Herz zu bändigen; als ich bei sinkendem Abend in der Nähe von Klus dem eilenden Bergfluß näher trat und sein Rauschen mir stärker und stärker in das Ohr drang, wurde mein Zustand statt ernster nur närrischer. Das dumme, unsinnnige Wort Tetem kam mir in's Gedächtniß und es war mir angethan, daß ich den blöden Laut nicht mehr los wurde. Ein begegnender Bauer grüßte mich und ich antwortete: "Tetem". Ich blieb öfters stehen und starrte in die dunkel murrende, dem schroffen Felsblock auf ge¬ hemmter Bahn entgegengrollende Flut, ich wollte an diesem Bilde mich zum Ernste zwingen, aber es half nichts: als hätte ich die kindische Wortform in den Strudeln gelesen, zöge sie als Resultat meiner Be¬ trachtung aus der wilden Woge, mußte ich denken, sagen: "Richtig, ja, Tetem!" Die Felshäupter, Zacken, Zinken, Ecken hatten Mäuler, nickten und blöckten: "Tetem!", "Tetem!" brummte der Bristenstock, "Tetem!" kicherte der schroffe Gitschen, "Tetem!" gellten die Windgellen.
Ich wurde mir selbst zum Abscheu und fieng das Laufen an, um mir zu entspringen; was half es? Nun schlug meine Umhängetasche mit rhythmischen Schlägen mir an die Hüfte: "Tetem! Tetem!" Ich rieß sie von der Schulter, es erschien mir als das ein¬ zig Rationelle, sie hoch in der Luft zu schwingen und zur Strafe sammt ihrem Inhalt an einem Felsen abzu¬ schlagen; der Inhalt fiel heraus, und während ich
Herz zu bändigen; als ich bei ſinkendem Abend in der Nähe von Klus dem eilenden Bergfluß näher trat und ſein Rauſchen mir ſtärker und ſtärker in das Ohr drang, wurde mein Zuſtand ſtatt ernſter nur närriſcher. Das dumme, unſinnnige Wort Tetem kam mir in's Gedächtniß und es war mir angethan, daß ich den blöden Laut nicht mehr los wurde. Ein begegnender Bauer grüßte mich und ich antwortete: „Tetem“. Ich blieb öfters ſtehen und ſtarrte in die dunkel murrende, dem ſchroffen Felsblock auf ge¬ hemmter Bahn entgegengrollende Flut, ich wollte an dieſem Bilde mich zum Ernſte zwingen, aber es half nichts: als hätte ich die kindiſche Wortform in den Strudeln geleſen, zöge ſie als Reſultat meiner Be¬ trachtung aus der wilden Woge, mußte ich denken, ſagen: „Richtig, ja, Tetem!“ Die Felshäupter, Zacken, Zinken, Ecken hatten Mäuler, nickten und blöckten: „Tetem!“, „Tetem!“ brummte der Briſtenſtock, „Tetem!“ kicherte der ſchroffe Gitſchen, „Tetem!“ gellten die Windgellen.
Ich wurde mir ſelbſt zum Abſcheu und fieng das Laufen an, um mir zu entſpringen; was half es? Nun ſchlug meine Umhängetaſche mit rhythmiſchen Schlägen mir an die Hüfte: „Tetem! Tetem!“ Ich rieß ſie von der Schulter, es erſchien mir als das ein¬ zig Rationelle, ſie hoch in der Luft zu ſchwingen und zur Strafe ſammt ihrem Inhalt an einem Felſen abzu¬ ſchlagen; der Inhalt fiel heraus, und während ich
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Herz zu bändigen; als ich bei ſinkendem Abend in
der Nähe von Klus dem eilenden Bergfluß näher
trat und ſein Rauſchen mir ſtärker und ſtärker in das
Ohr drang, wurde mein Zuſtand ſtatt ernſter nur
närriſcher. Das dumme, unſinnnige Wort Tetem
kam mir in's Gedächtniß und es war mir angethan,
daß ich den blöden Laut nicht mehr los wurde. Ein
begegnender Bauer grüßte mich und ich antwortete:
„Tetem“. Ich blieb öfters ſtehen und ſtarrte in die
dunkel murrende, dem ſchroffen Felsblock auf ge¬
hemmter Bahn entgegengrollende Flut, ich wollte
an dieſem Bilde mich zum Ernſte zwingen, aber es
half nichts: als hätte ich die kindiſche Wortform in
den Strudeln geleſen, zöge ſie als Reſultat meiner Be¬
trachtung aus der wilden Woge, mußte ich denken, ſagen:
„Richtig, ja, Tetem!“ Die Felshäupter, Zacken, Zinken,
Ecken hatten Mäuler, nickten und blöckten: „Tetem!“,
„Tetem!“ brummte der Briſtenſtock, „Tetem!“ kicherte
der ſchroffe Gitſchen, „Tetem!“ gellten die Windgellen.
Ich wurde mir ſelbſt zum Abſcheu und fieng das
Laufen an, um mir zu entſpringen; was half es?
Nun ſchlug meine Umhängetaſche mit rhythmiſchen
Schlägen mir an die Hüfte: „Tetem! Tetem!“ Ich
rieß ſie von der Schulter, es erſchien mir als das ein¬
zig Rationelle, ſie hoch in der Luft zu ſchwingen und
zur Strafe ſammt ihrem Inhalt an einem Felſen abzu¬
ſchlagen; der Inhalt fiel heraus, und während ich
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/80>, abgerufen am 22.12.2024.
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