Hilario: "dann Mandelmilch, schnell!" -- Apotheker: "dieß gern!" holt den Kolben, stolpert über die junge Katze, der Kolben liegt zerschellt am Boden. Hilario rasend ab. Furienhafter, grell-gellender Verhöhnungs¬ chor der Scherben und der Katze. Trio mit der Jammer¬ stimme des Apothekers.
Hier brach das Fragment mit einem wilden Fahrstriche der Feder ab, die dann wie toll in kratzigen, borstigen Linien auf dem Papier umhergewüthet haben, hierauf etliche Male senkrecht aufgestaucht worden sein mußte; dieß be¬ wiesen starke, von Spritzaureolen umgebene Tintenkleckse.
Das pathologisch geschnellte Abbrechen war mir nicht gerade komisch, es gab an Anderes, wenn auch noch so Verschiedenes, zu denken.
Bei weiterem Durchstöbern stieß ich auf eine Schichte gedruckter Blätter, auf deren Rand ich Anmerkungen mit rother Tinte bemerkte. Das Gedruckte konnte nicht von A. E. verfaßt sein, es war der Anfang eines Romans, dessen Styl und Inhalt weiblichen Ursprung erkennen ließ, das Titelblatt fehlte. Auf einem Bei¬ blatt stand von seiner Hand geschrieben: "Das ist keine Kunst, ideal thun, wenn man Alles ungenau nimmt. Wart', Blaustrumpf, wart', Gans, ich will dir's ein¬ mal zeigen! Meinst du, die Dinge der Welt laufen nur so glattweg in geölter Kurbel?"
Ich stelle einige Sätze heraus mit den Anmerkungen, um einen Begriff von diesen Korrekturen zu geben:
Vischer, Auch Einer. II. 6
Hilario: „dann Mandelmilch, ſchnell!“ — Apotheker: „dieß gern!“ holt den Kolben, ſtolpert über die junge Katze, der Kolben liegt zerſchellt am Boden. Hilario raſend ab. Furienhafter, grell-gellender Verhöhnungs¬ chor der Scherben und der Katze. Trio mit der Jammer¬ ſtimme des Apothekers.
Hier brach das Fragment mit einem wilden Fahrſtriche der Feder ab, die dann wie toll in kratzigen, borſtigen Linien auf dem Papier umhergewüthet haben, hierauf etliche Male ſenkrecht aufgeſtaucht worden ſein mußte; dieß be¬ wieſen ſtarke, von Spritzaureolen umgebene Tintenkleckſe.
Das pathologiſch geſchnellte Abbrechen war mir nicht gerade komiſch, es gab an Anderes, wenn auch noch ſo Verſchiedenes, zu denken.
Bei weiterem Durchſtöbern ſtieß ich auf eine Schichte gedruckter Blätter, auf deren Rand ich Anmerkungen mit rother Tinte bemerkte. Das Gedruckte konnte nicht von A. E. verfaßt ſein, es war der Anfang eines Romans, deſſen Styl und Inhalt weiblichen Urſprung erkennen ließ, das Titelblatt fehlte. Auf einem Bei¬ blatt ſtand von ſeiner Hand geſchrieben: „Das iſt keine Kunſt, ideal thun, wenn man Alles ungenau nimmt. Wart', Blauſtrumpf, wart', Gans, ich will dir's ein¬ mal zeigen! Meinſt du, die Dinge der Welt laufen nur ſo glattweg in geölter Kurbel?“
Ich ſtelle einige Sätze heraus mit den Anmerkungen, um einen Begriff von dieſen Korrekturen zu geben:
Viſcher, Auch Einer. II. 6
<TEI><text><body><floatingText><body><divtype="act"><divtype="scene"><p><pbfacs="#f0094"n="81"/>
Hilario: „dann Mandelmilch, ſchnell!“— Apotheker:<lb/>„dieß gern!“ holt den Kolben, ſtolpert über die junge<lb/>
Katze, der Kolben liegt zerſchellt am Boden. Hilario<lb/>
