Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

sein Theil. Dienst, mein Herr, Dienst! Dort liegt's!
Das Moralprinzip müßte lauten: du sollst dienen!
Aber wer kann das begreifen, der bloß Gattungen
der Einzelwesen sieht und hinter ihnen gleich das
Nichts? Der nicht merkt, daß das Thun und Treiben
der Vielen etwas herausgearbeitet hat, das über ihnen
steht, ein oberes Stockwerk, bleibende Ordnungen, ewige
Gesetze, denen zu dienen reine Lust ist, weil dieß
Dienen den Diener in's Zeitlose hinaufhebt? Möchte
sonst immer schimpfen, was das Zeug hält, über die
Qual im unteren Stockwerk! Schwätzt immer von
jenen Uebeln, gegen die es doch der Mühe werth ist
den Willen aufzubieten, weiß nichts von reiner Lust
in reinem Kampf -- das Moralische versteht sich doch
immer von selbst --, kennt dagegen die Uebel erst recht
nicht, die ihm gerade Wasser auf seine Mühle wären.
Meint, ein dummer Teufel (sogenannter Wille) habe
die Welt gemacht, und er möchte das immerhin, wenn
er nur begriffe, wie dann ein Lichtgott darüber ge¬
kommen ist, der nur mit der Vasallenschaar des Teufels,
mit den Dämonen, nicht mehr ganz hat fertig werden
können; weiß nicht, wo die Dämonen eigentlich sitzen,
die den Menschen auf den Tod hassen dafür, daß er
die Liebe und die vernünftige Arbeit in die Welt ge¬
bracht hat und ihnen damit das Spiel verderbt, kennt
nicht, weiß nicht aufzuzählen all' ihren Schabernack,
ihre nickelhaften Teufeleien." --

ſein Theil. Dienſt, mein Herr, Dienſt! Dort liegt's!
Das Moralprinzip müßte lauten: du ſollſt dienen!
Aber wer kann das begreifen, der bloß Gattungen
der Einzelweſen ſieht und hinter ihnen gleich das
Nichts? Der nicht merkt, daß das Thun und Treiben
der Vielen etwas herausgearbeitet hat, das über ihnen
ſteht, ein oberes Stockwerk, bleibende Ordnungen, ewige
Geſetze, denen zu dienen reine Luſt iſt, weil dieß
Dienen den Diener in's Zeitloſe hinaufhebt? Möchte
ſonſt immer ſchimpfen, was das Zeug hält, über die
Qual im unteren Stockwerk! Schwätzt immer von
jenen Uebeln, gegen die es doch der Mühe werth iſt
den Willen aufzubieten, weiß nichts von reiner Luſt
in reinem Kampf — das Moraliſche verſteht ſich doch
immer von ſelbſt —, kennt dagegen die Uebel erſt recht
nicht, die ihm gerade Waſſer auf ſeine Mühle wären.
