mich bückte, die sieben Sachen aufzulesen, erschrack ich über mich selbst in der Tiefe meiner Seele: "Um Gottes willen," rief es in mir, "der Mensch hat dich angesteckt, du wirst verrückt!" Es zogen mir Wolken, Wallungen über das Gehirn her, und als ich in die Wirbel sah, in denen das Wasser zwischen den Granit¬ blöcken sich dreht, um dann schäumend vor- und hinab¬ zustürzen, so wurde mir, als wirble und schäume es mir gerade so in meinem armen Kopfe. Ja, ja! es ist nicht anders, der Mensch hat dir's angethan! Aber während ich innerlich so sprach: der Mensch! stellte sich frei¬ willig die Vernunft ein: der Mensch! O ja, ein Mensch! ein menschlicher Mensch! Die Stimmung kam wieder, in welcher ich Bürglen zugewandert war: Reue über mein hartes Anlassen dort auf der Axen¬ straße, Rührung, Mitleid, Liebe, und hinter und über der Liebe Achtung, und je mehr Achtung, um so mehr wieder Mitleid; kreuzweise durchbohrt von all' den widersprechenden Gefühlen, aufgeregt im Grunde der Seele und niedergeschlagen zugleich langte ich in Am¬ steg an und nur die Ermüdung brachte mir den er¬ wünschten Schlaf, tief und traumlos, wie er nach tüchtigem Marsch den Wanderer erquickt.
Ich stand früh auf und gieng rüstig meiner Straße. Mein A. E. schien dießmal wenigstens keine Wetter- Kassandra gewesen zu sein. Die Luft war hell; der Bristenstock stieg rein gezeichnet in die Höhe und gönnte
mich bückte, die ſieben Sachen aufzuleſen, erſchrack ich über mich ſelbſt in der Tiefe meiner Seele: „Um Gottes willen,“ rief es in mir, „der Menſch hat dich angeſteckt, du wirſt verrückt!“ Es zogen mir Wolken, Wallungen über das Gehirn her, und als ich in die Wirbel ſah, in denen das Waſſer zwiſchen den Granit¬ blöcken ſich dreht, um dann ſchäumend vor- und hinab¬ zuſtürzen, ſo wurde mir, als wirble und ſchäume es mir gerade ſo in meinem armen Kopfe. Ja, ja! es iſt nicht anders, der Menſch hat dir's angethan! Aber während ich innerlich ſo ſprach: der Menſch! ſtellte ſich frei¬ willig die Vernunft ein: der Menſch! O ja, ein Menſch! ein menſchlicher Menſch! Die Stimmung kam wieder, in welcher ich Bürglen zugewandert war: Reue über mein hartes Anlaſſen dort auf der Axen¬ ſtraße, Rührung, Mitleid, Liebe, und hinter und über der Liebe Achtung, und je mehr Achtung, um ſo mehr wieder Mitleid; kreuzweiſe durchbohrt von all' den widerſprechenden Gefühlen, aufgeregt im Grunde der Seele und niedergeſchlagen zugleich langte ich in Am¬ ſteg an und nur die Ermüdung brachte mir den er¬ wünſchten Schlaf, tief und traumlos, wie er nach tüchtigem Marſch den Wanderer erquickt.
Ich ſtand früh auf und gieng rüſtig meiner Straße. Mein A. E. ſchien dießmal wenigſtens keine Wetter- Kaſſandra geweſen zu ſein. Die Luft war hell; der Briſtenſtock ſtieg rein gezeichnet in die Höhe und gönnte
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mich bückte, die ſieben Sachen aufzuleſen, erſchrack ich
über mich ſelbſt in der Tiefe meiner Seele: „Um
Gottes willen,“ rief es in mir, „der Menſch hat dich
angeſteckt, du wirſt verrückt!“ Es zogen mir Wolken,
Wallungen über das Gehirn her, und als ich in die
Wirbel ſah, in denen das Waſſer zwiſchen den Granit¬
blöcken ſich dreht, um dann ſchäumend vor- und hinab¬
zuſtürzen, ſo wurde mir, als wirble und ſchäume es mir
gerade ſo in meinem armen Kopfe. Ja, ja! es iſt nicht
anders, der Menſch hat dir's angethan! Aber während
ich innerlich ſo ſprach: der Menſch! ſtellte ſich frei¬
willig die Vernunft ein: der Menſch! O ja, ein
Menſch! ein menſchlicher Menſch! Die Stimmung
kam wieder, in welcher ich Bürglen zugewandert war:
Reue über mein hartes Anlaſſen dort auf der Axen¬
ſtraße, Rührung, Mitleid, Liebe, und hinter und über
der Liebe Achtung, und je mehr Achtung, um ſo mehr
wieder Mitleid; kreuzweiſe durchbohrt von all' den
widerſprechenden Gefühlen, aufgeregt im Grunde der
Seele und niedergeſchlagen zugleich langte ich in Am¬
ſteg an und nur die Ermüdung brachte mir den er¬
wünſchten Schlaf, tief und traumlos, wie er nach
tüchtigem Marſch den Wanderer erquickt.
Ich ſtand früh auf und gieng rüſtig meiner Straße.
Mein A. E. ſchien dießmal wenigſtens keine Wetter-
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/81>, abgerufen am 22.12.2024.
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