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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

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Wir können also sagen: die Wogenschäumung gieng
von zwei Polen aus, dort einem idealen, hier einem
realen. Noch ehe aber diese zwei Sturzbewegungen
die Mitte erreicht hatten, wurden sie durch zuwachsende
seitliche Strömungen noch wesentlich verstärkt. An dem
einen der zwei übrigen Tische saßen die ledigen Bursche.
Sie waren bereits nicht besonders nüchtern zum Schmause
gekommen und hatten sich dennoch den Meth und Obst¬
suser tüchtig schmecken lassen. Die Unterhaltung galt
den Ereignissen des Schützenfestes, den besten Schüssen,
den Gewinnen. Manches Hoch wurde ausgebracht, man
rühmte sich gegenseitig in blühenden Trinksprüchen;
das Andenken sagenhafter Schützen aus der Vorzeit
wurde gefeiert, in deren Ruhm die späten Enkel gerne
sich sonnten. Aber man neckte sich auch mit verfehlten
Schüssen und der Neid um glückliche glostete als ver¬
borgenes Feuer in manchen Gemüthern. Dabei ent¬
zündete sich anderweitiger Brennstoff: Eifersucht um
Mädel, die unter der Decke glimmte und gelegentlich
zum Ausbruch kam. Einer der Bursche, Dubrach mit
Namen, hatte gar ungern gesehen, wie der Tanzdichter
Hopp-Hoppodur die reizende Gwennywar zum Tanz
aufzog, denn sie war seine Flamme. Der heitere
Künstler hatte sich als Junggeselle zu den Burschen
gesetzt, obwohl er um etliche Jahre über sie hinaus
war. Dubrach fieng an, mit Scherznamen wie Tän¬
zerling, Hüpfmeister, Flederwisch herauszurücken, bei

Wir können alſo ſagen: die Wogenſchäumung gieng
von zwei Polen aus, dort einem idealen, hier einem
realen. Noch ehe aber dieſe zwei Sturzbewegungen
die Mitte erreicht hatten, wurden ſie durch zuwachſende
ſeitliche Strömungen noch weſentlich verſtärkt. An dem
einen der zwei übrigen Tiſche ſaßen die ledigen Burſche.
Sie waren bereits nicht beſonders nüchtern zum Schmauſe
gekommen und hatten ſich dennoch den Meth und Obſt¬
ſuſer tüchtig ſchmecken laſſen. Die Unterhaltung galt
den Ereigniſſen des Schützenfeſtes, den beſten Schüſſen,
den Gewinnen. Manches Hoch wurde ausgebracht, man
rühmte ſich gegenſeitig in blühenden Trinkſprüchen;
das Andenken ſagenhafter Schützen aus der Vorzeit
wurde gefeiert, in deren Ruhm die ſpäten Enkel gerne
ſich ſonnten. Aber man neckte ſich auch mit verfehlten
Schüſſen und der Neid um glückliche gloſtete als ver¬
borgenes Feuer in manchen Gemüthern. Dabei ent¬
zündete ſich anderweitiger Brennſtoff: Eiferſucht um
Mädel, die unter der Decke glimmte und gelegentlich
zum Ausbruch kam. Einer der Burſche, Dubrach mit
Namen, hatte gar ungern geſehen, wie der Tanzdichter
Hopp-Hoppodur die reizende Gwennywar zum Tanz
aufzog, denn ſie war ſeine Flamme. Der heitere
Künſtler hatte ſich als Junggeſelle zu den Burſchen
geſetzt, obwohl er um etliche Jahre über ſie hinaus
war. Dubrach fieng an, mit Scherznamen wie Tän¬
zerling, Hüpfmeiſter, Flederwiſch herauszurücken, bei

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[374/0389] Wir können alſo ſagen: die Wogenſchäumung gieng von zwei Polen aus, dort einem idealen, hier einem realen. Noch ehe aber dieſe zwei Sturzbewegungen die Mitte erreicht hatten, wurden ſie durch zuwachſende ſeitliche Strömungen noch weſentlich verſtärkt. An dem einen der zwei übrigen Tiſche ſaßen die ledigen Burſche. Sie waren bereits nicht beſonders nüchtern zum Schmauſe gekommen und hatten ſich dennoch den Meth und Obſt¬ ſuſer tüchtig ſchmecken laſſen. Die Unterhaltung galt den Ereigniſſen des Schützenfeſtes, den beſten Schüſſen, den Gewinnen. Manches Hoch wurde ausgebracht, man rühmte ſich gegenſeitig in blühenden Trinkſprüchen; das Andenken ſagenhafter Schützen aus der Vorzeit wurde gefeiert, in deren Ruhm die ſpäten Enkel gerne ſich ſonnten. Aber man neckte ſich auch mit verfehlten Schüſſen und der Neid um glückliche gloſtete als ver¬ borgenes Feuer in manchen Gemüthern. Dabei ent¬ zündete ſich anderweitiger Brennſtoff: Eiferſucht um Mädel, die unter der Decke glimmte und gelegentlich zum Ausbruch kam. Einer der Burſche, Dubrach mit Namen, hatte gar ungern geſehen, wie der Tanzdichter Hopp-Hoppodur die reizende Gwennywar zum Tanz aufzog, denn ſie war ſeine Flamme. Der heitere Künſtler hatte ſich als Junggeſelle zu den Burſchen geſetzt, obwohl er um etliche Jahre über ſie hinaus war. Dubrach fieng an, mit Scherznamen wie Tän¬ zerling, Hüpfmeiſter, Flederwiſch herauszurücken, bei

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/389>, abgerufen am 02.06.2024.