Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

hervorschlüpfend, hatten noch etwas Gehemmtes,
Stockendes, Aengstliches, dann wieder Heftiges; als
die "hustigen Niesungen" folgten, wurde mit kurzen
Paukenwirbeln, Knarrgeräuschen, punktuellem Pizzicato¬
spiele auf den Fideln, mit einzelnen Hornschmetterungen
noch einmal das nun fernab schwebende Uebel angedeutet,
aber bei den "Schließungen" begann nach einer Ruhe¬
pause ein himmlisch sanftes Adagio flötenartiger Moll¬
klänge, das für seine völlige Entwicklung sich an den
finalen Sylben-Ausklang: "Leiala, Fleiala, Fleia" wun¬
dermild anlehnte; jetzt wurden ja nicht nur die hellen
Vokale ei und a, sondern auch die weichen Konsonanten
L und F aus Buchstaben zu musikalischen Tönen und
offenbarten erst so den geheimnißtiefen Sinn ihrer
Wahl; innige, seligmüde Auflösung, das war das Grund¬
gefühl; die Mehrheit der Zuhörer, der Frauen insbe¬
sondere, ergossen sich in wehmüthig sanfte Thränen, ein
kurzer Paukenschlag -- und die Aufführung war geschlossen.

Langes Stillschweigen, dann ein gezogenes, tief¬
geholtes "Ah!" und hierauf brach ein Jubelsturm los
ohnegleichen, -- zwar nicht allseitig; einige Zuhörer
verharrten in Schweigen, andere brummten, etliche
wenige grunzten, aber diese Verstockten wurden über¬
flutet vom Stimmengewoge der jauchzenden Menge.
Man eilte auf den Schöpfer des Wunderwerks zu,
man umarmte ihn, man rief: "Ueberweltlich!" Aber er
erwehrte sich; als er zu Worte gekommen, sagte er

hervorſchlüpfend, hatten noch etwas Gehemmtes,
Stockendes, Aengſtliches, dann wieder Heftiges; als
die „huſtigen Nieſungen“ folgten, wurde mit kurzen
Paukenwirbeln, Knarrgeräuſchen, punktuellem Pizzicato¬
ſpiele auf den Fideln, mit einzelnen Hornſchmetterungen
noch einmal das nun fernab ſchwebende Uebel angedeutet,
aber bei den „Schließungen“ begann nach einer Ruhe¬
pauſe ein himmliſch ſanftes Adagio flötenartiger Moll¬
klänge, das für ſeine völlige Entwicklung ſich an den
finalen Sylben-Ausklang: „Leiala, Fleiala, Fleia“ wun¬
dermild anlehnte; jetzt wurden ja nicht nur die hellen
Vokale ei und a, ſondern auch die weichen Konſonanten
L und F aus Buchſtaben zu muſikaliſchen Tönen und
offenbarten erſt ſo den geheimnißtiefen Sinn ihrer
Wahl; innige, ſeligmüde Auflöſung, das war das Grund¬
gefühl; die Mehrheit der Zuhörer, der Frauen insbe¬
ſondere, ergoſſen ſich in wehmüthig ſanfte Thränen, ein
kurzer Paukenſchlag — und die Aufführung war geſchloſſen.

