dem Auge, mit Wohlgefallen an seinem Kegel empor- und an dem sanft geschwungenen Sattel seiner linken Abdachung niederzusteigen. Steiler und wilder starrten die näheren Felsen aus dem bewaldeten Fuße hinan und schauten ernst auf die sanften Matten, die fried¬ lichen Dörfer herab. Bald offener fließend, bald in tiefe Schluchten eingewühlt, dumpf tosend und trommelnd wälzte die Reuß ihre milchig hellgraublauen Wogen. Manche Stellen nah' am Wege erzählten eine grause Geschichte von Zertrümmerung der Fels¬ welt des Hochgebirges. Da lagen ganze Haufen wild übereinandergeworfener Steinmassen, in allen Rich¬ tungen der Stellung verworren hingeschüttet und auf¬ gethürmt; hier und da aber ragte ein vereinzelter Felsblock von ungeheurer Größe, bemoost und etwa von kleinen Tannen bewachsen, die mit den seltsam verkrümmten Wurzeln in die Spalten hineinsuchten, um kümmerliche Nahrung zu finden. Schaute man nach den Gebirgswänden auf, so konnte man bei dem einen und andern dieser niedergestürzten Riesen noch die Stelle entdecken, wo er einst oben hieng, da sich die Gleichheit seiner Form mit den Umrissen einer Kluft in dem Felsenkörper, zu dem er gehört haben mußte, klar erkennen ließ. Mit welchem Donner mögen einst diese Lasten, Alles rings zerschmetternd, nieder in's Thal gesprungen sein! In der Nähe von Wasen fand ich einen solchen Block am Wege, wohl
dem Auge, mit Wohlgefallen an ſeinem Kegel empor- und an dem ſanft geſchwungenen Sattel ſeiner linken Abdachung niederzuſteigen. Steiler und wilder ſtarrten die näheren Felſen aus dem bewaldeten Fuße hinan und ſchauten ernſt auf die ſanften Matten, die fried¬ lichen Dörfer herab. Bald offener fließend, bald in tiefe Schluchten eingewühlt, dumpf toſend und trommelnd wälzte die Reuß ihre milchig hellgraublauen Wogen. Manche Stellen nah' am Wege erzählten eine grauſe Geſchichte von Zertrümmerung der Fels¬ welt des Hochgebirges. Da lagen ganze Haufen wild übereinandergeworfener Steinmaſſen, in allen Rich¬ tungen der Stellung verworren hingeſchüttet und auf¬ gethürmt; hier und da aber ragte ein vereinzelter Felsblock von ungeheurer Größe, bemoost und etwa von kleinen Tannen bewachſen, die mit den ſeltſam verkrümmten Wurzeln in die Spalten hineinſuchten, um kümmerliche Nahrung zu finden. Schaute man nach den Gebirgswänden auf, ſo konnte man bei dem einen und andern dieſer niedergeſtürzten Rieſen noch die Stelle entdecken, wo er einſt oben hieng, da ſich die Gleichheit ſeiner Form mit den Umriſſen einer Kluft in dem Felſenkörper, zu dem er gehört haben mußte, klar erkennen ließ. Mit welchem Donner mögen einſt dieſe Laſten, Alles rings zerſchmetternd, nieder in's Thal geſprungen ſein! In der Nähe von Waſen fand ich einen ſolchen Block am Wege, wohl
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dem Auge, mit Wohlgefallen an ſeinem Kegel empor-
und an dem ſanft geſchwungenen Sattel ſeiner linken
Abdachung niederzuſteigen. Steiler und wilder ſtarrten
die näheren Felſen aus dem bewaldeten Fuße hinan
und ſchauten ernſt auf die ſanften Matten, die fried¬
lichen Dörfer herab. Bald offener fließend, bald in
tiefe Schluchten eingewühlt, dumpf toſend und
trommelnd wälzte die Reuß ihre milchig hellgraublauen
Wogen. Manche Stellen nah' am Wege erzählten
eine grauſe Geſchichte von Zertrümmerung der Fels¬
welt des Hochgebirges. Da lagen ganze Haufen wild
übereinandergeworfener Steinmaſſen, in allen Rich¬
tungen der Stellung verworren hingeſchüttet und auf¬
gethürmt; hier und da aber ragte ein vereinzelter
Felsblock von ungeheurer Größe, bemoost und etwa
von kleinen Tannen bewachſen, die mit den ſeltſam
verkrümmten Wurzeln in die Spalten hineinſuchten,
um kümmerliche Nahrung zu finden. Schaute man
nach den Gebirgswänden auf, ſo konnte man bei dem
einen und andern dieſer niedergeſtürzten Rieſen noch
die Stelle entdecken, wo er einſt oben hieng, da ſich
die Gleichheit ſeiner Form mit den Umriſſen einer
Kluft in dem Felſenkörper, zu dem er gehört haben
mußte, klar erkennen ließ. Mit welchem Donner
mögen einſt dieſe Laſten, Alles rings zerſchmetternd,
nieder in's Thal geſprungen ſein! In der Nähe von
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1879, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch01_1879/82>, abgerufen am 22.12.2024.
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