Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen wird, was sie hofft, nemlich als Sporn des
einzig Realen, des Guten.


Das Bäschen auf einen Ball begleiten müssen.
Schrecklich! -- Und tanzen thun sie, als sähe man
Hühner im Dünger scharren. -- Seit ich dazumal in
Amtspflegers Töchterlein verliebt war, mit ihr Nachts
nach den Sternen sah und darauf ein Gedicht machte,
-- ich erinnere mich gut: in horazischem Odenmaß,
und der Schluß hieß:

Ein kurzer Traum war's,
Aber ein schöner --

Und ich schwankte sehr, ob es nicht besser wäre,
zu setzen:

Ein schöner Traum war's,
Aber ein kurzer --
ich weiß es wirklich heute noch nicht -- seit da¬
mals, als ich so klassisch dichtete und als ich ein paar
Wochen lang heulte, da sie fortreiste, hab' ich triplex
aes circa pectus
. Die Liebe kommt mir langweilig
vor. -- Seele, den Tag nicht vor dem Abend loben!
Wenn dir ein Weib erschiene, das Styl hat?


Ich muß recht Philosophie treiben, das wappnet
am besten gegen dieß und das, gegen mich, gegen

deſſen wird, was ſie hofft, nemlich als Sporn des
einzig Realen, des Guten.


Das Bäschen auf einen Ball begleiten müſſen.
Schrecklich! — Und tanzen thun ſie, als ſähe man
Hühner im Dünger ſcharren. — Seit ich dazumal in
Amtspflegers Töchterlein verliebt war, mit ihr Nachts
nach den Sternen ſah und darauf ein Gedicht machte,
— ich erinnere mich gut: in horaziſchem Odenmaß,
und der Schluß hieß:

Ein kurzer Traum war's,
Aber ein ſchöner —

Und ich ſchwankte ſehr, ob es nicht beſſer wäre,
zu ſetzen:

Ein ſchöner Traum war's,
Aber ein kurzer —
ich weiß es wirklich heute noch nicht — ſeit da¬
mals, als ich ſo klaſſiſch dichtete und als ich ein paar
Wochen lang heulte, da ſie fortreiste, hab' ich triplex
aes circa pectus
. Die Liebe kommt mir langweilig
vor. — Seele, den Tag nicht vor dem Abend loben!
Wenn dir ein Weib erſchiene, das Styl hat?


Ich muß recht Philoſophie treiben, das wappnet
am beſten gegen dieß und das, gegen mich, gegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0148" n="135"/>
de&#x017F;&#x017F;en wird, was &#x017F;ie hofft, nemlich als Sporn des<lb/>
einzig Realen, des Guten.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Das Bäschen auf einen Ball begleiten mü&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Schrecklich! &#x2014; Und tanzen thun &#x017F;ie, als &#x017F;ähe man<lb/>
Hühner im Dünger &#x017F;charren. &#x2014; Seit ich dazumal in<lb/>
Amtspflegers Töchterlein verliebt war, mit ihr Nachts<lb/>
nach den Sternen &#x017F;ah und darauf ein Gedicht machte,<lb/>
&#x2014; ich erinnere mich gut: in horazi&#x017F;chem Odenmaß,<lb/>
und der Schluß hieß:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Ein kurzer Traum war's,</l><lb/>
          <l>Aber ein &#x017F;chöner &#x2014;</l>
        </lg><lb/>
        <p>Und ich &#x017F;chwankte &#x017F;ehr, ob es nicht be&#x017F;&#x017F;er wäre,<lb/>
zu &#x017F;etzen:<lb/><lg type="poem"><l>Ein &#x017F;chöner Traum war's,</l><lb/><l>Aber ein kurzer &#x2014;</l></lg><lb/>
ich weiß es wirklich heute noch nicht &#x2014; &#x017F;eit da¬<lb/>
mals, als ich &#x017F;o kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;ch dichtete und als ich ein paar<lb/>
Wochen lang heulte, da &#x017F;ie fortreiste, hab' ich <hi rendition="#aq">triplex<lb/>
aes circa pectus</hi>. Die Liebe kommt mir langweilig<lb/>
vor. &#x2014; Seele, den Tag nicht vor dem Abend loben!<lb/>
Wenn dir ein Weib er&#x017F;chiene, das Styl hat?</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Ich muß recht Philo&#x017F;ophie treiben, das wappnet<lb/>
am be&#x017F;ten gegen dieß und das, gegen mich, gegen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0148] deſſen wird, was ſie hofft, nemlich als Sporn des einzig Realen, des Guten. Das Bäschen auf einen Ball begleiten müſſen. Schrecklich! — Und tanzen thun ſie, als ſähe man Hühner im Dünger ſcharren. — Seit ich dazumal in Amtspflegers Töchterlein verliebt war, mit ihr Nachts nach den Sternen ſah und darauf ein Gedicht machte, — ich erinnere mich gut: in horaziſchem Odenmaß, und der Schluß hieß: Ein kurzer Traum war's, Aber ein ſchöner — Und ich ſchwankte ſehr, ob es nicht beſſer wäre, zu ſetzen: Ein ſchöner Traum war's, Aber ein kurzer — ich weiß es wirklich heute noch nicht — ſeit da¬ mals, als ich ſo klaſſiſch dichtete und als ich ein paar Wochen lang heulte, da ſie fortreiste, hab' ich triplex aes circa pectus. Die Liebe kommt mir langweilig vor. — Seele, den Tag nicht vor dem Abend loben! Wenn dir ein Weib erſchiene, das Styl hat? Ich muß recht Philoſophie treiben, das wappnet am beſten gegen dieß und das, gegen mich, gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/148
Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/148>, abgerufen am 24.11.2024.