wendig, so müssen Die, welche ihn strafen, auch. Sie strafen ihn, weil sie ihn für zurechnungsfähig, für schuldig halten, und da sie ihn strafen müssen, so ist es so gut, wie wenn er es wäre. Geschieht Heilsames, so freuen sich die guten Menschen und lohnen es, -- nicht alle, doch viele, -- als ob es Verdienst wäre. Sie müssen und der Mann, der sich verdient gemacht, hat auch gemußt. Aber da beide müssen, so ist es ebenso gut, wie wenn beide frei handelten. Und so kann ich ganz getrost nach den gewöhnlichen Begriffen von Freiheit des Willens leben, befehlen, strafen, loben, lohnen, und thut die Menschheit recht, sich an dieselben zu halten; denn da, wenn Nothwendigkeit waltet, nicht das Eine nothwendig ist, das Andere nicht, sondern sowohl die Gegenwirkung als die Wirkung, so bleibt gut gut und schlecht schlecht.
Nur gegen Den soll man nachsichtig sein, der Schnuppen oder gar Grippe hat, das ist etwas An¬ deres, da hört die Freiheit in jedem Sinn auf.
Nennt mich neulich ein junger Fant liebenswürdig. Dieser, Männern gegenüber von Männern gebraucht, un¬ verschämte Ausdruck kommt immer mehr auf. Ich habe dem naseweißen Geck gesagt: Danke, bin nicht liebens¬ würdig, bin zufrieden, wenn man Respekt vor mir hat.
wendig, ſo müſſen Die, welche ihn ſtrafen, auch. Sie ſtrafen ihn, weil ſie ihn für zurechnungsfähig, für ſchuldig halten, und da ſie ihn ſtrafen müſſen, ſo iſt es ſo gut, wie wenn er es wäre. Geſchieht Heilſames, ſo freuen ſich die guten Menſchen und lohnen es, — nicht alle, doch viele, — als ob es Verdienſt wäre. Sie müſſen und der Mann, der ſich verdient gemacht, hat auch gemußt. Aber da beide müſſen, ſo iſt es ebenſo gut, wie wenn beide frei handelten. Und ſo kann ich ganz getroſt nach den gewöhnlichen Begriffen von Freiheit des Willens leben, befehlen, ſtrafen, loben, lohnen, und thut die Menſchheit recht, ſich an dieſelben zu halten; denn da, wenn Nothwendigkeit waltet, nicht das Eine nothwendig iſt, das Andere nicht, ſondern ſowohl die Gegenwirkung als die Wirkung, ſo bleibt gut gut und ſchlecht ſchlecht.
Nur gegen Den ſoll man nachſichtig ſein, der Schnuppen oder gar Grippe hat, das iſt etwas An¬ deres, da hört die Freiheit in jedem Sinn auf.
Nennt mich neulich ein junger Fant liebenswürdig. Dieſer, Männern gegenüber von Männern gebraucht, un¬ verſchämte Ausdruck kommt immer mehr auf. Ich habe dem naſeweißen Geck geſagt: Danke, bin nicht liebens¬ würdig, bin zufrieden, wenn man Reſpekt vor mir hat.
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wendig, ſo müſſen Die, welche ihn ſtrafen, auch. Sie
ſtrafen ihn, weil ſie ihn für zurechnungsfähig, für
ſchuldig halten, und da ſie ihn ſtrafen müſſen, ſo iſt
es ſo gut, wie wenn er es wäre. Geſchieht Heilſames,
ſo freuen ſich die guten Menſchen und lohnen es, —
nicht alle, doch viele, — als ob es Verdienſt wäre.
Sie müſſen und der Mann, der ſich verdient gemacht,
hat auch gemußt. Aber da beide müſſen, ſo iſt es
ebenſo gut, wie wenn beide frei handelten. Und ſo
kann ich ganz getroſt nach den gewöhnlichen Begriffen
von Freiheit des Willens leben, befehlen, ſtrafen, loben,
lohnen, und thut die Menſchheit recht, ſich an dieſelben
zu halten; denn da, wenn Nothwendigkeit waltet, nicht
das Eine nothwendig iſt, das Andere nicht, ſondern
ſowohl die Gegenwirkung als die Wirkung, ſo bleibt
gut gut und ſchlecht ſchlecht.
Nur gegen Den ſoll man nachſichtig ſein, der
Schnuppen oder gar Grippe hat, das iſt etwas An¬
deres, da hört die Freiheit in jedem Sinn auf.
Nennt mich neulich ein junger Fant liebenswürdig.
Dieſer, Männern gegenüber von Männern gebraucht, un¬
verſchämte Ausdruck kommt immer mehr auf. Ich habe
dem naſeweißen Geck geſagt: Danke, bin nicht liebens¬
würdig, bin zufrieden, wenn man Reſpekt vor mir hat.
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/379>, abgerufen am 22.11.2024.
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