In diesem Augenblick führte die Mutter das ge¬ heilte Kind hervor.
"Tanze und springe, du beglücktes Wesen!" rief der Priester und das Mädchen umtanzte in rhythmischen Galoppsprüngen den Altar.
Er vollendete sein Gebet und jetzt führte Urhixidur das Lamm vor, es wurde am Altare festgebunden und fiel unter dem sicheren Hiebe des Schlächters. Das abfließende Blut wurde in dem Coridwentopf aufge¬ fangen. Als das Thier ausgezuckt hatte, öffnete er mit dem Nephritmeißel seinen Bauch, zog die Eingeweide her¬ aus, der Druide prüfte sie mit strengem Einblick, nickte dann mit froher Miene und besagte dadurch, daß das Opfer tadellos, glückverkündend und der Göttin will¬ kommen sei. "Nimm es gnädig hin," rief er, "dieß zarte, gesunde Lammesherz! In ihm sind dir geweihet alle frommen Herzen dieser Gemeinde!" Jetzt wurden die Eingeweide auf das Holz gelegt, das auf der Dolmenplatte gehäuft war, und das Feuer angezündet. Als es prasselte, hob der Schlächter den Topf auf und überreichte ihn feierlich dem Druiden. Langsam schritt dieser mit seiner heiligen Last hinweg, dem Haine zu und verschwand in dessen Dunkel. Lautloses Schweigen herrschte im Kreise. Alles Volk wußte, daß jetzt im Heiligsten des Waldes der Baum der Selinur mit dem Opferblute begossen wurde. Nach kurzer Zeit kam der Priester zurück, das Feuer brannte
In dieſem Augenblick führte die Mutter das ge¬ heilte Kind hervor.
„Tanze und ſpringe, du beglücktes Weſen!“ rief der Prieſter und das Mädchen umtanzte in rhythmiſchen Galoppſprüngen den Altar.
Er vollendete ſein Gebet und jetzt führte Urhixidur das Lamm vor, es wurde am Altare feſtgebunden und fiel unter dem ſicheren Hiebe des Schlächters. Das abfließende Blut wurde in dem Coridwentopf aufge¬ fangen. Als das Thier ausgezuckt hatte, öffnete er mit dem Nephritmeißel ſeinen Bauch, zog die Eingeweide her¬ aus, der Druide prüfte ſie mit ſtrengem Einblick, nickte dann mit froher Miene und beſagte dadurch, daß das Opfer tadellos, glückverkündend und der Göttin will¬ kommen ſei. „Nimm es gnädig hin,“ rief er, „dieß zarte, geſunde Lammesherz! In ihm ſind dir geweihet alle frommen Herzen dieſer Gemeinde!“ Jetzt wurden die Eingeweide auf das Holz gelegt, das auf der Dolmenplatte gehäuft war, und das Feuer angezündet. Als es praſſelte, hob der Schlächter den Topf auf und überreichte ihn feierlich dem Druiden. Langſam ſchritt dieſer mit ſeiner heiligen Laſt hinweg, dem Haine zu und verſchwand in deſſen Dunkel. Lautloſes Schweigen herrſchte im Kreiſe. Alles Volk wußte, daß jetzt im Heiligſten des Waldes der Baum der Selinur mit dem Opferblute begoſſen wurde. Nach kurzer Zeit kam der Prieſter zurück, das Feuer brannte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0337"n="324"/>
In dieſem Augenblick führte die Mutter das ge¬<lb/>
heilte Kind hervor.</p><lb/><p>„Tanze und ſpringe, du beglücktes Weſen!“ rief<lb/>
der Prieſter und das Mädchen umtanzte in rhythmiſchen<lb/>
Galoppſprüngen den Altar.</p><lb/><p>Er vollendete ſein Gebet und jetzt führte Urhixidur<lb/>
das Lamm vor, es wurde am Altare feſtgebunden und<lb/>
fiel unter dem ſicheren Hiebe des Schlächters. Das<lb/>
abfließende Blut wurde in dem Coridwentopf aufge¬<lb/>
fangen. Als das Thier ausgezuckt hatte, öffnete er mit<lb/>
dem Nephritmeißel ſeinen Bauch, zog die Eingeweide her¬<lb/>
aus, der Druide prüfte ſie mit ſtrengem Einblick, nickte<lb/>
dann mit froher Miene und beſagte dadurch, daß das<lb/>
Opfer tadellos, glückverkündend und der Göttin will¬<lb/>
kommen ſei. „Nimm es gnädig hin,“ rief er, „dieß<lb/>
zarte, geſunde Lammesherz! In ihm ſind dir geweihet<lb/>
alle frommen Herzen dieſer Gemeinde!“ Jetzt wurden<lb/>
die Eingeweide auf das Holz gelegt, das auf der<lb/>
Dolmenplatte gehäuft war, und das Feuer angezündet.<lb/>
Als es praſſelte, hob der Schlächter den Topf auf<lb/>
und überreichte ihn feierlich dem Druiden. Langſam<lb/>ſchritt dieſer mit ſeiner heiligen Laſt hinweg, dem<lb/>
Haine zu und verſchwand in deſſen Dunkel. Lautloſes<lb/>
Schweigen herrſchte im Kreiſe. Alles Volk wußte,<lb/>
daß jetzt im Heiligſten des Waldes der Baum der<lb/>
Selinur mit dem Opferblute begoſſen wurde. Nach<lb/>
kurzer Zeit kam der Prieſter zurück, das Feuer brannte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[324/0337]
In dieſem Augenblick führte die Mutter das ge¬
heilte Kind hervor.
„Tanze und ſpringe, du beglücktes Weſen!“ rief
der Prieſter und das Mädchen umtanzte in rhythmiſchen
Galoppſprüngen den Altar.
Er vollendete ſein Gebet und jetzt führte Urhixidur
das Lamm vor, es wurde am Altare feſtgebunden und
fiel unter dem ſicheren Hiebe des Schlächters. Das
abfließende Blut wurde in dem Coridwentopf aufge¬
fangen. Als das Thier ausgezuckt hatte, öffnete er mit
dem Nephritmeißel ſeinen Bauch, zog die Eingeweide her¬
aus, der Druide prüfte ſie mit ſtrengem Einblick, nickte
dann mit froher Miene und beſagte dadurch, daß das
Opfer tadellos, glückverkündend und der Göttin will¬
kommen ſei. „Nimm es gnädig hin,“ rief er, „dieß
zarte, geſunde Lammesherz! In ihm ſind dir geweihet
alle frommen Herzen dieſer Gemeinde!“ Jetzt wurden
die Eingeweide auf das Holz gelegt, das auf der
Dolmenplatte gehäuft war, und das Feuer angezündet.
Als es praſſelte, hob der Schlächter den Topf auf
und überreichte ihn feierlich dem Druiden. Langſam
ſchritt dieſer mit ſeiner heiligen Laſt hinweg, dem
Haine zu und verſchwand in deſſen Dunkel. Lautloſes
Schweigen herrſchte im Kreiſe. Alles Volk wußte,
daß jetzt im Heiligſten des Waldes der Baum der
Selinur mit dem Opferblute begoſſen wurde. Nach
kurzer Zeit kam der Prieſter zurück, das Feuer brannte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/337>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.