die holde Unreife, die liebenswürdige Armuth des Nochnichtkönnens! Sie hilft ja, den geschlossenen Kern der Innigkeit streng bewahren, daß er in der ent¬ bundenen Form nicht verdunste. Seit ich den Peru¬ gino in der Akademie zu Bologna gesehen, ist mir das erst recht aufgegangen. Nun hier weiter zurück der herrliche Fiesole! Auch in ihm ist schon Zug zum Strecken, will da und dort die mündige Form schon ausschlüpfen -- welche große Bahnen in den Falten des weißen Mantels, der den auferstehenden Christus majestätisch umfließt -- dort in der Kloster¬ zelle von San Marco -- aber sein frommes Kinder¬ herz! Welche Welt von Rührung! Wie keusch zusam¬ mengehalten !
Und dann, ich kann sagen, wahrhaft gute Stunden genieße ich in S. Maria Novella. Welch ein edel freier, heiterer Mensch ist dieser Domenico Ghirlandajo! Da geht's hinaus in die schöne, sonnige Welt. Und hinein in das Wärmeliche der Zustände menschlichen Behagens. Wie köstlich diese Kindsstuben, das Pflegen der Neugebornen, die Nachfragen der besuchenden schönen Frauen und Mädchen, die wohnlichen Räume! Und wieder, welche Würde der Gestaltung schon, welche ernste Ruhe und adelige Bewegtheit!
die holde Unreife, die liebenswürdige Armuth des Nochnichtkönnens! Sie hilft ja, den geſchloſſenen Kern der Innigkeit ſtreng bewahren, daß er in der ent¬ bundenen Form nicht verdunſte. Seit ich den Peru¬ gino in der Akademie zu Bologna geſehen, iſt mir das erſt recht aufgegangen. Nun hier weiter zurück der herrliche Fieſole! Auch in ihm iſt ſchon Zug zum Strecken, will da und dort die mündige Form ſchon ausſchlüpfen — welche große Bahnen in den Falten des weißen Mantels, der den auferſtehenden Chriſtus majeſtätiſch umfließt — dort in der Kloſter¬ zelle von San Marco — aber ſein frommes Kinder¬ herz! Welche Welt von Rührung! Wie keuſch zuſam¬ mengehalten !
Und dann, ich kann ſagen, wahrhaft gute Stunden genieße ich in S. Maria Novella. Welch ein edel freier, heiterer Menſch iſt dieſer Domenico Ghirlandajo! Da geht's hinaus in die ſchöne, ſonnige Welt. Und hinein in das Wärmeliche der Zuſtände menſchlichen Behagens. Wie köſtlich dieſe Kindsſtuben, das Pflegen der Neugebornen, die Nachfragen der beſuchenden ſchönen Frauen und Mädchen, die wohnlichen Räume! Und wieder, welche Würde der Geſtaltung ſchon, welche ernſte Ruhe und adelige Bewegtheit!
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die holde Unreife, die liebenswürdige Armuth des
Nochnichtkönnens! Sie hilft ja, den geſchloſſenen Kern
der Innigkeit ſtreng bewahren, daß er in der ent¬
bundenen Form nicht verdunſte. Seit ich den Peru¬
gino in der Akademie zu Bologna geſehen, iſt mir
das erſt recht aufgegangen. Nun hier weiter zurück
der herrliche Fieſole! Auch in ihm iſt ſchon Zug
zum Strecken, will da und dort die mündige Form
ſchon ausſchlüpfen — welche große Bahnen in den
Falten des weißen Mantels, der den auferſtehenden
Chriſtus majeſtätiſch umfließt — dort in der Kloſter¬
zelle von San Marco — aber ſein frommes Kinder¬
herz! Welche Welt von Rührung! Wie keuſch zuſam¬
mengehalten !
Und dann, ich kann ſagen, wahrhaft gute Stunden
genieße ich in S. Maria Novella. Welch ein edel
freier, heiterer Menſch iſt dieſer Domenico Ghirlandajo!
Da geht's hinaus in die ſchöne, ſonnige Welt. Und
hinein in das Wärmeliche der Zuſtände menſchlichen
Behagens. Wie köſtlich dieſe Kindsſtuben, das Pflegen
der Neugebornen, die Nachfragen der beſuchenden
ſchönen Frauen und Mädchen, die wohnlichen Räume!
Und wieder, welche Würde der Geſtaltung ſchon,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/268>, abgerufen am 27.11.2024.
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