sein, irgend ein Unglück, ein Unstern, der Unglück wurde. Denn nach der Reise, wo er Sie kennen ge¬ lernt hat --"
"Eben auf der Reise ist solch ein Unstern vorge¬ kommen," fügte ich ein. Sie fragte gespannt und ich erzählte jetzt den Auftritt in Bürglen und was dann in der Gotthardschlucht Unheimliches, Erschütterndes dem närrischen Schlußakte in Göschenen vorangegangen. Es wäre kindisch gewesen, ihr das Unschickliche, was dort geschah und den plötzlichen Aufbruch veranlaßte, zu verschweigen oder mit einem erfundenen Surrogate zu vertuschen; die Frau hatte ja Salz.
Sie wurde sehr aufmerksam, lachte über das Komische jenes ersten Vorgangs nicht, schwieg nach¬ denklich und fragte dann, ob ich keine weitere Spur von der reisenden Familie entdeckt habe. Ich ver¬ neinte. "Er wird gemeint haben, sie meiden zu müssen," sagte sie, "ich muß da noch etwas anführen: daß er nach seiner Rückkehr damals bald wieder in Mißlaune und Trübsinn verfiel, dazu muß diese Folge des Vorfalls mitgewirkt haben. Im Anfang eines neuen heftigen Katarrhs hörte einmal der Bediente, der neben seinem Studierzimmer zu thun hatte, wie er nach wiederholtem starkem Niesen tief aufathmend schrie: ,Ach, gottlob, gott¬ lob! Hier verjagt mich's doch von Himmelsboten, der vielleicht -- Gelt, gutes, dummes Vieh (-- das konnte nur seinem Kater gelten, den er gern bei sich
ſein, irgend ein Unglück, ein Unſtern, der Unglück wurde. Denn nach der Reiſe, wo er Sie kennen ge¬ lernt hat —“
„Eben auf der Reiſe iſt ſolch ein Unſtern vorge¬ kommen,“ fügte ich ein. Sie fragte geſpannt und ich erzählte jetzt den Auftritt in Bürglen und was dann in der Gotthardſchlucht Unheimliches, Erſchütterndes dem närriſchen Schlußakte in Göſchenen vorangegangen. Es wäre kindiſch geweſen, ihr das Unſchickliche, was dort geſchah und den plötzlichen Aufbruch veranlaßte, zu verſchweigen oder mit einem erfundenen Surrogate zu vertuſchen; die Frau hatte ja Salz.
Sie wurde ſehr aufmerkſam, lachte über das Komiſche jenes erſten Vorgangs nicht, ſchwieg nach¬ denklich und fragte dann, ob ich keine weitere Spur von der reiſenden Familie entdeckt habe. Ich ver¬ neinte. „Er wird gemeint haben, ſie meiden zu müſſen,“ ſagte ſie, „ich muß da noch etwas anführen: daß er nach ſeiner Rückkehr damals bald wieder in Mißlaune und Trübſinn verfiel, dazu muß dieſe Folge des Vorfalls mitgewirkt haben. Im Anfang eines neuen heftigen Katarrhs hörte einmal der Bediente, der neben ſeinem Studierzimmer zu thun hatte, wie er nach wiederholtem ſtarkem Nieſen tief aufathmend ſchrie: ‚Ach, gottlob, gott¬ lob! Hier verjagt mich's doch von Himmelsboten, der vielleicht — Gelt, gutes, dummes Vieh (— das konnte nur ſeinem Kater gelten, den er gern bei ſich
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ſein, irgend ein Unglück, ein Unſtern, der Unglück
wurde. Denn nach der Reiſe, wo er Sie kennen ge¬
lernt hat —“
„Eben auf der Reiſe iſt ſolch ein Unſtern vorge¬
kommen,“ fügte ich ein. Sie fragte geſpannt und ich
erzählte jetzt den Auftritt in Bürglen und was dann
in der Gotthardſchlucht Unheimliches, Erſchütterndes
dem närriſchen Schlußakte in Göſchenen vorangegangen.
Es wäre kindiſch geweſen, ihr das Unſchickliche, was
dort geſchah und den plötzlichen Aufbruch veranlaßte,
zu verſchweigen oder mit einem erfundenen Surrogate
zu vertuſchen; die Frau hatte ja Salz.
Sie wurde ſehr aufmerkſam, lachte über das
Komiſche jenes erſten Vorgangs nicht, ſchwieg nach¬
denklich und fragte dann, ob ich keine weitere Spur
von der reiſenden Familie entdeckt habe. Ich ver¬
neinte. „Er wird gemeint haben, ſie meiden zu müſſen,“
ſagte ſie, „ich muß da noch etwas anführen: daß er
nach ſeiner Rückkehr damals bald wieder in Mißlaune
und Trübſinn verfiel, dazu muß dieſe Folge des Vorfalls
mitgewirkt haben. Im Anfang eines neuen heftigen
Katarrhs hörte einmal der Bediente, der neben ſeinem
Studierzimmer zu thun hatte, wie er nach wiederholtem
ſtarkem Nieſen tief aufathmend ſchrie: ‚Ach, gottlob, gott¬
lob! Hier verjagt mich's doch von Himmelsboten,
der vielleicht — Gelt, gutes, dummes Vieh (— das
konnte nur ſeinem Kater gelten, den er gern bei ſich
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/66>, abgerufen am 25.11.2024.
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