Ad III, 3, e, a. Der Leser hat wohl längst die Frage auf den Lippen, wo denn das Zahmgeflügel bleibe? Hier, bei diesem Gipfel der Küchenkunst, bei der Pastete, hat er die Antwort. Im Bauche dieses Prachtgebäudes befanden sich butterweich gebettet die Mäglein, Leberlein, Herzlein von Hühnern, Enten, Gänsen, nicht minder Flügel, Schlegel, Pfaffen¬ schnitze, und zwar vereinigt mit "Milken" (was wir jetzt Brieschen nennen, die drüsenartigen Knollen am Halse des Kalbs) und mit Mausschlegeln. Mausbraten wird jetzt infolge thörichten Vorurtheils vernachlässigt. Warum sollte eine Maus unappetitlicher sein als eine Ente, eine Sau? Mausfleisch, insbesondere Schlegelstück, verbindet in feiner Einheit Wild¬ fleischgeschmack mit dem zarten Geschmacke des Nußkerns. Etwas salzig Prickelndes enthält dagegen der Eidechsenschwanz, man möchte sagen, er bewirke ein gewisses wuseliges Gefühl auf der Zunge. -- Zu b: "Form", nämlich zu der plastischen Gruppe, welche den Deckel des reichen und wohlgefälligen Ganzen bildete, haben wir nur die Eine Bemerkung, und auch diese nur für Kenner der Kunstgeschichte: Die Styl¬ gebung des Künstlers stand auf einer Stufe ganz parallel mit dem Style der Metopen von Selinunt.
Der Name des Künstlers darf so wenig im Dunkel bleiben, als der des Kochs und des Knochenspalters. Er hieß Schababerle und nannte sich Hofzuckerbäcker. Es gab freilich in Robanus keinen Hof, aber der Mann schuf und bildete an festlichen Tagen für die Tafel des Druiden und dieser ließ es gerne zu, daß er sich darum den Titel beilegte. Es ist nachzubringen, daß auch Sidutop auf denselben Grund hin ähnlich verfuhr; er nannte sich Hofkoch oder Hochwürd¬ licher Koch; den Knochenspalter Binuschnidur nicht zu vergessen: er betitelte sich gern Hofknochspalter oder Seiner Hochwürden Leibschlitzer.
Ad III, 3, e, α. Der Leſer hat wohl längſt die Frage auf den Lippen, wo denn das Zahmgeflügel bleibe? Hier, bei dieſem Gipfel der Küchenkunſt, bei der Paſtete, hat er die Antwort. Im Bauche dieſes Prachtgebäudes befanden ſich butterweich gebettet die Mäglein, Leberlein, Herzlein von Hühnern, Enten, Gänſen, nicht minder Flügel, Schlegel, Pfaffen¬ ſchnitze, und zwar vereinigt mit „Milken“ (was wir jetzt Brieschen nennen, die drüſenartigen Knollen am Halſe des Kalbs) und mit Mausſchlegeln. Mausbraten wird jetzt infolge thörichten Vorurtheils vernachläſſigt. Warum ſollte eine Maus unappetitlicher ſein als eine Ente, eine Sau? Mausfleiſch, insbeſondere Schlegelſtück, verbindet in feiner Einheit Wild¬ fleiſchgeſchmack mit dem zarten Geſchmacke des Nußkerns. Etwas ſalzig Prickelndes enthält dagegen der Eidechſenſchwanz, man möchte ſagen, er bewirke ein gewiſſes wuſeliges Gefühl auf der Zunge. — Zu β: „Form“, nämlich zu der plaſtiſchen Gruppe, welche den Deckel des reichen und wohlgefälligen Ganzen bildete, haben wir nur die Eine Bemerkung, und auch dieſe nur für Kenner der Kunſtgeſchichte: Die Styl¬ gebung des Künſtlers ſtand auf einer Stufe ganz parallel mit dem Style der Metopen von Selinunt.
