linke auf dem Rücken hält mit einem Dolch; -- da meinen die Menschen, wenn so ein unheimlich schöner Sonntagmittag herunterstrahlt, es sei gut Wetter, und laufen und strömen hinaus dem Vergnügen nach, und ich, Kassandra, steh' am Fenster und weiß, daß sie wie gebadete Mäuse Abends heimkriechen."
"Ach, lassen Sie ihnen die Täuschung," erwiderte ich, "sie bringt den guten Tröpfen doch ein paar vergnügte Stunden."
"Ja, ja! das ist auch wahr! Machen wir's nur auch so, genießen wir dieß philosophische Wetter, ob¬ wohl wissend, daß morgen der dumme Lebtag in der Luft angehen wird, -- haben Sie schon im Schopen¬ hauer gelesen?"
Der Philosoph des Nihilismus und Pessimismus war damals noch sehr wenig bekannt. Ich wußte ungefähr von ihm, nichts aus ihm, hatte seine Werke nie zur Hand gehabt.
"Müssen doch hineinsehen und genau. -- Geist¬ reich, aber doch eigentlich nur geistreich. Eben doch nichtig. Sonderbar: Freude, meint er, sei nur im Anschauen der Ideen, in der Kunst. Aber er muß doch sein Buch selbst gemacht haben und das war Arbeit. Hat er denn da nicht spüren müssen, daß auch Arbeit froh macht? Der alte Knabe Salomo war doch nicht dumm, der sagt: Nichts besser, denn daß der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit, denn das ist
linke auf dem Rücken hält mit einem Dolch; — da meinen die Menſchen, wenn ſo ein unheimlich ſchöner Sonntagmittag herunterſtrahlt, es ſei gut Wetter, und laufen und ſtrömen hinaus dem Vergnügen nach, und ich, Kaſſandra, ſteh' am Fenſter und weiß, daß ſie wie gebadete Mäuſe Abends heimkriechen.“
„Ach, laſſen Sie ihnen die Täuſchung,“ erwiderte ich, „ſie bringt den guten Tröpfen doch ein paar vergnügte Stunden.“
„Ja, ja! das iſt auch wahr! Machen wir's nur auch ſo, genießen wir dieß philoſophiſche Wetter, ob¬ wohl wiſſend, daß morgen der dumme Lebtag in der Luft angehen wird, — haben Sie ſchon im Schopen¬ hauer geleſen?“
Der Philoſoph des Nihilismus und Peſſimismus war damals noch ſehr wenig bekannt. Ich wußte ungefähr von ihm, nichts aus ihm, hatte ſeine Werke nie zur Hand gehabt.
„Müſſen doch hineinſehen und genau. — Geiſt¬ reich, aber doch eigentlich nur geiſtreich. Eben doch nichtig. Sonderbar: Freude, meint er, ſei nur im Anſchauen der Ideen, in der Kunſt. Aber er muß doch ſein Buch ſelbſt gemacht haben und das war Arbeit. Hat er denn da nicht ſpüren müſſen, daß auch Arbeit froh macht? Der alte Knabe Salomo war doch nicht dumm, der ſagt: Nichts beſſer, denn daß der Menſch fröhlich ſei in ſeiner Arbeit, denn das iſt
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linke auf dem Rücken hält mit einem Dolch; — da
meinen die Menſchen, wenn ſo ein unheimlich ſchöner
Sonntagmittag herunterſtrahlt, es ſei gut Wetter,
und laufen und ſtrömen hinaus dem Vergnügen nach,
und ich, Kaſſandra, ſteh' am Fenſter und weiß, daß
ſie wie gebadete Mäuſe Abends heimkriechen.“
„Ach, laſſen Sie ihnen die Täuſchung,“ erwiderte
ich, „ſie bringt den guten Tröpfen doch ein paar
vergnügte Stunden.“
„Ja, ja! das iſt auch wahr! Machen wir's nur
auch ſo, genießen wir dieß philoſophiſche Wetter, ob¬
wohl wiſſend, daß morgen der dumme Lebtag in der
Luft angehen wird, — haben Sie ſchon im Schopen¬
hauer geleſen?“
Der Philoſoph des Nihilismus und Peſſimismus
war damals noch ſehr wenig bekannt. Ich wußte
ungefähr von ihm, nichts aus ihm, hatte ſeine Werke
nie zur Hand gehabt.
„Müſſen doch hineinſehen und genau. — Geiſt¬
reich, aber doch eigentlich nur geiſtreich. Eben doch
nichtig. Sonderbar: Freude, meint er, ſei nur im
Anſchauen der Ideen, in der Kunſt. Aber er muß
doch ſein Buch ſelbſt gemacht haben und das war
Arbeit. Hat er denn da nicht ſpüren müſſen, daß
auch Arbeit froh macht? Der alte Knabe Salomo war
doch nicht dumm, der ſagt: Nichts beſſer, denn daß
der Menſch fröhlich ſei in ſeiner Arbeit, denn das iſt
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/57>, abgerufen am 22.12.2024.
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