Zur bestimmten Zeit erschien pünktlich der Druide mit den Gemeindeältesten und den Singknaben. Er lud die Gemeinde feierlich ein, seinen Hymnus nun vollstimmig als Tischgebet zu singen, -- nur das erste der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen die Vorsänger genügten. Die Musiker waren schlecht¬ weg zu sehr erschöpft, das zweite und dritte Glied vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬ möglich, diese kunstreichen Gefüge mit ganzer Gemeinde zu singen. Alles Volk hatte sich die alte Weise schnell wieder im Gedächtniß aufgefrischt und mit wenig An¬ stoß wurde das ebenso verständige als fromme Fest¬ lied abgesungen. Gern setzte man sich jetzt und hob zum leckeren Mahle die Hände.
Wir überlassen nun die thatlustige Gesellschaft im Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genusse dieser Herr¬ lichkeiten. Es ist lustig, im grünen Haine umstrahlt von feenhaftem Lichte zu speisen, und unsere Pfahl¬ männer bedrängte es wenig, daß die drei langen Tafeln eigentlich keine Tafeln, sondern aus querge¬ legten Prügeln nicht allzu eben hergestellte Flächen waren; lagen doch Bastdecken darüber gebreitet, welche das so ziemlich ausgliechen und den Schüsseln einige Standfestigkeit gönnten. Nur die Männer sehen wir vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hause bleiben; ihnen wurden je nach einem Gang des Festschmauses die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus sich
Zur beſtimmten Zeit erſchien pünktlich der Druide mit den Gemeindeälteſten und den Singknaben. Er lud die Gemeinde feierlich ein, ſeinen Hymnus nun vollſtimmig als Tiſchgebet zu ſingen, — nur das erſte der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen die Vorſänger genügten. Die Muſiker waren ſchlecht¬ weg zu ſehr erſchöpft, das zweite und dritte Glied vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬ möglich, dieſe kunſtreichen Gefüge mit ganzer Gemeinde zu ſingen. Alles Volk hatte ſich die alte Weiſe ſchnell wieder im Gedächtniß aufgefriſcht und mit wenig An¬ ſtoß wurde das ebenſo verſtändige als fromme Feſt¬ lied abgeſungen. Gern ſetzte man ſich jetzt und hob zum leckeren Mahle die Hände.
Wir überlaſſen nun die thatluſtige Geſellſchaft im Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genuſſe dieſer Herr¬ lichkeiten. Es iſt luſtig, im grünen Haine umſtrahlt von feenhaftem Lichte zu ſpeiſen, und unſere Pfahl¬ männer bedrängte es wenig, daß die drei langen Tafeln eigentlich keine Tafeln, ſondern aus querge¬ legten Prügeln nicht allzu eben hergeſtellte Flächen waren; lagen doch Baſtdecken darüber gebreitet, welche das ſo ziemlich ausgliechen und den Schüſſeln einige Standfeſtigkeit gönnten. Nur die Männer ſehen wir vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hauſe bleiben; ihnen wurden je nach einem Gang des Feſtſchmauſes die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus ſich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0381"n="366"/><p>Zur beſtimmten Zeit erſchien pünktlich der Druide<lb/>
mit den Gemeindeälteſten und den Singknaben. Er<lb/>
lud die Gemeinde feierlich ein, ſeinen Hymnus nun<lb/>
vollſtimmig als Tiſchgebet zu ſingen, — nur das erſte<lb/>
der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen<lb/>
die Vorſänger genügten. Die Muſiker waren ſchlecht¬<lb/>
weg zu ſehr erſchöpft, das zweite und dritte Glied<lb/>
vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬<lb/>
möglich, dieſe kunſtreichen Gefüge mit ganzer Gemeinde<lb/>
zu ſingen. Alles Volk hatte ſich die alte Weiſe ſchnell<lb/>
wieder im Gedächtniß aufgefriſcht und mit wenig An¬<lb/>ſtoß wurde das ebenſo verſtändige als fromme Feſt¬<lb/>
lied abgeſungen. Gern ſetzte man ſich jetzt und hob<lb/>
zum leckeren Mahle die Hände.</p><lb/><p>Wir überlaſſen nun die thatluſtige Geſellſchaft im<lb/>
Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genuſſe dieſer Herr¬<lb/>
lichkeiten. Es iſt luſtig, im grünen Haine umſtrahlt<lb/>
von feenhaftem Lichte zu ſpeiſen, und unſere Pfahl¬<lb/>
männer bedrängte es wenig, daß die drei langen<lb/>
Tafeln eigentlich keine Tafeln, ſondern aus querge¬<lb/>
legten Prügeln nicht allzu eben hergeſtellte Flächen<lb/>
waren; lagen doch Baſtdecken darüber gebreitet, welche<lb/>
das ſo ziemlich ausgliechen und den Schüſſeln einige<lb/>
Standfeſtigkeit gönnten. Nur die Männer ſehen wir<lb/>
vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hauſe bleiben;<lb/>
ihnen wurden je nach einem Gang des Feſtſchmauſes<lb/>
die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus ſich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[366/0381]
Zur beſtimmten Zeit erſchien pünktlich der Druide
mit den Gemeindeälteſten und den Singknaben. Er
lud die Gemeinde feierlich ein, ſeinen Hymnus nun
vollſtimmig als Tiſchgebet zu ſingen, — nur das erſte
der drei Glieder, wobei der einfacheren Melodie wegen
die Vorſänger genügten. Die Muſiker waren ſchlecht¬
weg zu ſehr erſchöpft, das zweite und dritte Glied
vorzutragen, und ohne ihre Mitwirkung war es un¬
möglich, dieſe kunſtreichen Gefüge mit ganzer Gemeinde
zu ſingen. Alles Volk hatte ſich die alte Weiſe ſchnell
wieder im Gedächtniß aufgefriſcht und mit wenig An¬
ſtoß wurde das ebenſo verſtändige als fromme Feſt¬
lied abgeſungen. Gern ſetzte man ſich jetzt und hob
zum leckeren Mahle die Hände.
Wir überlaſſen nun die thatluſtige Geſellſchaft im
Glanze dreifacher Beleuchtung dem Genuſſe dieſer Herr¬
lichkeiten. Es iſt luſtig, im grünen Haine umſtrahlt
von feenhaftem Lichte zu ſpeiſen, und unſere Pfahl¬
männer bedrängte es wenig, daß die drei langen
Tafeln eigentlich keine Tafeln, ſondern aus querge¬
legten Prügeln nicht allzu eben hergeſtellte Flächen
waren; lagen doch Baſtdecken darüber gebreitet, welche
das ſo ziemlich ausgliechen und den Schüſſeln einige
Standfeſtigkeit gönnten. Nur die Männer ſehen wir
vereinigt; das Frauenvolk mußte zu Hauſe bleiben;
ihnen wurden je nach einem Gang des Feſtſchmauſes
die übrig gebliebenen Brocken zugetragen, woraus ſich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/381>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.