hervorschlüpfend, hatten noch etwas Gehemmtes, Stockendes, Aengstliches, dann wieder Heftiges; als die "hustigen Niesungen" folgten, wurde mit kurzen Paukenwirbeln, Knarrgeräuschen, punktuellem Pizzicato¬ spiele auf den Fideln, mit einzelnen Hornschmetterungen noch einmal das nun fernab schwebende Uebel angedeutet, aber bei den "Schließungen" begann nach einer Ruhe¬ pause ein himmlisch sanftes Adagio flötenartiger Moll¬ klänge, das für seine völlige Entwicklung sich an den finalen Sylben-Ausklang: "Leiala, Fleiala, Fleia" wun¬ dermild anlehnte; jetzt wurden ja nicht nur die hellen Vokale ei und a, sondern auch die weichen Konsonanten L und F aus Buchstaben zu musikalischen Tönen und offenbarten erst so den geheimnißtiefen Sinn ihrer Wahl; innige, seligmüde Auflösung, das war das Grund¬ gefühl; die Mehrheit der Zuhörer, der Frauen insbe¬ sondere, ergossen sich in wehmüthig sanfte Thränen, ein kurzer Paukenschlag -- und die Aufführung war geschlossen.
Langes Stillschweigen, dann ein gezogenes, tief¬ geholtes "Ah!" und hierauf brach ein Jubelsturm los ohnegleichen, -- zwar nicht allseitig; einige Zuhörer verharrten in Schweigen, andere brummten, etliche wenige grunzten, aber diese Verstockten wurden über¬ flutet vom Stimmengewoge der jauchzenden Menge. Man eilte auf den Schöpfer des Wunderwerks zu, man umarmte ihn, man rief: "Ueberweltlich!" Aber er erwehrte sich; als er zu Worte gekommen, sagte er
hervorſchlüpfend, hatten noch etwas Gehemmtes, Stockendes, Aengſtliches, dann wieder Heftiges; als die „huſtigen Nieſungen“ folgten, wurde mit kurzen Paukenwirbeln, Knarrgeräuſchen, punktuellem Pizzicato¬ ſpiele auf den Fideln, mit einzelnen Hornſchmetterungen noch einmal das nun fernab ſchwebende Uebel angedeutet, aber bei den „Schließungen“ begann nach einer Ruhe¬ pauſe ein himmliſch ſanftes Adagio flötenartiger Moll¬ klänge, das für ſeine völlige Entwicklung ſich an den finalen Sylben-Ausklang: „Leiala, Fleiala, Fleia“ wun¬ dermild anlehnte; jetzt wurden ja nicht nur die hellen Vokale ei und a, ſondern auch die weichen Konſonanten L und F aus Buchſtaben zu muſikaliſchen Tönen und offenbarten erſt ſo den geheimnißtiefen Sinn ihrer Wahl; innige, ſeligmüde Auflöſung, das war das Grund¬ gefühl; die Mehrheit der Zuhörer, der Frauen insbe¬ ſondere, ergoſſen ſich in wehmüthig ſanfte Thränen, ein kurzer Paukenſchlag — und die Aufführung war geſchloſſen.
Langes Stillſchweigen, dann ein gezogenes, tief¬ geholtes „Ah!“ und hierauf brach ein Jubelſturm los ohnegleichen, — zwar nicht allſeitig; einige Zuhörer verharrten in Schweigen, andere brummten, etliche wenige grunzten, aber dieſe Verſtockten wurden über¬ flutet vom Stimmengewoge der jauchzenden Menge. Man eilte auf den Schöpfer des Wunderwerks zu, man umarmte ihn, man rief: „Ueberweltlich!“ Aber er erwehrte ſich; als er zu Worte gekommen, ſagte er
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hervorſchlüpfend, hatten noch etwas Gehemmtes,
Stockendes, Aengſtliches, dann wieder Heftiges; als
die „huſtigen Nieſungen“ folgten, wurde mit kurzen
Paukenwirbeln, Knarrgeräuſchen, punktuellem Pizzicato¬
ſpiele auf den Fideln, mit einzelnen Hornſchmetterungen
noch einmal das nun fernab ſchwebende Uebel angedeutet,
aber bei den „Schließungen“ begann nach einer Ruhe¬
pauſe ein himmliſch ſanftes Adagio flötenartiger Moll¬
klänge, das für ſeine völlige Entwicklung ſich an den
finalen Sylben-Ausklang: „Leiala, Fleiala, Fleia“ wun¬
dermild anlehnte; jetzt wurden ja nicht nur die hellen
Vokale ei und a, ſondern auch die weichen Konſonanten
L und F aus Buchſtaben zu muſikaliſchen Tönen und
offenbarten erſt ſo den geheimnißtiefen Sinn ihrer
Wahl; innige, ſeligmüde Auflöſung, das war das Grund¬
gefühl; die Mehrheit der Zuhörer, der Frauen insbe¬
ſondere, ergoſſen ſich in wehmüthig ſanfte Thränen, ein
kurzer Paukenſchlag — und die Aufführung war geſchloſſen.
Langes Stillſchweigen, dann ein gezogenes, tief¬
geholtes „Ah!“ und hierauf brach ein Jubelſturm los
ohnegleichen, — zwar nicht allſeitig; einige Zuhörer
verharrten in Schweigen, andere brummten, etliche
wenige grunzten, aber dieſe Verſtockten wurden über¬
flutet vom Stimmengewoge der jauchzenden Menge.
Man eilte auf den Schöpfer des Wunderwerks zu,
man umarmte ihn, man rief: „Ueberweltlich!“ Aber er
erwehrte ſich; als er zu Worte gekommen, ſagte er
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/348>, abgerufen am 23.12.2024.
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