Langes Stillſchweigen, dann ein gezogenes, tief¬
geholtes „Ah!“ und hierauf brach ein Jubelſturm los
ohnegleichen, — zwar nicht allſeitig; einige Zuhörer
verharrten in Schweigen, andere brummten, etliche
wenige grunzten, aber dieſe Verſtockten wurden über¬
flutet vom Stimmengewoge der jauchzenden Menge.
Man eilte auf den Schöpfer des Wunderwerks zu,
man umarmte ihn, man rief: „Ueberweltlich!“ Aber er
erwehrte ſich; als er zu Worte gekommen, ſagte er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0348" n="335"/>
hervor&#x017F;chlüpfend, hatten noch etwas Gehemmtes,<lb/>
Stockendes, Aeng&#x017F;tliches, dann wieder Heftiges; als<lb/>
die &#x201E;hu&#x017F;tigen Nie&#x017F;ungen&#x201C; folgten, wurde mit kurzen<lb/>
Paukenwirbeln, Knarrgeräu&#x017F;chen, punktuellem Pizzicato¬<lb/>
&#x017F;piele auf den Fideln, mit einzelnen Horn&#x017F;chmetterungen<lb/>
noch einmal das nun fernab &#x017F;chwebende Uebel angedeutet,<lb/>
aber bei den &#x201E;Schließungen&#x201C; begann nach einer Ruhe¬<lb/>
pau&#x017F;e ein himmli&#x017F;ch &#x017F;anftes Adagio flötenartiger Moll¬<lb/>
klänge, das für &#x017F;eine völlige Entwicklung &#x017F;ich an den<lb/>
finalen Sylben-Ausklang: &#x201E;Leiala, Fleiala, Fleia&#x201C; wun¬<lb/>
dermild anlehnte; jetzt wurden ja nicht nur die hellen<lb/>
Vokale ei und a, &#x017F;ondern auch die weichen Kon&#x017F;onanten<lb/>
L und F aus Buch&#x017F;taben zu mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Tönen und<lb/>
offenbarten er&#x017F;t &#x017F;o den geheimnißtiefen Sinn ihrer<lb/>
Wahl; innige, &#x017F;eligmüde Auflö&#x017F;ung, das war das Grund¬<lb/>
gefühl; die Mehrheit der Zuhörer, der Frauen insbe¬<lb/>
&#x017F;ondere, ergo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich in wehmüthig &#x017F;anfte Thränen, ein<lb/>
kurzer Pauken&#x017F;chlag &#x2014; und die Aufführung war ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Langes Still&#x017F;chweigen, dann ein gezogenes, tief¬<lb/>
geholtes &#x201E;Ah!&#x201C; und hierauf brach ein Jubel&#x017F;turm los<lb/>
ohnegleichen, &#x2014; zwar nicht all&#x017F;eitig; einige Zuhörer<lb/>
verharrten in Schweigen, andere brummten, etliche<lb/>
wenige grunzten, aber die&#x017F;e Ver&#x017F;tockten wurden über¬<lb/>
flutet vom Stimmengewoge der jauchzenden Menge.<lb/>
Man eilte auf den Schöpfer des Wunderwerks zu,<lb/>
man umarmte ihn, man rief: &#x201E;Ueberweltlich!&#x201C; Aber er<lb/>
erwehrte &#x017F;ich; als er zu Worte gekommen, &#x017F;agte er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0348] hervorſchlüpfend, hatten noch etwas Gehemmtes, Stockendes, Aengſtliches, dann wieder Heftiges; als die „huſtigen Nieſungen“ folgten, wurde mit kurzen Paukenwirbeln, Knarrgeräuſchen, punktuellem Pizzicato¬ ſpiele auf den Fideln, mit einzelnen Hornſchmetterungen noch einmal das nun fernab ſchwebende Uebel angedeutet, aber bei den „Schließungen“ begann nach einer Ruhe¬ pauſe ein himmliſch ſanftes Adagio flötenartiger Moll¬ klänge, das für ſeine völlige Entwicklung ſich an den finalen Sylben-Ausklang: „Leiala, Fleiala, Fleia“ wun¬ dermild anlehnte; jetzt wurden ja nicht nur die hellen Vokale ei und a, ſondern auch die weichen Konſonanten L und F aus Buchſtaben zu muſikaliſchen Tönen und offenbarten erſt ſo den geheimnißtiefen Sinn ihrer Wahl; innige, ſeligmüde Auflöſung, das war das Grund¬ gefühl; die Mehrheit der Zuhörer, der Frauen insbe¬ ſondere, ergoſſen ſich in wehmüthig ſanfte Thränen, ein kurzer Paukenſchlag — und die Aufführung war geſchloſſen. Langes Stillſchweigen, dann ein gezogenes, tief¬ geholtes „Ah!“ und hierauf brach ein Jubelſturm los ohnegleichen, — zwar nicht allſeitig; einige Zuhörer verharrten in Schweigen, andere brummten, etliche wenige grunzten, aber dieſe Verſtockten wurden über¬ flutet vom Stimmengewoge der jauchzenden Menge. Man eilte auf den Schöpfer des Wunderwerks zu, man umarmte ihn, man rief: „Ueberweltlich!“ Aber er erwehrte ſich; als er zu Worte gekommen, ſagte er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/348
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/348>, abgerufen am 23.12.2024.