uns am wohlsten thut, sofern es nur unleugbaren Verstandesgesetzen nicht widerspricht. Dabei ist nur vorher auszumachen, was wahrhaft wohl thut. Dieß kann ausgemacht werden, denn es ist aus dem Wesen der menschlichen Seele und aus dem richtigen Begriffe der Zeit zu beweisen, daß wahrhaft wohl nur ein gutes Gewissen thut, das man sich erwirbt durch treue Arbeit im Dienste der unzeitlichen Güter. Nun werden wir in dieser Arbeit unendlich bestärkt durch die An¬ nahme, es walte ein unbedingtes Etwas, das aus streng logischen Gründen nicht Person sein kann, das dennoch eine Ordnung erwirke und baue in dem ver¬ worrenen Wesen, Welt genannt, und zwar auf dem Unterbau der (auf diesem Auge) blinden Natur und des blinden Zufalls einen Oberbau, worin sich durch immer neue Thätigkeit unzähliger Menschen die Sitte, das Gute, der Staat, die Wissenschaft, die Kunst her¬ stellt. Indem nun diese Annahme uns in der Er¬ werbung eines guten Gewissens unterstützt, so kommt dieses unser Wohlbefinden zugleich Andern zu gut und das ist Grund genug, zu glauben, was wir nie be¬ weisen können.
Was ich mir immer und immer wieder vom Werthe der Arbeit vorsage, darin bin ich aber gar kein Phili¬ ster. Gestern Abend kam ein Kauz in die Restauration,
uns am wohlſten thut, ſofern es nur unleugbaren Verſtandesgeſetzen nicht widerſpricht. Dabei iſt nur vorher auszumachen, was wahrhaft wohl thut. Dieß kann ausgemacht werden, denn es iſt aus dem Weſen der menſchlichen Seele und aus dem richtigen Begriffe der Zeit zu beweiſen, daß wahrhaft wohl nur ein gutes Gewiſſen thut, das man ſich erwirbt durch treue Arbeit im Dienſte der unzeitlichen Güter. Nun werden wir in dieſer Arbeit unendlich beſtärkt durch die An¬ nahme, es walte ein unbedingtes Etwas, das aus ſtreng logiſchen Gründen nicht Perſon ſein kann, das dennoch eine Ordnung erwirke und baue in dem ver¬ worrenen Weſen, Welt genannt, und zwar auf dem Unterbau der (auf dieſem Auge) blinden Natur und des blinden Zufalls einen Oberbau, worin ſich durch immer neue Thätigkeit unzähliger Menſchen die Sitte, das Gute, der Staat, die Wiſſenſchaft, die Kunſt her¬ ſtellt. Indem nun dieſe Annahme uns in der Er¬ werbung eines guten Gewiſſens unterſtützt, ſo kommt dieſes unſer Wohlbefinden zugleich Andern zu gut und das iſt Grund genug, zu glauben, was wir nie be¬ weiſen können.
Was ich mir immer und immer wieder vom Werthe der Arbeit vorſage, darin bin ich aber gar kein Phili¬ ſter. Geſtern Abend kam ein Kauz in die Reſtauration,
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uns am wohlſten thut, ſofern es nur unleugbaren
Verſtandesgeſetzen nicht widerſpricht. Dabei iſt nur
vorher auszumachen, was wahrhaft wohl thut. Dieß
kann ausgemacht werden, denn es iſt aus dem Weſen
der menſchlichen Seele und aus dem richtigen Begriffe
der Zeit zu beweiſen, daß wahrhaft wohl nur ein
gutes Gewiſſen thut, das man ſich erwirbt durch treue
Arbeit im Dienſte der unzeitlichen Güter. Nun werden
wir in dieſer Arbeit unendlich beſtärkt durch die An¬
nahme, es walte ein unbedingtes Etwas, das aus
ſtreng logiſchen Gründen nicht Perſon ſein kann, das
dennoch eine Ordnung erwirke und baue in dem ver¬
worrenen Weſen, Welt genannt, und zwar auf dem
Unterbau der (auf dieſem Auge) blinden Natur und
des blinden Zufalls einen Oberbau, worin ſich durch
immer neue Thätigkeit unzähliger Menſchen die Sitte,
das Gute, der Staat, die Wiſſenſchaft, die Kunſt her¬
ſtellt. Indem nun dieſe Annahme uns in der Er¬
werbung eines guten Gewiſſens unterſtützt, ſo kommt
dieſes unſer Wohlbefinden zugleich Andern zu gut und
das iſt Grund genug, zu glauben, was wir nie be¬
weiſen können.
Was ich mir immer und immer wieder vom Werthe
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/371>, abgerufen am 22.11.2024.
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