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Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.

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in der Bedeutung vor sich geht, daß sie ohne jede äußere Gegenwart des pvi_1163.002
Objects das Bild bewahren und im Zuhörer hervorrufen muß. Das innere pvi_1163.003
Bild soll aber in emphatischem Sinne vergeistigt, also von der eigentlich pvi_1163.004
Jdeal=bildenden Phantasie verarbeitet werden. So ruht die dichtende Art pvi_1163.005
der Phantasie gleichmäßig auf diesen beiden Linien: auf der ganzen Sinnlichkeit, pvi_1163.006
die als Einbildungskraft zur innerlichen wird, und auf dem intensiv pvi_1163.007
reinsten Thun der Phantasie. Trat in der Begründung der bildenden pvi_1163.008
Phantasie die Einbildungskraft in zweiter Linie ebenfalls auf, so lag hier pvi_1163.009
das Gewicht auf der Objectivität des innerlich vorschwebenden Bildes pvi_1163.010
im Gegensatze gegen das bildlose Empfinden; tritt sie jetzt in erster Linie, pvi_1163.011
sofern nämlich die Totalität der Sinnenwahrnehmung unmittelbar in sie pvi_1163.012
überleitet, wieder auf, so liegt der Nachdruck eben auf der Vollständigkeit, pvi_1163.013
womit alle äußeren Sinne in ihr auf innerliche Weise, in Abwesenheit des pvi_1163.014
Gegenstands, der Seele das Bild vorführen, das durch ihre Thätigkeit erfaßt pvi_1163.015
wird, denn die Einbildungskraft sieht nicht nur, sondern hört auch, pvi_1163.016
tastet, schmeckt, riecht innerlich. Nun aber ist allerdings das Thun der pvi_1163.017
Einbildungskraft noch kein Läutern der Erscheinungen zum Ausdruck der pvi_1163.018
reinen Jdee, daher ergänzt sich die Begründung dahin, daß die dichtende pvi_1163.019
Phantasie auf die Phantasie selbst im engsten Sinne des Worts, auf die pvi_1163.020
reine, Jdeal=bildende Formthätigkeit gestellt ist. Alle Arten der Phantasie pvi_1163.021
müssen zwar zu dieser Höhe des Thuns sich erheben, wenn sie ächte Kunstwerke pvi_1163.022
hervorbringen wollen, sie müssen ein reines, ideales Bild geistig im pvi_1163.023
Jnnern erzeugen, aber während die andern dieß Bild im äußeren Stoff pvi_1163.024
niederlegen, bleibt es bei dem Dichter im Mittheilen nach außen geistig, pvi_1163.025
innerlich: daher ist sein Element wie das keines andern Künstlers die innere pvi_1163.026
Jdealbildung; daher haben wir die dichtende Phantasie die Phantasie der pvi_1163.027
Phantasie genannt.

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§. 836.

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Soll nun die dichtende Phantasie ihr inneres Bild in Kunstform darstellen pvi_1163.030
und hiemit den vollen Schein der Dinge vorführen, so muß sie nothwendig pvi_1163.031
auf alles Material, auch auf diejenige Beziehung zu einem solchen, die in pvi_1163.032
der Musik noch besteht (vergl. §. 759. 767, 3.), verzichten (vergl. §. 533. 534) pvi_1163.033
und sich statt dessen eines bloßen Vehikels bedienen. Dieß kann nur der pvi_1163.034
articulirte Ton, die Sprache sein, als das Mittel, wodurch der Dichter das pvi_1163.035
Bild, das er in sich selbst erzeugt hat, im Jnnern desjenigen hervorruft, an pvi_1163.036
den er sich wendet, also mit Phantasie in Phantasie thätig ist. Jn engerem pvi_1163.037
Sinne, als bei der Musik, ist daher die Phantasie, in welche der Dichter pvi_1163.038
das Gebilde der seinigen überträgt, das eigentliche Material, in welchem er pvi_1163.039
arbeitet.

