"Hier ruht nach --jährigem redlichem Kampfe gegen das Albert Einhart, weiland Vogt, fernerhin nur Mensch, geboren den 1. Juli 1815, gestorben den -- "
Ich ahnte dunkel, was die Lücke bedeuten mochte, aber wie hätte ich die Lösung wirklich finden können? Der Assessor kam zu Hülfe. "Diesen Grabstein," sagte er, "hat sich A. E. schon bald nach seiner Entlassung bestellt, damit er einst sein Grab schmücke. Es sollte heißen: ,Hier ruht nach (so und so viel) -jährigem redlichem Kampfe gegen das verfluchte Objekt u. s. w.' Aber der Tetem erfuhr es und erklärte, dieser Stein dürfe nie gesetzt werden; o, es gab schreckliche Händel!"
In mir tauchte es auf wie ein alter Traum. Die Axenstraße, dann der Gotthardpaß standen vor mir, ich sah die Felsengesichter wieder, hörte sie höhnen: "Tetem," ich sah mich mit meiner Reisetasche wieder laufen, hörte sie mit dem absurden Laute: "Tetem, Tetem" an meine Hüfte schlagen --
"Wie? Was? Tetem? Was ist das? Wer ist das?"
"Verzeihen Sie, mein Herr, Sie sprechen die zwei E unrichtig aus; es heißt --"
"Aber so sagen Sie mir doch --"
„Hier ruht nach —jährigem redlichem Kampfe gegen das Albert Einhart, weiland Vogt, fernerhin nur Menſch, geboren den 1. Juli 1815, geſtorben den — “
Ich ahnte dunkel, was die Lücke bedeuten mochte, aber wie hätte ich die Löſung wirklich finden können? Der Aſſeſſor kam zu Hülfe. „Dieſen Grabſtein,“ ſagte er, „hat ſich A. E. ſchon bald nach ſeiner Entlaſſung beſtellt, damit er einſt ſein Grab ſchmücke. Es ſollte heißen: ‚Hier ruht nach (ſo und ſo viel) -jährigem redlichem Kampfe gegen das verfluchte Objekt u. ſ. w.' Aber der Tetem erfuhr es und erklärte, dieſer Stein dürfe nie geſetzt werden; o, es gab ſchreckliche Händel!“
In mir tauchte es auf wie ein alter Traum. Die Axenſtraße, dann der Gotthardpaß ſtanden vor mir, ich ſah die Felſengeſichter wieder, hörte ſie höhnen: „Tetem,“ ich ſah mich mit meiner Reiſetaſche wieder laufen, hörte ſie mit dem abſurden Laute: „Tetem, Tetem“ an meine Hüfte ſchlagen —
„Wie? Was? Tetem? Was iſt das? Wer iſt das?“
„Verzeihen Sie, mein Herr, Sie ſprechen die zwei E unrichtig aus; es heißt —“
„Aber ſo ſagen Sie mir doch —“
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0049"n="36"/><hirendition="#c">„Hier ruht<lb/>
nach<lb/>—jährigem redlichem Kampfe<lb/>
gegen das<lb/><hirendition="#b">Albert Einhart, weiland Vogt, fernerhin nur Menſch,</hi><lb/>
geboren den 1. Juli 1815, geſtorben den —“</hi></p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Ich ahnte dunkel, was die Lücke bedeuten mochte,<lb/>
aber wie hätte ich die Löſung wirklich finden können?<lb/>
Der Aſſeſſor kam zu Hülfe. „Dieſen Grabſtein,“ſagte<lb/>
er, „hat ſich A. E. ſchon bald nach ſeiner Entlaſſung<lb/>
beſtellt, damit er einſt ſein Grab ſchmücke. Es ſollte<lb/>
heißen: ‚Hier ruht nach (ſo und ſo viel) -jährigem<lb/>
redlichem Kampfe gegen das verfluchte Objekt u. ſ. w.'<lb/>
Aber der Tetem erfuhr es und erklärte, dieſer Stein<lb/>
dürfe nie geſetzt werden; o, es gab ſchreckliche Händel!“</p><lb/><p>In mir tauchte es auf wie ein alter Traum.<lb/>
Die Axenſtraße, dann der Gotthardpaß ſtanden vor<lb/>
mir, ich ſah die Felſengeſichter wieder, hörte ſie höhnen:<lb/>„Tetem,“ ich ſah mich mit meiner Reiſetaſche wieder<lb/>
laufen, hörte ſie mit dem abſurden Laute: „Tetem,<lb/>
Tetem“ an meine Hüfte ſchlagen —</p><lb/><p>„Wie? Was? Tetem? Was iſt das? Wer iſt das?“</p><lb/><p>„Verzeihen Sie, mein Herr, Sie ſprechen die zwei<lb/>
E unrichtig aus; es heißt —“</p><lb/><p>„Aber ſo ſagen Sie mir doch —“<lb/></p></body></text></TEI>
[36/0049]
„Hier ruht
nach
—jährigem redlichem Kampfe
gegen das
Albert Einhart, weiland Vogt, fernerhin nur Menſch,
geboren den 1. Juli 1815, geſtorben den — “
Ich ahnte dunkel, was die Lücke bedeuten mochte,
aber wie hätte ich die Löſung wirklich finden können?
Der Aſſeſſor kam zu Hülfe. „Dieſen Grabſtein,“ ſagte
er, „hat ſich A. E. ſchon bald nach ſeiner Entlaſſung
beſtellt, damit er einſt ſein Grab ſchmücke. Es ſollte
heißen: ‚Hier ruht nach (ſo und ſo viel) -jährigem
redlichem Kampfe gegen das verfluchte Objekt u. ſ. w.'
Aber der Tetem erfuhr es und erklärte, dieſer Stein
dürfe nie geſetzt werden; o, es gab ſchreckliche Händel!“
In mir tauchte es auf wie ein alter Traum.
Die Axenſtraße, dann der Gotthardpaß ſtanden vor
mir, ich ſah die Felſengeſichter wieder, hörte ſie höhnen:
„Tetem,“ ich ſah mich mit meiner Reiſetaſche wieder
laufen, hörte ſie mit dem abſurden Laute: „Tetem,
Tetem“ an meine Hüfte ſchlagen —
„Wie? Was? Tetem? Was iſt das? Wer iſt das?“
„Verzeihen Sie, mein Herr, Sie ſprechen die zwei
E unrichtig aus; es heißt —“
„Aber ſo ſagen Sie mir doch —“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/49>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.