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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.

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zusammenhang. Ja, es ist ihm wohl gerade recht,
denn er kann sich anlügen, das Mühen mit diesen
knirpsigen Dingen, das Zupfen, Nörgeln, Krabbeln
und Zappeln sei auch gearbeitet.


Abends in der Dämmerung, da kommt's über
mich. Die Nerven werden ruhig. Oft fühl' ich's wie
ein zartes, lindes Wehen. Frieden. Sie erscheint mir,
beugt ihr Haupt über mich, blickt so himmlisch gut,
kühlt mir die heiße Stirne. Erinnerung! -- Aber
ich darf nicht, darf ja nicht oft, nicht zu innig mich
hineingeben, -- ach, es könnte Sehnsucht werden und
darf ja nicht! -- Trauerst du mit mir, Himmels¬
bild, daß es so gekommen im Vaterland, daß ich da¬
für, dafür mein Blut vergossen?


Schwarz zu sehen, dazu hätte ich ja wohl Grund
genug. Das erleben! Und ich meine nicht das Aergste,
Sturz in den Abgrund, in's Dämonenreich. Da war
ich schuldvoll, -- obwohl doch auch ein wenig, wenig
entschuldbar: warum? mag's mir selber nicht nennen.
Und mein ganzes Leben der ewige Schund, Marter¬
kampf mit den teuflischen Zwerggeistern des kleinen
und doch so furchtbar großen Uebels ist doch auch ein
Abbüßen. Es muß ja ein Nest irgendwo geben, wo

zuſammenhang. Ja, es iſt ihm wohl gerade recht,
denn er kann ſich anlügen, das Mühen mit dieſen
knirpſigen Dingen, das Zupfen, Nörgeln, Krabbeln
und Zappeln ſei auch gearbeitet.


Abends in der Dämmerung, da kommt's über
mich. Die Nerven werden ruhig. Oft fühl' ich's wie
ein zartes, lindes Wehen. Frieden. Sie erſcheint mir,
beugt ihr Haupt über mich, blickt ſo himmliſch gut,
kühlt mir die heiße Stirne. Erinnerung! — Aber
ich darf nicht, darf ja nicht oft, nicht zu innig mich
hineingeben, — ach, es könnte Sehnſucht werden und
darf ja nicht! — Trauerſt du mit mir, Himmels¬
bild, daß es ſo gekommen im Vaterland, daß ich da¬
für, dafür mein Blut vergoſſen?


Schwarz zu ſehen, dazu hätte ich ja wohl Grund
genug. Das erleben! Und ich meine nicht das Aergſte,
Sturz in den Abgrund, in's Dämonenreich. Da war
ich ſchuldvoll, — obwohl doch auch ein wenig, wenig
entſchuldbar: warum? mag's mir ſelber nicht nennen.
Und mein ganzes Leben der ewige Schund, Marter¬
kampf mit den teufliſchen Zwerggeiſtern des kleinen
und doch ſo furchtbar großen Uebels iſt doch auch ein
Abbüßen. Es muß ja ein Neſt irgendwo geben, wo

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[217/0230] zuſammenhang. Ja, es iſt ihm wohl gerade recht, denn er kann ſich anlügen, das Mühen mit dieſen knirpſigen Dingen, das Zupfen, Nörgeln, Krabbeln und Zappeln ſei auch gearbeitet. Abends in der Dämmerung, da kommt's über mich. Die Nerven werden ruhig. Oft fühl' ich's wie ein zartes, lindes Wehen. Frieden. Sie erſcheint mir, beugt ihr Haupt über mich, blickt ſo himmliſch gut, kühlt mir die heiße Stirne. Erinnerung! — Aber ich darf nicht, darf ja nicht oft, nicht zu innig mich hineingeben, — ach, es könnte Sehnſucht werden und darf ja nicht! — Trauerſt du mit mir, Himmels¬ bild, daß es ſo gekommen im Vaterland, daß ich da¬ für, dafür mein Blut vergoſſen? Schwarz zu ſehen, dazu hätte ich ja wohl Grund genug. Das erleben! Und ich meine nicht das Aergſte, Sturz in den Abgrund, in's Dämonenreich. Da war ich ſchuldvoll, — obwohl doch auch ein wenig, wenig entſchuldbar: warum? mag's mir ſelber nicht nennen. Und mein ganzes Leben der ewige Schund, Marter¬ kampf mit den teufliſchen Zwerggeiſtern des kleinen und doch ſo furchtbar großen Uebels iſt doch auch ein Abbüßen. Es muß ja ein Neſt irgendwo geben, wo

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/230>, abgerufen am 18.05.2024.