Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879."ich zeige dir Anadyomene." Wie magnetisch zieht Theurer Phaon! *) Hinweggegangen bist du und hergeschritten ist mit *) Hier findet sich ein Blatt von fremder, weiblicher Hand,
ein Brief in griechischer Sprache. Es geht zur Hälfte ein Riß hindurch; der Empfänger, scheint es, wollte ihn zerstören und ließ wieder ab. Ich gebe den Inhalt in deutscher Uebersetzung. Der Herausgeber. „ich zeige dir Anadyomene.“ Wie magnetiſch zieht Theurer Phaon! *) Hinweggegangen biſt du und hergeſchritten iſt mit *) Hier findet ſich ein Blatt von fremder, weiblicher Hand,
ein Brief in griechiſcher Sprache. Es geht zur Hälfte ein Riß hindurch; der Empfänger, ſcheint es, wollte ihn zerſtören und ließ wieder ab. Ich gebe den Inhalt in deutſcher Ueberſetzung. Der Herausgeber. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0199" n="186"/> „ich zeige dir Anadyomene.“ Wie magnetiſch zieht<lb/> ſie mich, ſchwebt mit mir über Gebirge, Meere, der<lb/> Himmel wird tiefer blau, Inſeln ſchwimmen, rein ge¬<lb/> zeichnet, in Azur getaucht; ein Vorgebirge ſteigt auf,<lb/> eine Landzunge in's Meer vorgelagert; „hier iſt Kni¬<lb/> dos,“ ſpricht die geiſterleichte Trägerin, läßt mich vor<lb/> einer Tempelhalle nieder, ich trete ein und da ſteht<lb/> ſie, die Gewänderablegende, — leuchtend, das Höchſte,<lb/> was kunſtgewordene Natur erſchaffen kann. Schauen<lb/> will ich, ſpricht's in mir, und fern bleiben. Da ſeh'<lb/> ich Lebenswärme durch den Marmor rieſeln, das Ant¬<lb/> litz färbt ſich, das Haar wird Gold und ich erkenne<lb/> Goldrun. Sie regt ſich, winkt. Der Boden wankt.<lb/> Ich verſinke.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p rendition="#et">Theurer Phaon! <note place="foot" n="*)"><p>Hier findet ſich ein Blatt von fremder, weiblicher Hand,<lb/> ein Brief in griechiſcher Sprache. Es geht zur Hälfte ein Riß<lb/> hindurch; der Empfänger, ſcheint es, wollte ihn zerſtören und<lb/> ließ wieder ab. Ich gebe den Inhalt in deutſcher Ueberſetzung.</p><lb/><p rendition="#right">Der Herausgeber.</p><lb/></note></p><lb/> <p>Hinweggegangen biſt du und hergeſchritten iſt mit<lb/> ehernem Fuß der langhinſtreckende Tod, im Hades<lb/> wandelt der Freund, der Enkel der Hellenen, der Weiſe,<lb/> der Deuter des göttlichen Platon; ſterbend hat er dich<lb/> genannt und geſtammelt: er nun dein Schutz und<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0199]
„ich zeige dir Anadyomene.“ Wie magnetiſch zieht
ſie mich, ſchwebt mit mir über Gebirge, Meere, der
Himmel wird tiefer blau, Inſeln ſchwimmen, rein ge¬
zeichnet, in Azur getaucht; ein Vorgebirge ſteigt auf,
eine Landzunge in's Meer vorgelagert; „hier iſt Kni¬
dos,“ ſpricht die geiſterleichte Trägerin, läßt mich vor
einer Tempelhalle nieder, ich trete ein und da ſteht
ſie, die Gewänderablegende, — leuchtend, das Höchſte,
was kunſtgewordene Natur erſchaffen kann. Schauen
will ich, ſpricht's in mir, und fern bleiben. Da ſeh'
ich Lebenswärme durch den Marmor rieſeln, das Ant¬
litz färbt ſich, das Haar wird Gold und ich erkenne
Goldrun. Sie regt ſich, winkt. Der Boden wankt.
Ich verſinke.
Theurer Phaon! *)
Hinweggegangen biſt du und hergeſchritten iſt mit
ehernem Fuß der langhinſtreckende Tod, im Hades
wandelt der Freund, der Enkel der Hellenen, der Weiſe,
der Deuter des göttlichen Platon; ſterbend hat er dich
genannt und geſtammelt: er nun dein Schutz und
*) Hier findet ſich ein Blatt von fremder, weiblicher Hand,
ein Brief in griechiſcher Sprache. Es geht zur Hälfte ein Riß
hindurch; der Empfänger, ſcheint es, wollte ihn zerſtören und
ließ wieder ab. Ich gebe den Inhalt in deutſcher Ueberſetzung.
Der Herausgeber.
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