u. ff.) nun das U in seine tiefsinnige Rolle eintrat. Schauriger und schauriger wuchsen diese Töne, jetzt mischten sich in anschwellenden Wirbeln wieder die Trommeln ein, dann furchtbar knarrend und schnarrend die Rätsche, nach und nach alle Instrumente und end¬ lich schien der Höllenschlund selbst -- "besinnungraubend, herzbethörend, des Hörers Mark verzehrend" -- alle seine Schrecken, seine Dämonen, seine Furien auszu¬ speien. Der Barritus, das Kriegsgeheul der Cimbern und Teutonen, vor dem die Legionen des Marius bebten, war ein Spaß dagegen. Ein langer, centner¬ schwer ahnungsvoller Stierhornton ließ als Finale alle Welt der Todesbangigkeit, die in diesen musikalischen Schrecknissen zum Durchbruch gekommen, zukunftdrohend in's Unendliche hinüberdröhnen.
Als die Zuhörer nach und nach zu sich kamen, war es, als ob man auf ein Schlachtfeld sähe. Die Sänger und Musiker lagen halb ohnmächtig am Boden, der Rätscher wirbelte taumelnd im Kreis, der Gaisbub wälzte sich, mit Todesschweiß bedeckt, in epilep¬ tischen Krämpfen, der Arme hatte sich des Guten zu viel zugemuthet. In ähnlichem Zustand befanden sich die Hörer und noch mehr die Hörerinnen. Nur ganz wenige unter den Männern waren ruhig geblieben und schienen einfach zu denken, was denn eigentlich das nun sei, was sie gehört hatten. Weit die Mehrzahl war außer sich. Von den Weibern lag ein Theil
u. ff.) nun das U in ſeine tiefſinnige Rolle eintrat. Schauriger und ſchauriger wuchſen dieſe Töne, jetzt miſchten ſich in anſchwellenden Wirbeln wieder die Trommeln ein, dann furchtbar knarrend und ſchnarrend die Rätſche, nach und nach alle Inſtrumente und end¬ lich ſchien der Höllenſchlund ſelbſt — „beſinnungraubend, herzbethörend, des Hörers Mark verzehrend“ — alle ſeine Schrecken, ſeine Dämonen, ſeine Furien auszu¬ ſpeien. Der Barritus, das Kriegsgeheul der Cimbern und Teutonen, vor dem die Legionen des Marius bebten, war ein Spaß dagegen. Ein langer, centner¬ ſchwer ahnungsvoller Stierhornton ließ als Finale alle Welt der Todesbangigkeit, die in dieſen muſikaliſchen Schreckniſſen zum Durchbruch gekommen, zukunftdrohend in's Unendliche hinüberdröhnen.
Als die Zuhörer nach und nach zu ſich kamen, war es, als ob man auf ein Schlachtfeld ſähe. Die Sänger und Muſiker lagen halb ohnmächtig am Boden, der Rätſcher wirbelte taumelnd im Kreis, der Gaisbub wälzte ſich, mit Todesſchweiß bedeckt, in epilep¬ tiſchen Krämpfen, der Arme hatte ſich des Guten zu viel zugemuthet. In ähnlichem Zuſtand befanden ſich die Hörer und noch mehr die Hörerinnen. Nur ganz wenige unter den Männern waren ruhig geblieben und ſchienen einfach zu denken, was denn eigentlich das nun ſei, was ſie gehört hatten. Weit die Mehrzahl war außer ſich. Von den Weibern lag ein Theil
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0354"n="341"/>
u. ff.) nun das U in ſeine tiefſinnige Rolle eintrat.<lb/>
Schauriger und ſchauriger wuchſen dieſe Töne, jetzt<lb/>
miſchten ſich in anſchwellenden Wirbeln wieder die<lb/>
Trommeln ein, dann furchtbar knarrend und ſchnarrend<lb/>
die Rätſche, nach und nach alle Inſtrumente und end¬<lb/>
lich ſchien der Höllenſchlund ſelbſt —„beſinnungraubend,<lb/>
herzbethörend, des Hörers Mark verzehrend“— alle<lb/>ſeine Schrecken, ſeine Dämonen, ſeine Furien auszu¬<lb/>ſpeien. Der Barritus, das Kriegsgeheul der Cimbern<lb/>
und Teutonen, vor dem die Legionen des Marius<lb/>
bebten, war ein Spaß dagegen. Ein langer, centner¬<lb/>ſchwer ahnungsvoller Stierhornton ließ als Finale alle<lb/>
Welt der Todesbangigkeit, die in dieſen muſikaliſchen<lb/>
Schreckniſſen zum Durchbruch gekommen, zukunftdrohend<lb/>
in's Unendliche hinüberdröhnen.</p><lb/><p>Als die Zuhörer nach und nach zu ſich kamen,<lb/>
war es, als ob man auf ein Schlachtfeld ſähe. Die<lb/>
Sänger und Muſiker lagen halb ohnmächtig am<lb/>
Boden, der Rätſcher wirbelte taumelnd im Kreis, der<lb/>
Gaisbub wälzte ſich, mit Todesſchweiß bedeckt, in epilep¬<lb/>
tiſchen Krämpfen, der Arme hatte ſich des Guten zu<lb/>
viel zugemuthet. In ähnlichem Zuſtand befanden ſich<lb/>
die Hörer und noch mehr die Hörerinnen. Nur ganz<lb/>
wenige unter den Männern waren ruhig geblieben und<lb/>ſchienen einfach zu denken, was denn eigentlich das<lb/>
nun ſei, was ſie gehört hatten. Weit die Mehrzahl<lb/>
war außer ſich. Von den Weibern lag ein Theil<lb/></p></div></body></text></TEI>
[341/0354]
u. ff.) nun das U in ſeine tiefſinnige Rolle eintrat.
Schauriger und ſchauriger wuchſen dieſe Töne, jetzt
miſchten ſich in anſchwellenden Wirbeln wieder die
Trommeln ein, dann furchtbar knarrend und ſchnarrend
die Rätſche, nach und nach alle Inſtrumente und end¬
lich ſchien der Höllenſchlund ſelbſt — „beſinnungraubend,
herzbethörend, des Hörers Mark verzehrend“ — alle
ſeine Schrecken, ſeine Dämonen, ſeine Furien auszu¬
ſpeien. Der Barritus, das Kriegsgeheul der Cimbern
und Teutonen, vor dem die Legionen des Marius
bebten, war ein Spaß dagegen. Ein langer, centner¬
ſchwer ahnungsvoller Stierhornton ließ als Finale alle
Welt der Todesbangigkeit, die in dieſen muſikaliſchen
Schreckniſſen zum Durchbruch gekommen, zukunftdrohend
in's Unendliche hinüberdröhnen.
Als die Zuhörer nach und nach zu ſich kamen,
war es, als ob man auf ein Schlachtfeld ſähe. Die
Sänger und Muſiker lagen halb ohnmächtig am
Boden, der Rätſcher wirbelte taumelnd im Kreis, der
Gaisbub wälzte ſich, mit Todesſchweiß bedeckt, in epilep¬
tiſchen Krämpfen, der Arme hatte ſich des Guten zu
viel zugemuthet. In ähnlichem Zuſtand befanden ſich
die Hörer und noch mehr die Hörerinnen. Nur ganz
wenige unter den Männern waren ruhig geblieben und
ſchienen einfach zu denken, was denn eigentlich das
nun ſei, was ſie gehört hatten. Weit die Mehrzahl
war außer ſich. Von den Weibern lag ein Theil
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/354>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.