Der Name des Künſtlers darf ſo wenig im Dunkel bleiben, als der des Kochs und des Knochenſpalters. Er hieß Schababerle und nannte ſich Hofzuckerbäcker. Es gab freilich in Robanus keinen Hof, aber der Mann ſchuf und bildete an feſtlichen Tagen für die Tafel des Druiden und dieſer ließ es gerne zu, daß er ſich darum den Titel beilegte. Es iſt nachzubringen, daß auch Sidutop auf denſelben Grund hin ähnlich verfuhr; er nannte ſich Hofkoch oder Hochwürd¬ licher Koch; den Knochenſpalter Binuſchnidur nicht zu vergeſſen: er betitelte ſich gern Hofknochſpalter oder Seiner Hochwürden Leibſchlitzer.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0380"n="365"/><p><hirendition="#aq">Ad III</hi>, 3, <hirendition="#aq">e</hi>, <hirendition="#i">α</hi>. Der Leſer hat wohl längſt die Frage<lb/>
auf den Lippen, wo denn das Zahmgeflügel bleibe? Hier,<lb/>
bei dieſem Gipfel der Küchenkunſt, bei der Paſtete, hat er<lb/>
die Antwort. Im Bauche dieſes Prachtgebäudes befanden<lb/>ſich butterweich gebettet die Mäglein, Leberlein, Herzlein von<lb/>
Hühnern, Enten, Gänſen, nicht minder Flügel, Schlegel, Pfaffen¬<lb/>ſchnitze, und zwar vereinigt mit „Milken“ (was wir jetzt<lb/>
Brieschen nennen, die drüſenartigen Knollen am Halſe des<lb/>
Kalbs) und mit Mausſchlegeln. Mausbraten wird jetzt infolge<lb/>
thörichten Vorurtheils vernachläſſigt. Warum ſollte eine Maus<lb/>
unappetitlicher ſein als eine Ente, eine Sau? Mausfleiſch,<lb/>
insbeſondere Schlegelſtück, verbindet in feiner Einheit Wild¬<lb/>
fleiſchgeſchmack mit dem zarten Geſchmacke des Nußkerns.<lb/>
Etwas ſalzig Prickelndes enthält dagegen der Eidechſenſchwanz,<lb/>
man möchte ſagen, er bewirke ein gewiſſes wuſeliges Gefühl<lb/>
auf der Zunge. — Zu <hirendition="#i">β:</hi>„Form“, nämlich zu der plaſtiſchen<lb/>
Gruppe, welche den Deckel des reichen und wohlgefälligen<lb/>
Ganzen bildete, haben wir nur die Eine Bemerkung, und<lb/>
auch dieſe nur für Kenner der Kunſtgeſchichte: Die Styl¬<lb/>
gebung des Künſtlers ſtand auf einer Stufe ganz parallel<lb/>
mit dem Style der Metopen von Selinunt.</p><lb/><p>Der Name des Künſtlers darf ſo wenig im Dunkel<lb/>
bleiben, als der des Kochs und des Knochenſpalters. Er<lb/>
hieß Schababerle und nannte ſich Hofzuckerbäcker. Es gab<lb/>
freilich in Robanus keinen Hof, aber der Mann ſchuf und<lb/>
bildete an feſtlichen Tagen für die Tafel des Druiden und<lb/>
dieſer ließ es gerne zu, daß er ſich darum den Titel beilegte.<lb/>
Es iſt nachzubringen, daß auch Sidutop auf denſelben Grund<lb/>
hin ähnlich verfuhr; er nannte ſich Hofkoch oder Hochwürd¬<lb/>
licher Koch; den Knochenſpalter Binuſchnidur nicht zu vergeſſen:<lb/>
er betitelte ſich gern Hofknochſpalter oder Seiner Hochwürden<lb/>
Leibſchlitzer.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[365/0380]
Ad III, 3, e, α. Der Leſer hat wohl längſt die Frage
auf den Lippen, wo denn das Zahmgeflügel bleibe? Hier,
bei dieſem Gipfel der Küchenkunſt, bei der Paſtete, hat er
die Antwort. Im Bauche dieſes Prachtgebäudes befanden
ſich butterweich gebettet die Mäglein, Leberlein, Herzlein von
Hühnern, Enten, Gänſen, nicht minder Flügel, Schlegel, Pfaffen¬
ſchnitze, und zwar vereinigt mit „Milken“ (was wir jetzt
Brieschen nennen, die drüſenartigen Knollen am Halſe des
Kalbs) und mit Mausſchlegeln. Mausbraten wird jetzt infolge
thörichten Vorurtheils vernachläſſigt. Warum ſollte eine Maus
unappetitlicher ſein als eine Ente, eine Sau? Mausfleiſch,
insbeſondere Schlegelſtück, verbindet in feiner Einheit Wild¬
fleiſchgeſchmack mit dem zarten Geſchmacke des Nußkerns.
Etwas ſalzig Prickelndes enthält dagegen der Eidechſenſchwanz,
man möchte ſagen, er bewirke ein gewiſſes wuſeliges Gefühl
auf der Zunge. — Zu β: „Form“, nämlich zu der plaſtiſchen
Gruppe, welche den Deckel des reichen und wohlgefälligen
Ganzen bildete, haben wir nur die Eine Bemerkung, und
auch dieſe nur für Kenner der Kunſtgeſchichte: Die Styl¬
gebung des Künſtlers ſtand auf einer Stufe ganz parallel
mit dem Style der Metopen von Selinunt.
Der Name des Künſtlers darf ſo wenig im Dunkel
bleiben, als der des Kochs und des Knochenſpalters. Er
hieß Schababerle und nannte ſich Hofzuckerbäcker. Es gab
freilich in Robanus keinen Hof, aber der Mann ſchuf und
bildete an feſtlichen Tagen für die Tafel des Druiden und
dieſer ließ es gerne zu, daß er ſich darum den Titel beilegte.
Es iſt nachzubringen, daß auch Sidutop auf denſelben Grund
hin ähnlich verfuhr; er nannte ſich Hofkoch oder Hochwürd¬
licher Koch; den Knochenſpalter Binuſchnidur nicht zu vergeſſen:
er betitelte ſich gern Hofknochſpalter oder Seiner Hochwürden
Leibſchlitzer.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/380>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.