trug es zu seiner Verstörung bei, daß die Mischung der Kräfte in ihm zu bunt war, um der edelsten ein gerades und ausgewachsenes Gebilde zu erlauben. Und doch war sie stark genug, ihrer Gegenfüßlerin, der Phantasie, des Raumes so viel wegzunehmen, daß ihr dieselbe Hemmung widerfuhr. Freilich ist es mit diesem bunten Theil des Einschlags an sich schon eben auch seltsamlich bestellt; der Weber neigt zu sehr zum Zick¬ zack, als daß man ein harmonisches Geflechte von ihm erwarten könnte, und wir dürfen es ihm wohl immer¬ hin gutschreiben, daß er es dieser Neigung wenigstens abgerungen hat, die Pfahldorfgeschichte fertig zu bringen, die doch in einem gewissen Sinn ein Ganzes genannt werden kann. Dieß ist aber auch das einzige Durch¬ geführte; da und dort finden sich Fäden für andere Kompositionen, sie brechen aber ab, sind fallen ge¬ lassen, und so kann man schließen, daß auch nach dieser Seite ein Gefühl des Unglücks über eine unterbundene Ader in ihm umwühlte; denn er wollte thätig sein, wollte leisten, wollte der Welt etwas sein. Was ich Zickzack nenne, dazu gehört auch eine über das Maß gehende Liebe zum Elemente der närrischen Vorstellung. Oft mußte ich schon beim ersten Durchlesen an Lichten¬ berg denken. Obwohl ich einige der stärksten Proben dieses Zuges vorausgenommen habe, möge sich der Leser doch erinnern, daß ich ihm nicht die Aussicht eröffnen konnte, es werde ihm nach überstandener
trug es zu ſeiner Verſtörung bei, daß die Miſchung der Kräfte in ihm zu bunt war, um der edelſten ein gerades und ausgewachſenes Gebilde zu erlauben. Und doch war ſie ſtark genug, ihrer Gegenfüßlerin, der Phantaſie, des Raumes ſo viel wegzunehmen, daß ihr dieſelbe Hemmung widerfuhr. Freilich iſt es mit dieſem bunten Theil des Einſchlags an ſich ſchon eben auch ſeltſamlich beſtellt; der Weber neigt zu ſehr zum Zick¬ zack, als daß man ein harmoniſches Geflechte von ihm erwarten könnte, und wir dürfen es ihm wohl immer¬ hin gutſchreiben, daß er es dieſer Neigung wenigſtens abgerungen hat, die Pfahldorfgeſchichte fertig zu bringen, die doch in einem gewiſſen Sinn ein Ganzes genannt werden kann. Dieß iſt aber auch das einzige Durch¬ geführte; da und dort finden ſich Fäden für andere Kompoſitionen, ſie brechen aber ab, ſind fallen ge¬ laſſen, und ſo kann man ſchließen, daß auch nach dieſer Seite ein Gefühl des Unglücks über eine unterbundene Ader in ihm umwühlte; denn er wollte thätig ſein, wollte leiſten, wollte der Welt etwas ſein. Was ich Zickzack nenne, dazu gehört auch eine über das Maß gehende Liebe zum Elemente der närriſchen Vorſtellung. Oft mußte ich ſchon beim erſten Durchleſen an Lichten¬ berg denken. Obwohl ich einige der ſtärkſten Proben dieſes Zuges vorausgenommen habe, möge ſich der Leſer doch erinnern, daß ich ihm nicht die Ausſicht eröffnen konnte, es werde ihm nach überſtandener
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[85/0098]
trug es zu ſeiner Verſtörung bei, daß die Miſchung
der Kräfte in ihm zu bunt war, um der edelſten ein
gerades und ausgewachſenes Gebilde zu erlauben. Und
doch war ſie ſtark genug, ihrer Gegenfüßlerin, der
Phantaſie, des Raumes ſo viel wegzunehmen, daß ihr
dieſelbe Hemmung widerfuhr. Freilich iſt es mit dieſem
bunten Theil des Einſchlags an ſich ſchon eben auch
ſeltſamlich beſtellt; der Weber neigt zu ſehr zum Zick¬
zack, als daß man ein harmoniſches Geflechte von ihm
erwarten könnte, und wir dürfen es ihm wohl immer¬
hin gutſchreiben, daß er es dieſer Neigung wenigſtens
abgerungen hat, die Pfahldorfgeſchichte fertig zu bringen,
die doch in einem gewiſſen Sinn ein Ganzes genannt
werden kann. Dieß iſt aber auch das einzige Durch¬
geführte; da und dort finden ſich Fäden für andere
Kompoſitionen, ſie brechen aber ab, ſind fallen ge¬
laſſen, und ſo kann man ſchließen, daß auch nach dieſer
Seite ein Gefühl des Unglücks über eine unterbundene
Ader in ihm umwühlte; denn er wollte thätig ſein,
wollte leiſten, wollte der Welt etwas ſein. Was ich
Zickzack nenne, dazu gehört auch eine über das Maß
gehende Liebe zum Elemente der närriſchen Vorſtellung.
Oft mußte ich ſchon beim erſten Durchleſen an Lichten¬
berg denken. Obwohl ich einige der ſtärkſten Proben
dieſes Zuges vorausgenommen habe, möge ſich der
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Vischer, Friedrich Theodor von: Auch Einer. Eine Reisebekanntschaft. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1879, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_auch02_1879/98>, abgerufen am 29.11.2024.
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