Meint, ein dummer Teufel (ſogenannter Wille) habe
die Welt gemacht, und er möchte das immerhin, wenn
er nur begriffe, wie dann ein Lichtgott darüber ge¬
kommen iſt, der nur mit der Vaſallenſchaar des Teufels,
mit den Dämonen, nicht mehr ganz hat fertig werden
können; weiß nicht, wo die Dämonen eigentlich ſitzen,
die den Menſchen auf den Tod haſſen dafür, daß er
die Liebe und die vernünftige Arbeit in die Welt ge¬
bracht hat und ihnen damit das Spiel verderbt, kennt
nicht, weiß nicht aufzuzählen all' ihren Schabernack,
ihre nickelhaften Teufeleien.“ —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="45"/>
&#x017F;ein Theil. Dien&#x017F;t, mein Herr, Dien&#x017F;t! Dort liegt's!<lb/>
Das Moralprinzip müßte lauten: du &#x017F;oll&#x017F;t dienen!<lb/>
Aber wer kann das begreifen, der bloß Gattungen<lb/>
der Einzelwe&#x017F;en &#x017F;ieht und hinter ihnen gleich das<lb/>
Nichts? Der nicht merkt, daß das Thun und Treiben<lb/>
der Vielen etwas herausgearbeitet hat, das über ihnen<lb/>
&#x017F;teht, ein oberes Stockwerk, bleibende Ordnungen, ewige<lb/>
Ge&#x017F;etze, denen zu dienen reine Lu&#x017F;t i&#x017F;t, weil dieß<lb/>
Dienen den Diener in's Zeitlo&#x017F;e hinaufhebt? Möchte<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t immer &#x017F;chimpfen, was das Zeug hält, über die<lb/>
Qual im unteren Stockwerk! Schwätzt immer von<lb/>
jenen Uebeln, gegen die es doch der Mühe werth i&#x017F;t<lb/>
den Willen aufzubieten, weiß nichts von reiner Lu&#x017F;t<lb/>
in reinem Kampf &#x2014; das Morali&#x017F;che ver&#x017F;teht &#x017F;ich doch<lb/>
immer von &#x017F;elb&#x017F;t &#x2014;, kennt dagegen die Uebel er&#x017F;t recht<lb/>
nicht, die ihm gerade Wa&#x017F;&#x017F;er auf &#x017F;eine Mühle wären.<lb/>
Meint, ein dummer Teufel (&#x017F;ogenannter Wille) habe<lb/>
die Welt gemacht, und er möchte das immerhin, wenn<lb/>
er nur begriffe, wie dann ein Lichtgott darüber ge¬<lb/>
kommen i&#x017F;t, der nur mit der Va&#x017F;allen&#x017F;chaar des Teufels,<lb/>
mit den Dämonen, nicht mehr ganz hat fertig werden<lb/>
können; weiß nicht, wo die Dämonen eigentlich &#x017F;itzen,<lb/>
die den Men&#x017F;chen auf den Tod ha&#x017F;&#x017F;en dafür, daß er<lb/>
die Liebe und die vernünftige Arbeit in die Welt ge¬<lb/>
bracht hat und ihnen damit das Spiel verderbt, kennt<lb/>
nicht, weiß nicht aufzuzählen all' ihren Schabernack,<lb/>
ihre nickelhaften Teufeleien.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0058] ſein Theil. Dienſt, mein Herr, Dienſt! Dort liegt's! Das Moralprinzip müßte lauten: du ſollſt dienen! Aber wer kann das begreifen, der bloß Gattungen der Einzelweſen ſieht und hinter ihnen gleich das Nichts? Der nicht merkt, daß das Thun und Treiben der Vielen etwas herausgearbeitet hat, das über ihnen ſteht, ein oberes Stockwerk, bleibende Ordnungen, ewige Geſetze, denen zu dienen reine Luſt iſt, weil dieß Dienen den Diener in's Zeitloſe hinaufhebt? Möchte ſonſt immer ſchimpfen, was das Zeug hält, über die Qual im unteren Stockwerk! Schwätzt immer von jenen Uebeln, gegen die es doch der Mühe werth iſt den Willen aufzubieten, weiß nichts von reiner Luſt in reinem Kampf — das Moraliſche verſteht ſich doch immer von ſelbſt —, kennt dagegen die Uebel erſt recht nicht, die ihm gerade Waſſer auf ſeine Mühle wären. Meint, ein dummer Teufel (ſogenannter Wille) habe die Welt gemacht, und er möchte das immerhin, wenn er nur begriffe, wie dann ein Lichtgott darüber ge¬ kommen iſt, der nur mit der Vaſallenſchaar des Teufels, mit den Dämonen, nicht mehr ganz hat fertig werden können; weiß nicht, wo die Dämonen eigentlich ſitzen, die den Menſchen auf den Tod haſſen dafür, daß er die Liebe und die vernünftige Arbeit in die Welt ge¬ bracht hat und ihnen damit das Spiel verderbt, kennt nicht, weiß nicht aufzuzählen all' ihren Schabernack, ihre nickelhaften Teufeleien.“ —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/58
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/58>, abgerufen am 22.12.2024.