Dieser Arnhelm -- jetzt gibt er wieder ein Bänd¬ chen lyrische heraus. Wird es ihr widmen. Nun ja, wenn nur ich's nicht lesen muß; -- schrecklich! Was will sie mit dem Süßling? In seinen Blicken nach Goldrun liegt doch ein Etwas -- feucht sentimentaler Art -- so etwas Ansaugendes -- hübscher Stutzer, was man schön nennt, Modejournal-Monatrettiggesicht mit aufgedrehtem Bärtchen -- Wie, eifersüchtig auf den Wonneflöter? Schäm' dich, Herz!
Wieder verschnupft. Sie meint mich wie armes Würmlein behandeln zu können. "Ei mit Kandis¬ zucker? -- Holderthee? Naß Tuch und wollene Binde um den Hals?" Als ob ich ein Mutterkindel wäre! Spottet auch auf deutsche Verweichlichung, deutsches Wesen, Volk, doch da bin ich gestern sehr grob ge¬ worden. Sonst -- es soll Humor sein und man will doch Spaß verstehen. Muß ich die verfluchten Hemdkrägen haben und kann nirgends rechte finden. Die haben ganz den Teufel im Leib, halten nicht hinten, rutschen über die Kravate heraus, sitzen auf der bloßen Haut; muß zupfen den ganzen Tag. Sie sieht Alles mit Sperberblick. Schrecklicher Realismus des Weibs, Falkenauge der Mädel für Komisches, für Ungeschicktes im Aeußern.
Das thät' wenig, aber dann wieder bös launisch,
Dieſer Arnhelm — jetzt gibt er wieder ein Bänd¬ chen lyriſche heraus. Wird es ihr widmen. Nun ja, wenn nur ich's nicht leſen muß; — ſchrecklich! Was will ſie mit dem Süßling? In ſeinen Blicken nach Goldrun liegt doch ein Etwas — feucht ſentimentaler Art — ſo etwas Anſaugendes — hübſcher Stutzer, was man ſchön nennt, Modejournal-Monatrettiggeſicht mit aufgedrehtem Bärtchen — Wie, eiferſüchtig auf den Wonneflöter? Schäm' dich, Herz!
Wieder verſchnupft. Sie meint mich wie armes Würmlein behandeln zu können. „Ei mit Kandis¬ zucker? — Holderthee? Naß Tuch und wollene Binde um den Hals?“ Als ob ich ein Mutterkindel wäre! Spottet auch auf deutſche Verweichlichung, deutſches Weſen, Volk, doch da bin ich geſtern ſehr grob ge¬ worden. Sonſt — es ſoll Humor ſein und man will doch Spaß verſtehen. Muß ich die verfluchten Hemdkrägen haben und kann nirgends rechte finden. Die haben ganz den Teufel im Leib, halten nicht hinten, rutſchen über die Kravate heraus, ſitzen auf der bloßen Haut; muß zupfen den ganzen Tag. Sie ſieht Alles mit Sperberblick. Schrecklicher Realismus des Weibs, Falkenauge der Mädel für Komiſches, für Ungeſchicktes im Aeußern.
Das thät' wenig, aber dann wieder bös launiſch,
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Dieſer Arnhelm — jetzt gibt er wieder ein Bänd¬
chen lyriſche heraus. Wird es ihr widmen. Nun ja,
wenn nur ich's nicht leſen muß; — ſchrecklich! Was
will ſie mit dem Süßling? In ſeinen Blicken nach
Goldrun liegt doch ein Etwas — feucht ſentimentaler
Art — ſo etwas Anſaugendes — hübſcher Stutzer,
was man ſchön nennt, Modejournal-Monatrettiggeſicht
mit aufgedrehtem Bärtchen — Wie, eiferſüchtig auf
den Wonneflöter? Schäm' dich, Herz!
Wieder verſchnupft. Sie meint mich wie armes
Würmlein behandeln zu können. „Ei mit Kandis¬
zucker? — Holderthee? Naß Tuch und wollene Binde
um den Hals?“ Als ob ich ein Mutterkindel wäre!
Spottet auch auf deutſche Verweichlichung, deutſches
Weſen, Volk, doch da bin ich geſtern ſehr grob ge¬
worden. Sonſt — es ſoll Humor ſein und man
will doch Spaß verſtehen. Muß ich die verfluchten
Hemdkrägen haben und kann nirgends rechte finden.
Die haben ganz den Teufel im Leib, halten nicht
hinten, rutſchen über die Kravate heraus, ſitzen auf
der bloßen Haut; muß zupfen den ganzen Tag. Sie
ſieht Alles mit Sperberblick. Schrecklicher Realismus
des Weibs, Falkenauge der Mädel für Komiſches,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/177>, abgerufen am 21.11.2024.
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