hinaus zu Boden im reinsten, sinnenden Nichtwissen. Wie wollt ihr heutigen Nazarener diese holdselige Un¬ schuld zuwege bringen, welche träumend die königlichen Ehren nicht versteht und nicht, wie königlich sie doch selbst ist! Männerköpfe in ernste, wehmuthvoll be¬ glückte Andacht ganz versunken. Formen jetzt runder und voller. -- Und wie wenig fragt meine Rührung darnach, daß dieß Alles Märchen ist! Es ist dennoch wahr: Wenige wissen wie ich, warum --
Und nun zur Abwechslung Salvator Rosa in natura: Einkehr in ländlicher Osteria, Wirthschaft in der Küche, Spieß dreht auf dem Herd; ein Jäger in hohen Campagnagamaschen mit Hund sitzt beim Wein. Alle Wände geschwärzt und darüber der rothe Feuer¬ schein der Herdflamme. Hexenhafte Wirthin, höchst malerischer Schmutz ringsum. -- Dann hinaus, weiter, von Ochsen hinaufgezogen nach Perugia.
Perugia. Da bin ich. Durfte es ja wagen, sie ist ja nicht da! -- Ahnungsvolle alte Stadt, über Bergrücken kletterndes, durch Schluchten geschlungenes Labyrinth altergefurchter Häuser, Kirchen, Paläste, Klöster. Lucu¬ monensitz im grauen Alterthum. Dann Römerpomp, Thor des Augustus, Porta Marzia. Germanenzeit
hinaus zu Boden im reinſten, ſinnenden Nichtwiſſen. Wie wollt ihr heutigen Nazarener dieſe holdſelige Un¬ ſchuld zuwege bringen, welche träumend die königlichen Ehren nicht verſteht und nicht, wie königlich ſie doch ſelbſt iſt! Männerköpfe in ernſte, wehmuthvoll be¬ glückte Andacht ganz verſunken. Formen jetzt runder und voller. — Und wie wenig fragt meine Rührung darnach, daß dieß Alles Märchen iſt! Es iſt dennoch wahr: Wenige wiſſen wie ich, warum —
Und nun zur Abwechslung Salvator Roſa in natura: Einkehr in ländlicher Oſteria, Wirthſchaft in der Küche, Spieß dreht auf dem Herd; ein Jäger in hohen Campagnagamaſchen mit Hund ſitzt beim Wein. Alle Wände geſchwärzt und darüber der rothe Feuer¬ ſchein der Herdflamme. Hexenhafte Wirthin, höchſt maleriſcher Schmutz ringsum. — Dann hinaus, weiter, von Ochſen hinaufgezogen nach Perugia.
Perugia. Da bin ich. Durfte es ja wagen, ſie iſt ja nicht da! — Ahnungsvolle alte Stadt, über Bergrücken kletterndes, durch Schluchten geſchlungenes Labyrinth altergefurchter Häuſer, Kirchen, Paläſte, Klöſter. Lucu¬ monenſitz im grauen Alterthum. Dann Römerpomp, Thor des Auguſtus, Porta Marzia. Germanenzeit
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hinaus zu Boden im reinſten, ſinnenden Nichtwiſſen.
Wie wollt ihr heutigen Nazarener dieſe holdſelige Un¬
ſchuld zuwege bringen, welche träumend die königlichen
Ehren nicht verſteht und nicht, wie königlich ſie doch
ſelbſt iſt! Männerköpfe in ernſte, wehmuthvoll be¬
glückte Andacht ganz verſunken. Formen jetzt runder
und voller. — Und wie wenig fragt meine Rührung
darnach, daß dieß Alles Märchen iſt! Es iſt dennoch
wahr: Wenige wiſſen wie ich, warum —
Und nun zur Abwechslung Salvator Roſa in
natura: Einkehr in ländlicher Oſteria, Wirthſchaft in
der Küche, Spieß dreht auf dem Herd; ein Jäger in
hohen Campagnagamaſchen mit Hund ſitzt beim Wein.
Alle Wände geſchwärzt und darüber der rothe Feuer¬
ſchein der Herdflamme. Hexenhafte Wirthin, höchſt
maleriſcher Schmutz ringsum. — Dann hinaus, weiter,
von Ochſen hinaufgezogen nach Perugia.
Perugia. Da bin ich. Durfte es ja wagen, ſie iſt
ja nicht da! — Ahnungsvolle alte Stadt, über Bergrücken
kletterndes, durch Schluchten geſchlungenes Labyrinth
altergefurchter Häuſer, Kirchen, Paläſte, Klöſter. Lucu¬
monenſitz im grauen Alterthum. Dann Römerpomp,
Thor des Auguſtus, Porta Marzia. Germanenzeit
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/273>, abgerufen am 26.11.2024.
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