schützen gar wohl, daß man's nicht verzwingen ſoll, wenn man nicht ſeinen Tag hat, und ſo war für Alpin gewonnen, was er brauchte: Zeit und Verborgen¬ heit. — Billig enthalten wir uns, den Verlauf des Schützenfeſtes zu beſchreiben; es genüge, zu berichten, daß den erſten Preis ein Schütze jener Gattung her¬ ausſchoß, die wir jetzt Kommißſchützen zu nennen lieben, ein Mann, der des Gewinnes wegen auf alle Schützen¬ feſte lief und deſſen handwerkmäßig ſicheres Auge und Hand nie eine innere Aufwallung irrte. Den zweiten Preis, ein Trinkhorn, aus der mächtigen Stoßwaffe des ſeltenen Ur mit der ſauberſten Glättung hergeſtellt, gewann ein Normalhuſter, welchem Niemand ein Glück gönnte, das ihm ſo wenig anſtand. Die weiteren Ehrengaben beſtanden in Pfeilen, Köchern, Speeren, Aexten, auch lebendes Gethier, Gänſe, Hühner, ein Schwein, Kalb, Ziege ſtanden in einer Hürde als Gewinnſte bereit. Der Preiſe waren viele, denn Jung und Alt ſchoß mit; Schützen waren Alle vom ſieben¬ zehnten Jahr an und zwar pflichtmäßig. Dieſe Ver¬ pflichtung war ein Stück der Religion und zwar, wie der Leſer vielleicht mit uns findet, kein ſchlechtes.
Vom nahen Haine ließ während der Schießbe¬
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ſchüttelte wie in einem Anfall grimmigen Verdruſſes
den Köcher aus, ſchleuderte den Bogen von ſich und
rannte hinweg. Man wollte ihn zurückzerren, gab es
aber bald auf, denn die Mannen wußten als richtige
Schützen gar wohl, daß man's nicht verzwingen ſoll,
wenn man nicht ſeinen Tag hat, und ſo war für
Alpin gewonnen, was er brauchte: Zeit und Verborgen¬
heit. — Billig enthalten wir uns, den Verlauf des
Schützenfeſtes zu beſchreiben; es genüge, zu berichten,
daß den erſten Preis ein Schütze jener Gattung her¬
ausſchoß, die wir jetzt Kommißſchützen zu nennen lieben,
ein Mann, der des Gewinnes wegen auf alle Schützen¬
feſte lief und deſſen handwerkmäßig ſicheres Auge und
Hand nie eine innere Aufwallung irrte. Den zweiten
Preis, ein Trinkhorn, aus der mächtigen Stoßwaffe
des ſeltenen Ur mit der ſauberſten Glättung hergeſtellt,
gewann ein Normalhuſter, welchem Niemand ein Glück
gönnte, das ihm ſo wenig anſtand. Die weiteren
Ehrengaben beſtanden in Pfeilen, Köchern, Speeren,
Aexten, auch lebendes Gethier, Gänſe, Hühner, ein
Schwein, Kalb, Ziege ſtanden in einer Hürde als
Gewinnſte bereit. Der Preiſe waren viele, denn Jung
und Alt ſchoß mit; Schützen waren Alle vom ſieben¬
zehnten Jahr an und zwar pflichtmäßig. Dieſe Ver¬
pflichtung war ein Stück der Religion und zwar, wie
der Leſer vielleicht mit uns findet, kein ſchlechtes.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/321>, abgerufen am 23.12.2024.
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