lustigung ein Gesang heller Knabenstimmen, begleitet von Harfentönen und geführt von einer Mannsstimme, anfangs schüchtern, ungelenk und oft unterbrochen, dann melodischer und zusammenhängender sich vernehmen. Dort übte der Barde Kullur die Knaben des Dorfes zum Vorsingen seines Hymnus ein. Er war zwar, wie schon erwähnt, auf eine alte, heilige Melodie gesetzt, aber die Verbindung derselben mit einem neuen Texte wollte gelernt sein und zudem hatte der Dichter, vornämlich an den Schlüssen der Strophen, gewisse höchst stimmungsvolle neue Tonfiguren angefügt. Bei Festgesängen pflegte ein Knabenchor der Gemeinde vor¬ zusingen und dießmal war denn hiezu eine besonders gründliche Einschulung vonnöthen. Dem Sänger Kullur assistirte bei diesem Geschäfte der Gelehrte Kallar und Beide wußten die Knaben mit so viel Liebe und Humor zu behandeln, daß sie höchst willig und heiter sich leiten ließen. Gleichzeitig aber hörte man von einer ent¬ fernteren Stelle des Hains mannigfache und verworrene Laute von eigenthümlich sonderbarer Beschaffenheit, theils Vokal-, theils eine Instrumentalmusik, wie man sie niemals vernommen. Woher diese Töne kamen, wußte man: es war der Druide, der geheimnißvoll mit den ständigen Musikern des Dorfes und einigen jüngeren Dilettanten sich an einen entlegeneren Ort zurückgezogen hatte, um den andern Hymnus einzu¬ üben, den er gedichtet und neu komponirt hatte, aber
luſtigung ein Geſang heller Knabenſtimmen, begleitet von Harfentönen und geführt von einer Mannsſtimme, anfangs ſchüchtern, ungelenk und oft unterbrochen, dann melodiſcher und zuſammenhängender ſich vernehmen. Dort übte der Barde Kullur die Knaben des Dorfes zum Vorſingen ſeines Hymnus ein. Er war zwar, wie ſchon erwähnt, auf eine alte, heilige Melodie geſetzt, aber die Verbindung derſelben mit einem neuen Texte wollte gelernt ſein und zudem hatte der Dichter, vornämlich an den Schlüſſen der Strophen, gewiſſe höchſt ſtimmungsvolle neue Tonfiguren angefügt. Bei Feſtgeſängen pflegte ein Knabenchor der Gemeinde vor¬ zuſingen und dießmal war denn hiezu eine beſonders gründliche Einſchulung vonnöthen. Dem Sänger Kullur aſſiſtirte bei dieſem Geſchäfte der Gelehrte Kallar und Beide wußten die Knaben mit ſo viel Liebe und Humor zu behandeln, daß ſie höchſt willig und heiter ſich leiten ließen. Gleichzeitig aber hörte man von einer ent¬ fernteren Stelle des Hains mannigfache und verworrene Laute von eigenthümlich ſonderbarer Beſchaffenheit, theils Vokal-, theils eine Inſtrumentalmuſik, wie man ſie niemals vernommen. Woher dieſe Töne kamen, wußte man: es war der Druide, der geheimnißvoll mit den ſtändigen Muſikern des Dorfes und einigen jüngeren Dilettanten ſich an einen entlegeneren Ort zurückgezogen hatte, um den andern Hymnus einzu¬ üben, den er gedichtet und neu komponirt hatte, aber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0322"n="309"/>
luſtigung ein Geſang heller Knabenſtimmen, begleitet<lb/>
von Harfentönen und geführt von einer Mannsſtimme,<lb/>
anfangs ſchüchtern, ungelenk und oft unterbrochen, dann<lb/>
melodiſcher und zuſammenhängender ſich vernehmen.<lb/>
Dort übte der Barde Kullur die Knaben des Dorfes<lb/>
zum Vorſingen ſeines Hymnus ein. Er war zwar,<lb/>
wie ſchon erwähnt, auf eine alte, heilige Melodie<lb/>
geſetzt, aber die Verbindung derſelben mit einem neuen<lb/>
Texte wollte gelernt ſein und zudem hatte der Dichter,<lb/>
vornämlich an den Schlüſſen der Strophen, gewiſſe<lb/>
höchſt ſtimmungsvolle neue Tonfiguren angefügt. Bei<lb/>
Feſtgeſängen pflegte ein Knabenchor der Gemeinde vor¬<lb/>
zuſingen und dießmal war denn hiezu eine beſonders<lb/>
gründliche Einſchulung vonnöthen. Dem Sänger Kullur<lb/>
aſſiſtirte bei dieſem Geſchäfte der Gelehrte Kallar und<lb/>
Beide wußten die Knaben mit ſo viel Liebe und Humor<lb/>
zu behandeln, daß ſie höchſt willig und heiter ſich leiten<lb/>
ließen. Gleichzeitig aber hörte man von einer ent¬<lb/>
fernteren Stelle des Hains mannigfache und verworrene<lb/>
Laute von eigenthümlich ſonderbarer Beſchaffenheit,<lb/>
theils Vokal-, theils eine Inſtrumentalmuſik, wie man<lb/>ſie niemals vernommen. Woher dieſe Töne kamen,<lb/>
wußte man: es war der Druide, der geheimnißvoll<lb/>
mit den ſtändigen Muſikern des Dorfes und einigen<lb/>
jüngeren Dilettanten ſich an einen entlegeneren Ort<lb/>
zurückgezogen hatte, um den andern Hymnus einzu¬<lb/>
üben, den er gedichtet und neu komponirt hatte, aber<lb/></p></div></body></text></TEI>
[309/0322]
luſtigung ein Geſang heller Knabenſtimmen, begleitet
von Harfentönen und geführt von einer Mannsſtimme,
anfangs ſchüchtern, ungelenk und oft unterbrochen, dann
melodiſcher und zuſammenhängender ſich vernehmen.
Dort übte der Barde Kullur die Knaben des Dorfes
zum Vorſingen ſeines Hymnus ein. Er war zwar,
wie ſchon erwähnt, auf eine alte, heilige Melodie
geſetzt, aber die Verbindung derſelben mit einem neuen
Texte wollte gelernt ſein und zudem hatte der Dichter,
vornämlich an den Schlüſſen der Strophen, gewiſſe
höchſt ſtimmungsvolle neue Tonfiguren angefügt. Bei
Feſtgeſängen pflegte ein Knabenchor der Gemeinde vor¬
zuſingen und dießmal war denn hiezu eine beſonders
gründliche Einſchulung vonnöthen. Dem Sänger Kullur
aſſiſtirte bei dieſem Geſchäfte der Gelehrte Kallar und
Beide wußten die Knaben mit ſo viel Liebe und Humor
zu behandeln, daß ſie höchſt willig und heiter ſich leiten
ließen. Gleichzeitig aber hörte man von einer ent¬
fernteren Stelle des Hains mannigfache und verworrene
Laute von eigenthümlich ſonderbarer Beſchaffenheit,
theils Vokal-, theils eine Inſtrumentalmuſik, wie man
ſie niemals vernommen. Woher dieſe Töne kamen,
wußte man: es war der Druide, der geheimnißvoll
mit den ſtändigen Muſikern des Dorfes und einigen
jüngeren Dilettanten ſich an einen entlegeneren Ort
zurückgezogen hatte, um den andern Hymnus einzu¬
üben, den er gedichtet und neu komponirt hatte, aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/322>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.