Agitationen der patriotisch Gesinnten in der liberalen Partei; jene, obwohl ihm sonst doch eben nicht hold, begünstigte in ihm den Mann der strengen Ordnung, diese den Mann des Rechts und noch mehr des deut¬ schen Einheitstrebens. Die Dinge in Schleswig-Holstein waren soeben wieder in Fluß gekommen, und man wußte, daß Einhart zu sagen pflegte, die deutsche Kaiserkrone liege dort im Küstensand begraben, müsse dort herausgehauen werden. Einhart nahm die un¬ gesuchte Wahl an und führte seinen Sturz herbei. Sie erinnern sich, daß damals viel von Wiederein¬ führung der Prügelstrafe die Rede war. Er stellte einen Antrag, der sich in den Vordersätzen nachdrücklich dagegen aussprach, weiterhin aber eine Ausnahme postu¬ lirte, und zwar gegen die Mishandlung von Thieren. In der Kammerrede, worin er den Antrag begründete, -- Sie müßten sie gehört haben wie ich! -- es war ein Feuerstrom und doch Alles wohlbedacht! so mag Demosthenes auf der Rednerbühne gesprüht und sonnen¬ hell gestrahlt haben -- im ersten Theil dieser Rede nahm er den Ruf der reaktionären Kreise nach Wieder¬ einführung der entehrenden Strafe zum Ausgangs¬ punkt, ein vernichtendes Bild jener kurzsichtigen Leiden¬ schaft zu entwerfen, welche damals die Regungen alles berechtigten Dranges der Nation nach einem würdigen politischen Dasein zerstampfte, welche sich nicht begnügte, die Propheten maßloser, centrifugaler Freiheit mit
Agitationen der patriotiſch Geſinnten in der liberalen Partei; jene, obwohl ihm ſonſt doch eben nicht hold, begünſtigte in ihm den Mann der ſtrengen Ordnung, dieſe den Mann des Rechts und noch mehr des deut¬ ſchen Einheitſtrebens. Die Dinge in Schleswig-Holſtein waren ſoeben wieder in Fluß gekommen, und man wußte, daß Einhart zu ſagen pflegte, die deutſche Kaiſerkrone liege dort im Küſtenſand begraben, müſſe dort herausgehauen werden. Einhart nahm die un¬ geſuchte Wahl an und führte ſeinen Sturz herbei. Sie erinnern ſich, daß damals viel von Wiederein¬ führung der Prügelſtrafe die Rede war. Er ſtellte einen Antrag, der ſich in den Vorderſätzen nachdrücklich dagegen ausſprach, weiterhin aber eine Ausnahme poſtu¬ lirte, und zwar gegen die Mishandlung von Thieren. In der Kammerrede, worin er den Antrag begründete, — Sie müßten ſie gehört haben wie ich! — es war ein Feuerſtrom und doch Alles wohlbedacht! ſo mag Demoſthenes auf der Rednerbühne geſprüht und ſonnen¬ hell geſtrahlt haben — im erſten Theil dieſer Rede nahm er den Ruf der reaktionären Kreiſe nach Wieder¬ einführung der entehrenden Strafe zum Ausgangs¬ punkt, ein vernichtendes Bild jener kurzſichtigen Leiden¬ ſchaft zu entwerfen, welche damals die Regungen alles berechtigten Dranges der Nation nach einem würdigen politiſchen Daſein zerſtampfte, welche ſich nicht begnügte, die Propheten maßloſer, centrifugaler Freiheit mit
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Agitationen der patriotiſch Geſinnten in der liberalen
Partei; jene, obwohl ihm ſonſt doch eben nicht hold,
begünſtigte in ihm den Mann der ſtrengen Ordnung,
dieſe den Mann des Rechts und noch mehr des deut¬
ſchen Einheitſtrebens. Die Dinge in Schleswig-Holſtein
waren ſoeben wieder in Fluß gekommen, und man
wußte, daß Einhart zu ſagen pflegte, die deutſche
Kaiſerkrone liege dort im Küſtenſand begraben, müſſe
dort herausgehauen werden. Einhart nahm die un¬
geſuchte Wahl an und führte ſeinen Sturz herbei.
Sie erinnern ſich, daß damals viel von Wiederein¬
führung der Prügelſtrafe die Rede war. Er ſtellte
einen Antrag, der ſich in den Vorderſätzen nachdrücklich
dagegen ausſprach, weiterhin aber eine Ausnahme poſtu¬
lirte, und zwar gegen die Mishandlung von Thieren.
In der Kammerrede, worin er den Antrag begründete,
— Sie müßten ſie gehört haben wie ich! — es war
ein Feuerſtrom und doch Alles wohlbedacht! ſo mag
Demoſthenes auf der Rednerbühne geſprüht und ſonnen¬
hell geſtrahlt haben — im erſten Theil dieſer Rede
nahm er den Ruf der reaktionären Kreiſe nach Wieder¬
einführung der entehrenden Strafe zum Ausgangs¬
punkt, ein vernichtendes Bild jener kurzſichtigen Leiden¬
ſchaft zu entwerfen, welche damals die Regungen alles
berechtigten Dranges der Nation nach einem würdigen
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/44>, abgerufen am 23.11.2024.
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