raſend ab. Furienhafter, grell-gellender Verhöhnungs¬<lb/>
chor der Scherben und der Katze. Trio mit der Jammer¬<lb/>ſtimme des Apothekers.</p><lb/></div></div></body></floatingText><p>Hier brach das Fragment mit einem wilden Fahrſtriche<lb/>
der Feder ab, die dann wie toll in kratzigen, borſtigen<lb/>
Linien auf dem Papier umhergewüthet haben, hierauf etliche<lb/>
Male ſenkrecht aufgeſtaucht worden ſein mußte; dieß be¬<lb/>
wieſen ſtarke, von Spritzaureolen umgebene Tintenkleckſe.</p><lb/><p>Das pathologiſch geſchnellte Abbrechen war mir<lb/>
nicht gerade komiſch, es gab an Anderes, wenn auch<lb/>
noch ſo Verſchiedenes, zu denken.</p><lb/><p>Bei weiterem Durchſtöbern ſtieß ich auf eine Schichte<lb/>
gedruckter Blätter, auf deren Rand ich Anmerkungen<lb/>
mit rother Tinte bemerkte. Das Gedruckte konnte nicht<lb/>
von A. E. verfaßt ſein, es war der Anfang eines<lb/>
Romans, deſſen Styl und Inhalt weiblichen Urſprung<lb/>
erkennen ließ, das Titelblatt fehlte. Auf einem Bei¬<lb/>
blatt ſtand von ſeiner Hand geſchrieben: „Das iſt keine<lb/>
Kunſt, ideal thun, wenn man Alles ungenau nimmt.<lb/>
Wart', Blauſtrumpf, wart', Gans, ich will dir's ein¬<lb/>
mal zeigen! Meinſt du, die Dinge der Welt laufen<lb/>
nur ſo glattweg in geölter Kurbel?“</p><lb/><p>Ich ſtelle einige Sätze heraus mit den Anmerkungen,<lb/>
um einen Begriff von dieſen Korrekturen zu geben:<lb/></p><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Viſcher</hi>, Auch Einer. <hirendition="#aq">II</hi>. 6<lb/></fw></body></text></TEI>
[81/0094]
Hilario: „dann Mandelmilch, ſchnell!“ — Apotheker:
„dieß gern!“ holt den Kolben, ſtolpert über die junge
Katze, der Kolben liegt zerſchellt am Boden. Hilario
raſend ab. Furienhafter, grell-gellender Verhöhnungs¬
chor der Scherben und der Katze. Trio mit der Jammer¬
ſtimme des Apothekers.
Hier brach das Fragment mit einem wilden Fahrſtriche
der Feder ab, die dann wie toll in kratzigen, borſtigen
Linien auf dem Papier umhergewüthet haben, hierauf etliche
Male ſenkrecht aufgeſtaucht worden ſein mußte; dieß be¬
wieſen ſtarke, von Spritzaureolen umgebene Tintenkleckſe.
Das pathologiſch geſchnellte Abbrechen war mir
nicht gerade komiſch, es gab an Anderes, wenn auch
noch ſo Verſchiedenes, zu denken.
Bei weiterem Durchſtöbern ſtieß ich auf eine Schichte
gedruckter Blätter, auf deren Rand ich Anmerkungen
mit rother Tinte bemerkte. Das Gedruckte konnte nicht
von A. E. verfaßt ſein, es war der Anfang eines
Romans, deſſen Styl und Inhalt weiblichen Urſprung
erkennen ließ, das Titelblatt fehlte. Auf einem Bei¬
blatt ſtand von ſeiner Hand geſchrieben: „Das iſt keine
Kunſt, ideal thun, wenn man Alles ungenau nimmt.
Wart', Blauſtrumpf, wart', Gans, ich will dir's ein¬
mal zeigen! Meinſt du, die Dinge der Welt laufen
nur ſo glattweg in geölter Kurbel?“
Ich ſtelle einige Sätze heraus mit den Anmerkungen,
um einen Begriff von dieſen Korrekturen zu geben:
Viſcher, Auch Einer. II. 6
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/94>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.