Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.pvi_1375.001 g. Die dramatische Dichtung. pvi_1375.0021. Das Wesen derselben. pvi_1375.003§. 895. pvi_1375.004Wie die Dichtkunst überhaupt die gegenständliche Welt, nachdem dieselbe pvi_1375.005 Der Fortgang begründet sich wie jener von der Musik zu der Poesie, pvi_1375.012 pvi_1375.001 γ. Die dramatische Dichtung. pvi_1375.0021. Das Wesen derselben. pvi_1375.003§. 895. pvi_1375.004Wie die Dichtkunst überhaupt die gegenständliche Welt, nachdem dieselbe pvi_1375.005 Der Fortgang begründet sich wie jener von der Musik zu der Poesie, pvi_1375.012 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0237" n="1375"/> </div> </div> </div> <div n="2"> <lb n="pvi_1375.001"/> <head> <hi rendition="#c"><foreign xml:lang="grc">γ</foreign>. <hi rendition="#g">Die dramatische Dichtung.</hi></hi> </head> <lb n="pvi_1375.002"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c">1. Das Wesen derselben.</hi> </head> <lb n="pvi_1375.003"/> <div n="4"> <p> <hi rendition="#c">§. 895.</hi> </p> <lb n="pvi_1375.004"/> <p> Wie die Dichtkunst überhaupt die gegenständliche Welt, nachdem dieselbe <lb n="pvi_1375.005"/> ganz in das subjective Empfindungsleben der Musik eingegangen, wieder entfaltet, <lb n="pvi_1375.006"/> so hat sie in ihren Zweigen die Subjectivität der Lyrik, welche dem <lb n="pvi_1375.007"/> Standpuncte der Musik entspricht, wieder zur Objectivität des Epos zu erschließen <lb n="pvi_1375.008"/> und hiedurch diese Gegensätze in einer dritten Form zusammenzufassen, <lb n="pvi_1375.009"/> worin, wie in dem Ganzen der Poesie das gesammte System der übrigen Künste, <lb n="pvi_1375.010"/> so sie selbst innerhalb ihrer sich wiederholt und concentrirt.</p> <lb n="pvi_1375.011"/> <p> <hi rendition="#et"> Der Fortgang begründet sich wie jener von der Musik zu der Poesie, <lb n="pvi_1375.012"/> aber er ergibt sich einfacher, leichter: denn dort gilt es den langen Schritt <lb n="pvi_1375.013"/> zu einer neuen Kunst, der seinen Ansatz im ganzen System der Künste, in <lb n="pvi_1375.014"/> der Nothwendigkeit, daß die Objectivität der bildenden Kunst aus der subjectiven <lb n="pvi_1375.015"/> Jnnerlichkeit der Musik sich wiederherstelle, ohne sie zu verlieren, endlich <lb n="pvi_1375.016"/> in dem Grundgesetze nehmen mußte, daß der Lebensgehalt als sichtbarer <lb n="pvi_1375.017"/> Körper dem Auge (jetzt dem inneren) erscheine; hier dagegen gilt es nur <lb n="pvi_1375.018"/> die Wiederherstellung dieser objectiven Welt innerhalb einer Kunst, welche <lb n="pvi_1375.019"/> ursprünglich diesen Boden gewonnen, welche ihn verlassen hat, um noch <lb n="pvi_1375.020"/> einmal wie die Musik, aber auf neuer Stufe, die Welt der Gegenstände in <lb n="pvi_1375.021"/> die Welt der Subjectivität zurücknehmen, sie ganz mit dieser zu durcharbeiten <lb n="pvi_1375.022"/> und zu durchdringen, welche ihn aber mit ganz einleuchtender Nothwendigkeit <lb n="pvi_1375.023"/> wieder einnehmen muß. Und die dringendere Nähe dieser Nothwendigkeit <lb n="pvi_1375.024"/> hat sich ja in der Lyrik selbst dadurch überall angekündigt, daß die Welt <lb n="pvi_1375.025"/> der sichtbaren Dinge und ihrer bewußten Auffassung nicht blos geahnt, wie <lb n="pvi_1375.026"/> in der Musik, an ihrer Schwelle schwebte, sondern die Empfindung immer <lb n="pvi_1375.027"/> nach ihr greifen mußte, um an sie gelehnt sich auszusprechen; ja bis zur <lb n="pvi_1375.028"/> Darstellung einer Handlung schritt sie fort und wir fanden die Keime des <lb n="pvi_1375.029"/> Drama in der erzählenden Form der Lyrik. Wenn nun, was in der Lyrik <lb n="pvi_1375.030"/> gewonnen ist, diese subjective Durchdringung der Welt, sich vereinigt mit <lb n="pvi_1375.031"/> dem, was das Epos durch seine Objectivität voraus hat, wenn die von <lb n="pvi_1375.032"/> dem Welt-Jnhalt erfüllte Brust diesen wieder entläßt, daß er sich als gegenständliches, <lb n="pvi_1375.033"/> aber aus dem Jnnersten des Geistes gebornes Bild ausbreite, </hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1375/0237]
pvi_1375.001
γ. Die dramatische Dichtung. pvi_1375.002
1. Das Wesen derselben. pvi_1375.003
§. 895.
