Pitti. Madonna del Granduca. Nicht ganz, ihr Gesicht um einen Hauch schmäler, aber doch sie! O ja, sie, das ist sie! -- Solches Oval, solches Blicken, Neigen, Beugen -- nur Raphael, nur er, und er, als hätte er sie gesehen!
Der große Grabmalkünstler von San Lorenzo will mich nicht recht annehmen, stehe dort bald hingerissen, hoch getragen, bald geärgert. Zu dieser genialen Geister¬ tiefe der übertriebne Wurf und so viel widerwärtige Gedunsenheit. -- Rom abwarten. Dort laß dich auch von der Antike erst ganz erfüllen, o Seele! Und von Raphael's ganzer Herrlichkeit!
Oft, wenn ich oben stehe bei dem Kleinod alt¬ frommer Baukunst, bei San Mignato, und herunter¬ schaue auf Thal und Berge und Fluß und Stadt, und dann auch jenes Wunderbaren gedenke, dessen Schatten hier umschwebt, des Hölle, Himmel und Welt um¬ fassenden Dante, des Geistes, der einer weitgespannten, hochgewölbten Kuppel gleicht, und wenn ich dann denke, wie viel Wildes und Furchtbares doch auch an den Flächen dieser Kuppel wie mit Glut und Blut gemalt ist, dann entsinne ich mich auch, wie viel doch ge¬ wüthet und gemordet worden ist in dieser sanften,
Pitti. Madonna del Granduca. Nicht ganz, ihr Geſicht um einen Hauch ſchmäler, aber doch ſie! O ja, ſie, das iſt ſie! — Solches Oval, ſolches Blicken, Neigen, Beugen — nur Raphael, nur er, und er, als hätte er ſie geſehen!
Der große Grabmalkünſtler von San Lorenzo will mich nicht recht annehmen, ſtehe dort bald hingeriſſen, hoch getragen, bald geärgert. Zu dieſer genialen Geiſter¬ tiefe der übertriebne Wurf und ſo viel widerwärtige Gedunſenheit. — Rom abwarten. Dort laß dich auch von der Antike erſt ganz erfüllen, o Seele! Und von Raphael's ganzer Herrlichkeit!
Oft, wenn ich oben ſtehe bei dem Kleinod alt¬ frommer Baukunſt, bei San Mignato, und herunter¬ ſchaue auf Thal und Berge und Fluß und Stadt, und dann auch jenes Wunderbaren gedenke, deſſen Schatten hier umſchwebt, des Hölle, Himmel und Welt um¬ faſſenden Dante, des Geiſtes, der einer weitgeſpannten, hochgewölbten Kuppel gleicht, und wenn ich dann denke, wie viel Wildes und Furchtbares doch auch an den Flächen dieſer Kuppel wie mit Glut und Blut gemalt iſt, dann entſinne ich mich auch, wie viel doch ge¬ wüthet und gemordet worden iſt in dieſer ſanften,
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Pitti. Madonna del Granduca. Nicht ganz, ihr
Geſicht um einen Hauch ſchmäler, aber doch ſie! O
ja, ſie, das iſt ſie! — Solches Oval, ſolches Blicken,
Neigen, Beugen — nur Raphael, nur er, und er, als
hätte er ſie geſehen!
Der große Grabmalkünſtler von San Lorenzo will
mich nicht recht annehmen, ſtehe dort bald hingeriſſen,
hoch getragen, bald geärgert. Zu dieſer genialen Geiſter¬
tiefe der übertriebne Wurf und ſo viel widerwärtige
Gedunſenheit. — Rom abwarten. Dort laß dich
auch von der Antike erſt ganz erfüllen, o Seele! Und
von Raphael's ganzer Herrlichkeit!
Oft, wenn ich oben ſtehe bei dem Kleinod alt¬
frommer Baukunſt, bei San Mignato, und herunter¬
ſchaue auf Thal und Berge und Fluß und Stadt, und
dann auch jenes Wunderbaren gedenke, deſſen Schatten
hier umſchwebt, des Hölle, Himmel und Welt um¬
faſſenden Dante, des Geiſtes, der einer weitgeſpannten,
hochgewölbten Kuppel gleicht, und wenn ich dann denke,
wie viel Wildes und Furchtbares doch auch an den
Flächen dieſer Kuppel wie mit Glut und Blut gemalt
iſt, dann entſinne ich mich auch, wie viel doch ge¬
wüthet und gemordet worden iſt in dieſer ſanften,
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/269>, abgerufen am 27.11.2024.
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