ermuthigt, wieder auf der Bühne und es erfolgte ein rasendes Zausen zwischen dem Drachen und der ganzen Gesellschaft, dem jedoch gewisse Töne ein so plötzliches Ende setzten, wie vorhin die Erscheinung des Drachen dem Rundtanz. Die Töne waren nicht stark, es war ein feines, hochstimmiges Wimmern; man erkannte den klagenden, weichen Laut des Kibitzes. Ein paar er¬ legte Exemplare der Gattung wurden über die Bühne so geworfen, daß sie fliegend scheinen konnten; das Wimmern wußte ein Meister im Nachahmen aller Vogelstimmen, wie Hopp-Hoppodur, hinter der Szene täuschend genug hervorzubringen. Jetzt aber läßt sich ein Ton ganz anderer Art vernehmen, ein Ton, der schwer zu beschreiben ist. War es ein Heulen, ein Schnarren, Bellen, ein Brüllen? Gewiß war nur, daß der Ton eine Stärke hatte, als käme er aus dem Hals eines großen Vierfüßlers. Die Laute waren, in Sylben dargestellt: "Hu! Hu! Brum!" Dann folgte zuerst "Brum" und die "Hu, hu" wurden jetzt zum aus- und nachtönenden Schlußklang. Das waren denn die Töne, welche den Titel des Tanzspiels bildeten, wo sie nur zugleich nebenher dem Brummen des Bären galten. Die Thiere standen wie versteinert, der Drache saß auf¬ recht auf der Wurzel seines nothdürftig wieder befestigten Schwanzes, der vordere Insaße hatte sich auf die Schultern des hinteren gesetzt, des letzteren Beine trugen und hielten mühsam das Ganze und der Schwanz
ermuthigt, wieder auf der Bühne und es erfolgte ein raſendes Zauſen zwiſchen dem Drachen und der ganzen Geſellſchaft, dem jedoch gewiſſe Töne ein ſo plötzliches Ende ſetzten, wie vorhin die Erſcheinung des Drachen dem Rundtanz. Die Töne waren nicht ſtark, es war ein feines, hochſtimmiges Wimmern; man erkannte den klagenden, weichen Laut des Kibitzes. Ein paar er¬ legte Exemplare der Gattung wurden über die Bühne ſo geworfen, daß ſie fliegend ſcheinen konnten; das Wimmern wußte ein Meiſter im Nachahmen aller Vogelſtimmen, wie Hopp-Hoppodur, hinter der Szene täuſchend genug hervorzubringen. Jetzt aber läßt ſich ein Ton ganz anderer Art vernehmen, ein Ton, der ſchwer zu beſchreiben iſt. War es ein Heulen, ein Schnarren, Bellen, ein Brüllen? Gewiß war nur, daß der Ton eine Stärke hatte, als käme er aus dem Hals eines großen Vierfüßlers. Die Laute waren, in Sylben dargeſtellt: „Hu! Hu! Brum!“ Dann folgte zuerſt „Brum“ und die „Hu, hu“ wurden jetzt zum aus- und nachtönenden Schlußklang. Das waren denn die Töne, welche den Titel des Tanzſpiels bildeten, wo ſie nur zugleich nebenher dem Brummen des Bären galten. Die Thiere ſtanden wie verſteinert, der Drache ſaß auf¬ recht auf der Wurzel ſeines nothdürftig wieder befeſtigten Schwanzes, der vordere Inſaße hatte ſich auf die Schultern des hinteren geſetzt, des letzteren Beine trugen und hielten mühſam das Ganze und der Schwanz
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ermuthigt, wieder auf der Bühne und es erfolgte ein
raſendes Zauſen zwiſchen dem Drachen und der ganzen
Geſellſchaft, dem jedoch gewiſſe Töne ein ſo plötzliches
Ende ſetzten, wie vorhin die Erſcheinung des Drachen
dem Rundtanz. Die Töne waren nicht ſtark, es war
ein feines, hochſtimmiges Wimmern; man erkannte den
klagenden, weichen Laut des Kibitzes. Ein paar er¬
legte Exemplare der Gattung wurden über die Bühne
ſo geworfen, daß ſie fliegend ſcheinen konnten; das
Wimmern wußte ein Meiſter im Nachahmen aller
Vogelſtimmen, wie Hopp-Hoppodur, hinter der Szene
täuſchend genug hervorzubringen. Jetzt aber läßt ſich
ein Ton ganz anderer Art vernehmen, ein Ton, der
ſchwer zu beſchreiben iſt. War es ein Heulen, ein
Schnarren, Bellen, ein Brüllen? Gewiß war nur,
daß der Ton eine Stärke hatte, als käme er aus dem
Hals eines großen Vierfüßlers. Die Laute waren, in
Sylben dargeſtellt: „Hu! Hu! Brum!“ Dann folgte
zuerſt „Brum“ und die „Hu, hu“ wurden jetzt zum aus-
und nachtönenden Schlußklang. Das waren denn die
Töne, welche den Titel des Tanzſpiels bildeten, wo ſie
nur zugleich nebenher dem Brummen des Bären galten.
Die Thiere ſtanden wie verſteinert, der Drache ſaß auf¬
recht auf der Wurzel ſeines nothdürftig wieder befeſtigten
Schwanzes, der vordere Inſaße hatte ſich auf die
Schultern des hinteren geſetzt, des letzteren Beine trugen
und hielten mühſam das Ganze und der Schwanz
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/364>, abgerufen am 23.12.2024.
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