heit und wohlbeherrschten, befehlenden Zornes. Der Mann war nun aber doch wenig beliebt bei der Re¬ gierung. Man kannte seine Mücken, die ich Ihnen nicht zu nennen brauche; man war zur Nachsicht ge¬ neigt, obwohl es dabei nicht ohne Ausschreitungen ab¬ lief, die am allerwenigsten bei einem Polizeibeamten vorkommen sollten. Da muß ich Ihnen doch einen einzelnen Fall erzählen. Die ,Exekutionen', die er an ,strafwürdigen Objekten' vorzunehmen liebte, sind Ihnen vielleicht bekannt."
"Ja, ziemlich," sagte ich kleinlaut.
"Sie galten gewöhnlich nur leblosen Gegenständen. Einmal aber hatte ihn ein Hund durch wiederholten Ungehorsam erzürnt. Er war sonst nur zu gut gegen Thiere, aber wo es Disziplin galt, verstand er auch da keinen Spaß und konnte sehr hart sein. In seinem Grimm packt er den Hund und schleudert ihn aus dem Fenster. Der Unstern will es, daß das Thier einem Menschen an den Kopf fliegt und ihn zu Boden wirft. Der Mensch war zufällig ein Ministerialrath und Abtheilungschef im Ministerium des Innern. Mit großer Mühe wurde der schlimme Fall ausgeglichen; der Herr hatte eigentlich auf Realinjurie klagen wollen ,wegen Werfung eines Hunds an den Kopf'. Man sah durch die Finger, weil der Thäter im Uebrigen ein so verdienter Beamter war. Auch bei einigen starken Ver¬ stößen in Kanzleirechnungen kam er mit leichter Rüge
heit und wohlbeherrſchten, befehlenden Zornes. Der Mann war nun aber doch wenig beliebt bei der Re¬ gierung. Man kannte ſeine Mücken, die ich Ihnen nicht zu nennen brauche; man war zur Nachſicht ge¬ neigt, obwohl es dabei nicht ohne Ausſchreitungen ab¬ lief, die am allerwenigſten bei einem Polizeibeamten vorkommen ſollten. Da muß ich Ihnen doch einen einzelnen Fall erzählen. Die ‚Exekutionen‘, die er an ‚ſtrafwürdigen Objekten‘ vorzunehmen liebte, ſind Ihnen vielleicht bekannt.“
„Ja, ziemlich,“ ſagte ich kleinlaut.
„Sie galten gewöhnlich nur lebloſen Gegenſtänden. Einmal aber hatte ihn ein Hund durch wiederholten Ungehorſam erzürnt. Er war ſonſt nur zu gut gegen Thiere, aber wo es Disziplin galt, verſtand er auch da keinen Spaß und konnte ſehr hart ſein. In ſeinem Grimm packt er den Hund und ſchleudert ihn aus dem Fenſter. Der Unſtern will es, daß das Thier einem Menſchen an den Kopf fliegt und ihn zu Boden wirft. Der Menſch war zufällig ein Miniſterialrath und Abtheilungschef im Miniſterium des Innern. Mit großer Mühe wurde der ſchlimme Fall ausgeglichen; der Herr hatte eigentlich auf Realinjurie klagen wollen ‚wegen Werfung eines Hunds an den Kopf‘. Man ſah durch die Finger, weil der Thäter im Uebrigen ein ſo verdienter Beamter war. Auch bei einigen ſtarken Ver¬ ſtößen in Kanzleirechnungen kam er mit leichter Rüge
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heit und wohlbeherrſchten, befehlenden Zornes. Der
Mann war nun aber doch wenig beliebt bei der Re¬
gierung. Man kannte ſeine Mücken, die ich Ihnen
nicht zu nennen brauche; man war zur Nachſicht ge¬
neigt, obwohl es dabei nicht ohne Ausſchreitungen ab¬
lief, die am allerwenigſten bei einem Polizeibeamten
vorkommen ſollten. Da muß ich Ihnen doch einen
einzelnen Fall erzählen. Die ‚Exekutionen‘, die er an
‚ſtrafwürdigen Objekten‘ vorzunehmen liebte, ſind Ihnen
vielleicht bekannt.“
„Ja, ziemlich,“ ſagte ich kleinlaut.
„Sie galten gewöhnlich nur lebloſen Gegenſtänden.
Einmal aber hatte ihn ein Hund durch wiederholten
Ungehorſam erzürnt. Er war ſonſt nur zu gut gegen
Thiere, aber wo es Disziplin galt, verſtand er auch da
keinen Spaß und konnte ſehr hart ſein. In ſeinem
Grimm packt er den Hund und ſchleudert ihn aus
dem Fenſter. Der Unſtern will es, daß das Thier einem
Menſchen an den Kopf fliegt und ihn zu Boden wirft.
Der Menſch war zufällig ein Miniſterialrath und
Abtheilungschef im Miniſterium des Innern. Mit
großer Mühe wurde der ſchlimme Fall ausgeglichen;
der Herr hatte eigentlich auf Realinjurie klagen wollen
‚wegen Werfung eines Hunds an den Kopf‘. Man ſah
durch die Finger, weil der Thäter im Uebrigen ein ſo
verdienter Beamter war. Auch bei einigen ſtarken Ver¬
ſtößen in Kanzleirechnungen kam er mit leichter Rüge
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/42>, abgerufen am 23.11.2024.
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