pvi_1375.004
Wie die Dichtkunst überhaupt die gegenständliche Welt, nachdem dieselbe pvi_1375.005
ganz in das subjective Empfindungsleben der Musik eingegangen, wieder entfaltet, pvi_1375.006
so hat sie in ihren Zweigen die Subjectivität der Lyrik, welche dem pvi_1375.007
Standpuncte der Musik entspricht, wieder zur Objectivität des Epos zu erschließen pvi_1375.008
und hiedurch diese Gegensätze in einer dritten Form zusammenzufassen, pvi_1375.009
worin, wie in dem Ganzen der Poesie das gesammte System der übrigen Künste, pvi_1375.010
so sie selbst innerhalb ihrer sich wiederholt und concentrirt.
pvi_1375.011
Der Fortgang begründet sich wie jener von der Musik zu der Poesie, pvi_1375.012
aber er ergibt sich einfacher, leichter: denn dort gilt es den langen Schritt pvi_1375.013
zu einer neuen Kunst, der seinen Ansatz im ganzen System der Künste, in pvi_1375.014
der Nothwendigkeit, daß die Objectivität der bildenden Kunst aus der subjectiven pvi_1375.015
Jnnerlichkeit der Musik sich wiederherstelle, ohne sie zu verlieren, endlich pvi_1375.016
in dem Grundgesetze nehmen mußte, daß der Lebensgehalt als sichtbarer pvi_1375.017
Körper dem Auge (jetzt dem inneren) erscheine; hier dagegen gilt es nur pvi_1375.018
die Wiederherstellung dieser objectiven Welt innerhalb einer Kunst, welche pvi_1375.019
ursprünglich diesen Boden gewonnen, welche ihn verlassen hat, um noch pvi_1375.020
einmal wie die Musik, aber auf neuer Stufe, die Welt der Gegenstände in pvi_1375.021
die Welt der Subjectivität zurücknehmen, sie ganz mit dieser zu durcharbeiten pvi_1375.022
und zu durchdringen, welche ihn aber mit ganz einleuchtender Nothwendigkeit pvi_1375.023
wieder einnehmen muß. Und die dringendere Nähe dieser Nothwendigkeit pvi_1375.024
hat sich ja in der Lyrik selbst dadurch überall angekündigt, daß die Welt pvi_1375.025
der sichtbaren Dinge und ihrer bewußten Auffassung nicht blos geahnt, wie pvi_1375.026
in der Musik, an ihrer Schwelle schwebte, sondern die Empfindung immer pvi_1375.027
nach ihr greifen mußte, um an sie gelehnt sich auszusprechen; ja bis zur pvi_1375.028
Darstellung einer Handlung schritt sie fort und wir fanden die Keime des pvi_1375.029
Drama in der erzählenden Form der Lyrik. Wenn nun, was in der Lyrik pvi_1375.030
gewonnen ist, diese subjective Durchdringung der Welt, sich vereinigt mit pvi_1375.031
dem, was das Epos durch seine Objectivität voraus hat, wenn die von pvi_1375.032
dem Welt-Jnhalt erfüllte Brust diesen wieder entläßt, daß er sich als gegenständliches, pvi_1375.033
aber aus dem Jnnersten des Geistes gebornes Bild ausbreite,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |