indem er auf eine Stelle im tieferen Dunkel hinwies, wo das Scheinholz eines verwesten Eichenstumpfes schimmerte: "da ist auch Strahlenstirn Taliesin." Sie sah sich jetzt beruhigt, neugierig staunend um wie ein Kind in einer hübschen Puppenstube. Angus führte sie hierauf an einen mit starken Farrenkräutern und Busch¬ werk bewachsenen Platz; "da such'!" sagte er. Sie streifte die Stauden auseinander und fand einen großen Topf, auf's Haar gleich dem zertrümmerten Erbstück der Coridwen. Sie jubelte auf wie ein Kind, dem der Hase gelegt hat. -- Es wurde verabredet, wie es einzuleiten sei, daß die Wundergabe gleich heut Abend beim Fest figuriere. Aber Urhixidur's Freude war flüchtig, sie wurde auf einmal sehr traurig und begann zu weinen. "Was ist dir, Durli?" -- "Ich möcht' eben weissagen lernen, ich bin ja nie dazugekommen." -- "Noch kurze Geduld," sprach er, "bald ist Gelegen¬ heit: er soll hübsch zucken und ich werde dich kunst¬ gerecht informieren."
Sie flüsterten noch Einiges, was der Leser aus den folgenden Ereignissen so klar erkennen wird, daß es für jetzt Geheimniß bleiben mag. Die Unterredung durfte nicht lange dauern, der Priester brachte die ge¬ tröstete Alte zurück, bei der Fratzeneiche vorübergehend sagte sie: "Sollst bald wieder einmal begossen werden." Angus half ihr über den Graben zurück und sie schliech auf Umwegen bis zur Dorfbrücke.
indem er auf eine Stelle im tieferen Dunkel hinwies, wo das Scheinholz eines verwesten Eichenſtumpfes ſchimmerte: „da iſt auch Strahlenſtirn Talieſin.“ Sie ſah ſich jetzt beruhigt, neugierig ſtaunend um wie ein Kind in einer hübſchen Puppenſtube. Angus führte ſie hierauf an einen mit ſtarken Farrenkräutern und Buſch¬ werk bewachſenen Platz; „da ſuch'!“ ſagte er. Sie ſtreifte die Stauden auseinander und fand einen großen Topf, auf's Haar gleich dem zertrümmerten Erbſtück der Coridwen. Sie jubelte auf wie ein Kind, dem der Haſe gelegt hat. — Es wurde verabredet, wie es einzuleiten ſei, daß die Wundergabe gleich heut Abend beim Feſt figuriere. Aber Urhixidur's Freude war flüchtig, ſie wurde auf einmal ſehr traurig und begann zu weinen. „Was iſt dir, Durli?“ — „Ich möcht' eben weiſſagen lernen, ich bin ja nie dazugekommen.“ — „Noch kurze Geduld,“ ſprach er, „bald iſt Gelegen¬ heit: er ſoll hübſch zucken und ich werde dich kunſt¬ gerecht informieren.“
Sie flüſterten noch Einiges, was der Leſer aus den folgenden Ereigniſſen ſo klar erkennen wird, daß es für jetzt Geheimniß bleiben mag. Die Unterredung durfte nicht lange dauern, der Prieſter brachte die ge¬ tröſtete Alte zurück, bei der Fratzeneiche vorübergehend ſagte ſie: „Sollſt bald wieder einmal begoſſen werden.“ Angus half ihr über den Graben zurück und ſie ſchliech auf Umwegen bis zur Dorfbrücke.
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indem er auf eine Stelle im tieferen Dunkel hinwies,
wo das Scheinholz eines verwesten Eichenſtumpfes
ſchimmerte: „da iſt auch Strahlenſtirn Talieſin.“ Sie
ſah ſich jetzt beruhigt, neugierig ſtaunend um wie ein
Kind in einer hübſchen Puppenſtube. Angus führte ſie
hierauf an einen mit ſtarken Farrenkräutern und Buſch¬
werk bewachſenen Platz; „da ſuch'!“ ſagte er. Sie
ſtreifte die Stauden auseinander und fand einen großen
Topf, auf's Haar gleich dem zertrümmerten Erbſtück
der Coridwen. Sie jubelte auf wie ein Kind, dem
der Haſe gelegt hat. — Es wurde verabredet, wie es
einzuleiten ſei, daß die Wundergabe gleich heut Abend
beim Feſt figuriere. Aber Urhixidur's Freude war
flüchtig, ſie wurde auf einmal ſehr traurig und begann
zu weinen. „Was iſt dir, Durli?“ — „Ich möcht'
eben weiſſagen lernen, ich bin ja nie dazugekommen.“
— „Noch kurze Geduld,“ ſprach er, „bald iſt Gelegen¬
heit: er ſoll hübſch zucken und ich werde dich kunſt¬
gerecht informieren.“
Sie flüſterten noch Einiges, was der Leſer aus
den folgenden Ereigniſſen ſo klar erkennen wird, daß
es für jetzt Geheimniß bleiben mag. Die Unterredung
durfte nicht lange dauern, der Prieſter brachte die ge¬
tröſtete Alte zurück, bei der Fratzeneiche vorübergehend
ſagte ſie: „Sollſt bald wieder einmal begoſſen werden.“
Angus half ihr über den Graben zurück und ſie ſchliech
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/327>, abgerufen am 23.12.2024.
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