davon. Uebler vermerkte man allerdings, daß er zu Hause Philosophie, Literatur- und Kunststudien trieb, man roch hinter denselben politische Ketzerei. Und hier lag nun ein bedenklicher Punkt; er war politisch eben gar nicht so ganz korrekt. Er war von der Freiheits¬ bewegung der Jahre von 1848 nicht berauscht worden, aber zu sehr ein Mann des Rechtes, um die Stumpf¬ heit, Rohheit und Heuchelei, die nach ihrem Nieder¬ gang an's Ruder kam, nicht von Herzen zu verab¬ scheuen und offen zu verdammen. Sie kennen die Jahre der schnöden Reaktion, Sie wissen, wie Schleswig- Holstein preisgegeben wurde, Sie werden sich vorstellen, wie das dem Kämpfer von Bau in die Seele schnitt; nun kam die Wiederaufrichtung des Bundestags, kamen die Reden vom christlichen Staat, die Bündnisse zwischen der Gewalt und ihrer vermeintlichen Stütze, der Hier¬ archie, die Konkordate, kam die Begrüßung Napo¬ leon's III. als Retters der Gesellschaft. Ich verfolge nicht die weiteren Ereignisse in der politischen Welt bis in den Anfang der sechziger Jahre, denn es war eine Frage der innern Gesetzgebung, welche zu dieser Zeit die Katastrophe im Schicksal Einhart's herbei¬ führte. Es begab sich das Wunder, daß ein Beamter, und gar ein durch seine Strenge bekannter Polizei¬ beamter, vom hiesigen Wahlkreis in die Kammer ge¬ wählt wurde. Es war dieß sonderbarerweise ebenso sehr das Werk von Umtrieben der Regierung, als von
davon. Uebler vermerkte man allerdings, daß er zu Hauſe Philoſophie, Literatur- und Kunſtſtudien trieb, man roch hinter denſelben politiſche Ketzerei. Und hier lag nun ein bedenklicher Punkt; er war politiſch eben gar nicht ſo ganz korrekt. Er war von der Freiheits¬ bewegung der Jahre von 1848 nicht berauſcht worden, aber zu ſehr ein Mann des Rechtes, um die Stumpf¬ heit, Rohheit und Heuchelei, die nach ihrem Nieder¬ gang an's Ruder kam, nicht von Herzen zu verab¬ ſcheuen und offen zu verdammen. Sie kennen die Jahre der ſchnöden Reaktion, Sie wiſſen, wie Schleswig- Holſtein preisgegeben wurde, Sie werden ſich vorſtellen, wie das dem Kämpfer von Bau in die Seele ſchnitt; nun kam die Wiederaufrichtung des Bundestags, kamen die Reden vom chriſtlichen Staat, die Bündniſſe zwiſchen der Gewalt und ihrer vermeintlichen Stütze, der Hier¬ archie, die Konkordate, kam die Begrüßung Napo¬ leon’s III. als Retters der Geſellſchaft. Ich verfolge nicht die weiteren Ereigniſſe in der politiſchen Welt bis in den Anfang der ſechziger Jahre, denn es war eine Frage der innern Geſetzgebung, welche zu dieſer Zeit die Kataſtrophe im Schickſal Einhart's herbei¬ führte. Es begab ſich das Wunder, daß ein Beamter, und gar ein durch ſeine Strenge bekannter Polizei¬ beamter, vom hieſigen Wahlkreis in die Kammer ge¬ wählt wurde. Es war dieß ſonderbarerweiſe ebenſo ſehr das Werk von Umtrieben der Regierung, als von
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davon. Uebler vermerkte man allerdings, daß er zu
Hauſe Philoſophie, Literatur- und Kunſtſtudien trieb,
man roch hinter denſelben politiſche Ketzerei. Und hier
lag nun ein bedenklicher Punkt; er war politiſch eben
gar nicht ſo ganz korrekt. Er war von der Freiheits¬
bewegung der Jahre von 1848 nicht berauſcht worden,
aber zu ſehr ein Mann des Rechtes, um die Stumpf¬
heit, Rohheit und Heuchelei, die nach ihrem Nieder¬
gang an's Ruder kam, nicht von Herzen zu verab¬
ſcheuen und offen zu verdammen. Sie kennen die
Jahre der ſchnöden Reaktion, Sie wiſſen, wie Schleswig-
Holſtein preisgegeben wurde, Sie werden ſich vorſtellen,
wie das dem Kämpfer von Bau in die Seele ſchnitt;
nun kam die Wiederaufrichtung des Bundestags, kamen
die Reden vom chriſtlichen Staat, die Bündniſſe zwiſchen
der Gewalt und ihrer vermeintlichen Stütze, der Hier¬
archie, die Konkordate, kam die Begrüßung Napo¬
leon’s III. als Retters der Geſellſchaft. Ich verfolge
nicht die weiteren Ereigniſſe in der politiſchen Welt
bis in den Anfang der ſechziger Jahre, denn es war
eine Frage der innern Geſetzgebung, welche zu dieſer
Zeit die Kataſtrophe im Schickſal Einhart's herbei¬
führte. Es begab ſich das Wunder, daß ein Beamter,
und gar ein durch ſeine Strenge bekannter Polizei¬
beamter, vom hieſigen Wahlkreis in die Kammer ge¬
wählt wurde. Es war dieß ſonderbarerweiſe ebenſo
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/43>, abgerufen am 23.11.2024.
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