denn ich ertappte mich auf bösem Gewissen. Werden mich schön verketzern, denoncie, nicht secrete, sondern publiche in die Zeitungsrachen stecken, wenn der Reise¬ kumpan sich einst entschließt, meine Pfahldorfgeschichte in Druck zu geben, und wenn sie das Kinderbehör am Fest, die Katechisation lesen. Und ist doch sehr harmlos. Ich muß die Religion der Pfahlbewohner exponiren -- die übrigens nicht närrischer ist, als manche alte Naturreligion --, nun, das darf ich doch nicht in eigener Person, nicht direkt thun, muß doch als Poet verfahren, da fällt mir das Motiv ein, es so in Szene zu setzen. Wüßte durchaus nichts Anderes. -- An sich habe ich, als ich zu Hause für diesen Zweck das Konfirmationsbüchlein wieder einmal zur Hand nahm, zweierlei gefühlt. Ganze Klumpen von logischen Widersprüchen, die den Kindern, sobald sie zu Verstand kommen, in die Augen stechen müssen, so daß sich ihr Kopf heftig gegen das Ganze sträuben wird, daß sie dann nicht mir herauswachsen, sondern in Widerwillen das Kind mit dem Bad ausschütten werden. Zugleich aber gewisser ehrlicher, guter Herz¬ ton, rührend; man sieht, wie felsenfest diese Theologen an die ganze Mischung von Sinn und Unsinn glaubten. Wären wir Neueren so herzfest in der wahren, der reinen Religion!
Halt, ein Gedanke! Ueber dem: Qui si denunzia!
denn ich ertappte mich auf böſem Gewiſſen. Werden mich ſchön verketzern, denoncie, nicht secrete, ſondern publiche in die Zeitungsrachen ſtecken, wenn der Reiſe¬ kumpan ſich einſt entſchließt, meine Pfahldorfgeſchichte in Druck zu geben, und wenn ſie das Kinderbehör am Feſt, die Katechiſation leſen. Und iſt doch ſehr harmlos. Ich muß die Religion der Pfahlbewohner exponiren — die übrigens nicht närriſcher iſt, als manche alte Naturreligion —, nun, das darf ich doch nicht in eigener Perſon, nicht direkt thun, muß doch als Poet verfahren, da fällt mir das Motiv ein, es ſo in Szene zu ſetzen. Wüßte durchaus nichts Anderes. — An ſich habe ich, als ich zu Hauſe für dieſen Zweck das Konfirmationsbüchlein wieder einmal zur Hand nahm, zweierlei gefühlt. Ganze Klumpen von logiſchen Widerſprüchen, die den Kindern, ſobald ſie zu Verſtand kommen, in die Augen ſtechen müſſen, ſo daß ſich ihr Kopf heftig gegen das Ganze ſträuben wird, daß ſie dann nicht mir herauswachſen, ſondern in Widerwillen das Kind mit dem Bad ausſchütten werden. Zugleich aber gewiſſer ehrlicher, guter Herz¬ ton, rührend; man ſieht, wie felſenfeſt dieſe Theologen an die ganze Miſchung von Sinn und Unſinn glaubten. Wären wir Neueren ſo herzfeſt in der wahren, der reinen Religion!
Halt, ein Gedanke! Ueber dem: Qui si denunzia!
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denn ich ertappte mich auf böſem Gewiſſen. Werden
mich ſchön verketzern, denoncie, nicht secrete, ſondern
publiche in die Zeitungsrachen ſtecken, wenn der Reiſe¬
kumpan ſich einſt entſchließt, meine Pfahldorfgeſchichte
in Druck zu geben, und wenn ſie das Kinderbehör
am Feſt, die Katechiſation leſen. Und iſt doch ſehr
harmlos. Ich muß die Religion der Pfahlbewohner
exponiren — die übrigens nicht närriſcher iſt, als
manche alte Naturreligion —, nun, das darf ich doch
nicht in eigener Perſon, nicht direkt thun, muß doch
als Poet verfahren, da fällt mir das Motiv ein, es
ſo in Szene zu ſetzen. Wüßte durchaus nichts Anderes.
— An ſich habe ich, als ich zu Hauſe für dieſen
Zweck das Konfirmationsbüchlein wieder einmal zur
Hand nahm, zweierlei gefühlt. Ganze Klumpen von
logiſchen Widerſprüchen, die den Kindern, ſobald ſie
zu Verſtand kommen, in die Augen ſtechen müſſen, ſo
daß ſich ihr Kopf heftig gegen das Ganze ſträuben
wird, daß ſie dann nicht mir herauswachſen, ſondern
in Widerwillen das Kind mit dem Bad ausſchütten
werden. Zugleich aber gewiſſer ehrlicher, guter Herz¬
ton, rührend; man ſieht, wie felſenfeſt dieſe Theologen
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/348>, abgerufen am 22.11.2024.
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