Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879.Laut reget sich ein Knabenschwarm, Zu zweien manche, Arm in Arm, Mit hellem Aug' und rosenrothen Wangen Dort aus dem Kloster kommen sie gegangen. O Duft, o Kelch der Blüthezeit! Der Jugend süße Trunkenheit! Die Liebe weint, der holde Muthwill sprühet, Die Seele singt, der goldne Himmel glühet. Wo sind sie hin? Zersprengt, verweht, Wie Gras des Feldes hingemäht! Nur wenige Greise sind noch übrig blieben, Zu zählen, wer noch lebt von all' den Lieben. Du dort in der gedrängten Schaar, Du mit dem dunklen Lockenhaar, Dich kenn' ich näher, munterer Geselle, Ja, du bist ich auf meiner Jugend Schwelle. Wie lachte ich das Leben an! Wie sprang ich jauchzend in die Bahn! Wie arglos wohnte neben wilden Scherzen Gesunder Ernst im frischen, schlichten Herzen! Fern leuchtet Rom und Griechenland Durch die getheilte Nebelwand, Von Plato's Silberfittigen gehoben Schwebt fromm und stolz der junge Geist nach oben. Wie Licht so hell, wie Schnee so rein,
Gelobt' ich, soll mein Leben sein! Was wußt' ich von des Weltgangs irren Pfaden! -- Da bin ich nun, und bin so schuldbeladen. Laut reget ſich ein Knabenſchwarm, Zu zweien manche, Arm in Arm, Mit hellem Aug' und roſenrothen Wangen Dort aus dem Kloſter kommen ſie gegangen. O Duft, o Kelch der Blüthezeit! Der Jugend ſüße Trunkenheit! Die Liebe weint, der holde Muthwill ſprühet, Die Seele ſingt, der goldne Himmel glühet. Wo ſind ſie hin? Zerſprengt, verweht, Wie Gras des Feldes hingemäht! Nur wenige Greiſe ſind noch übrig blieben, Zu zählen, wer noch lebt von all' den Lieben. Du dort in der gedrängten Schaar, Du mit dem dunklen Lockenhaar, Dich kenn' ich näher, munterer Geſelle, Ja, du biſt ich auf meiner Jugend Schwelle. Wie lachte ich das Leben an! Wie ſprang ich jauchzend in die Bahn! Wie arglos wohnte neben wilden Scherzen Geſunder Ernſt im friſchen, ſchlichten Herzen! Fern leuchtet Rom und Griechenland Durch die getheilte Nebelwand, Von Plato's Silberfittigen gehoben Schwebt fromm und ſtolz der junge Geiſt nach oben. Wie Licht ſo hell, wie Schnee ſo rein,
Gelobt' ich, ſoll mein Leben ſein! Was wußt' ich von des Weltgangs irren Pfaden! — Da bin ich nun, und bin ſo ſchuldbeladen. <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0395" n="382"/> <lg n="5"> <l>Laut reget ſich ein Knabenſchwarm,</l><lb/> <l>Zu zweien manche, Arm in Arm,</l><lb/> <l>Mit hellem Aug' und roſenrothen Wangen</l><lb/> <l>Dort aus dem Kloſter kommen ſie gegangen.</l><lb/> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>O Duft, o Kelch der Blüthezeit!</l><lb/> <l>Der Jugend ſüße Trunkenheit!</l><lb/> <l>Die Liebe weint, der holde Muthwill ſprühet,</l><lb/> <l>Die Seele ſingt, der goldne Himmel glühet.</l><lb/> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Wo ſind ſie hin? Zerſprengt, verweht,</l><lb/> <l>Wie Gras des Feldes hingemäht!</l><lb/> <l>Nur wenige Greiſe ſind noch übrig blieben,</l><lb/> <l>Zu zählen, wer noch lebt von all' den Lieben.</l><lb/> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Du dort in der gedrängten Schaar,</l><lb/> <l>Du mit dem dunklen Lockenhaar,</l><lb/> <l>Dich kenn' ich näher, munterer Geſelle,</l><lb/> <l>Ja, du biſt ich auf meiner Jugend Schwelle.</l><lb/> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Wie lachte ich das Leben an!</l><lb/> <l>Wie ſprang ich jauchzend in die Bahn!</l><lb/> <l>Wie arglos wohnte neben wilden Scherzen</l><lb/> <l>Geſunder Ernſt im friſchen, ſchlichten Herzen!</l><lb/> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Fern leuchtet Rom und Griechenland</l><lb/> <l>Durch die getheilte Nebelwand,</l><lb/> <l>Von Plato's Silberfittigen gehoben</l><lb/> <l>Schwebt fromm und ſtolz der junge Geiſt nach oben.</l><lb/> </lg><lb/> <lg n="11"> <l>Wie Licht ſo hell, wie Schnee ſo rein,</l><lb/> <l>Gelobt' ich, ſoll mein Leben ſein!</l><lb/> <l>Was wußt' ich von des Weltgangs irren Pfaden! —</l><lb/> <l>Da bin ich nun, und bin ſo ſchuldbeladen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [382/0395]
Laut reget ſich ein Knabenſchwarm,
Zu zweien manche, Arm in Arm,
Mit hellem Aug' und roſenrothen Wangen
Dort aus dem Kloſter kommen ſie gegangen.
O Duft, o Kelch der Blüthezeit!
Der Jugend ſüße Trunkenheit!
Die Liebe weint, der holde Muthwill ſprühet,
Die Seele ſingt, der goldne Himmel glühet.
Wo ſind ſie hin? Zerſprengt, verweht,
Wie Gras des Feldes hingemäht!
Nur wenige Greiſe ſind noch übrig blieben,
Zu zählen, wer noch lebt von all' den Lieben.
Du dort in der gedrängten Schaar,
Du mit dem dunklen Lockenhaar,
Dich kenn' ich näher, munterer Geſelle,
Ja, du biſt ich auf meiner Jugend Schwelle.
Wie lachte ich das Leben an!
Wie ſprang ich jauchzend in die Bahn!
Wie arglos wohnte neben wilden Scherzen
Geſunder Ernſt im friſchen, ſchlichten Herzen!
Fern leuchtet Rom und Griechenland
Durch die getheilte Nebelwand,
Von Plato's Silberfittigen gehoben
Schwebt fromm und ſtolz der junge Geiſt nach oben.
Wie Licht ſo hell, wie Schnee ſo rein,
Gelobt' ich, ſoll mein Leben ſein!
Was wußt' ich von des Weltgangs irren Pfaden! —
Da bin ich nun, und bin ſo ſchuldbeladen.
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