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in der Bedeutung vor sich geht, daß sie ohne jede äußere Gegenwart des pvi_1163.002
Objects das Bild bewahren und im Zuhörer hervorrufen muß. Das innere pvi_1163.003
Bild soll aber in emphatischem Sinne vergeistigt, also von der eigentlich pvi_1163.004
Jdeal=bildenden Phantasie verarbeitet werden. So ruht die dichtende Art pvi_1163.005
der Phantasie gleichmäßig auf diesen beiden Linien: auf der ganzen Sinnlichkeit, pvi_1163.006
die als Einbildungskraft zur innerlichen wird, und auf dem intensiv pvi_1163.007
reinsten Thun der Phantasie. Trat in der Begründung der bildenden pvi_1163.008
Phantasie die Einbildungskraft in zweiter Linie ebenfalls auf, so lag hier pvi_1163.009
das Gewicht auf der Objectivität des innerlich vorschwebenden Bildes pvi_1163.010
im Gegensatze gegen das bildlose Empfinden; tritt sie jetzt in erster Linie, pvi_1163.011
sofern nämlich die Totalität der Sinnenwahrnehmung unmittelbar in sie pvi_1163.012
überleitet, wieder auf, so liegt der Nachdruck eben auf der Vollständigkeit, pvi_1163.013
womit alle äußeren Sinne in ihr auf innerliche Weise, in Abwesenheit des pvi_1163.014
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tastet, schmeckt, riecht innerlich. Nun aber ist allerdings das Thun der pvi_1163.017
Einbildungskraft noch kein Läutern der Erscheinungen zum Ausdruck der pvi_1163.018
reinen Jdee, daher ergänzt sich die Begründung dahin, daß die dichtende pvi_1163.019
Phantasie auf die Phantasie selbst im engsten Sinne des Worts, auf die pvi_1163.020
reine, Jdeal=bildende Formthätigkeit gestellt ist. Alle Arten der Phantasie pvi_1163.021
müssen zwar zu dieser Höhe des Thuns sich erheben, wenn sie ächte Kunstwerke pvi_1163.022
hervorbringen wollen, sie müssen ein reines, ideales Bild geistig im pvi_1163.023
Jnnern erzeugen, aber während die andern dieß Bild im äußeren Stoff pvi_1163.024
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innerlich: daher ist sein Element wie das keines andern Künstlers die innere pvi_1163.026
Jdealbildung; daher haben wir die dichtende Phantasie die Phantasie der pvi_1163.027
Phantasie genannt.

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§. 836.

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Soll nun die dichtende Phantasie ihr inneres Bild in Kunstform darstellen pvi_1163.030
und hiemit den vollen Schein der Dinge vorführen, so muß sie nothwendig pvi_1163.031
auf alles Material, auch auf diejenige Beziehung zu einem solchen, die in pvi_1163.032
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[1163/0025] pvi_1163.001 in der Bedeutung vor sich geht, daß sie ohne jede äußere Gegenwart des pvi_1163.002 Objects das Bild bewahren und im Zuhörer hervorrufen muß. Das innere pvi_1163.003 Bild soll aber in emphatischem Sinne vergeistigt, also von der eigentlich pvi_1163.004 Jdeal=bildenden Phantasie verarbeitet werden. So ruht die dichtende Art pvi_1163.005 der Phantasie gleichmäßig auf diesen beiden Linien: auf der ganzen Sinnlichkeit, pvi_1163.006 die als Einbildungskraft zur innerlichen wird, und auf dem intensiv pvi_1163.007 reinsten Thun der Phantasie. Trat in der Begründung der bildenden pvi_1163.008 Phantasie die Einbildungskraft in zweiter Linie ebenfalls auf, so lag hier pvi_1163.009 das Gewicht auf der Objectivität des innerlich vorschwebenden Bildes pvi_1163.010 im Gegensatze gegen das bildlose Empfinden; tritt sie jetzt in erster Linie, pvi_1163.011 sofern nämlich die Totalität der Sinnenwahrnehmung unmittelbar in sie pvi_1163.012 überleitet, wieder auf, so liegt der Nachdruck eben auf der Vollständigkeit, pvi_1163.013 womit alle äußeren Sinne in ihr auf innerliche Weise, in Abwesenheit des pvi_1163.014 Gegenstands, der Seele das Bild vorführen, das durch ihre Thätigkeit erfaßt pvi_1163.015 wird, denn die Einbildungskraft sieht nicht nur, sondern hört auch, pvi_1163.016 tastet, schmeckt, riecht innerlich. Nun aber ist allerdings das Thun der pvi_1163.017 Einbildungskraft noch kein Läutern der Erscheinungen zum Ausdruck der pvi_1163.018 reinen Jdee, daher ergänzt sich die Begründung dahin, daß die dichtende pvi_1163.019 Phantasie auf die Phantasie selbst im engsten Sinne des Worts, auf die pvi_1163.020 reine, Jdeal=bildende Formthätigkeit gestellt ist. Alle Arten der Phantasie pvi_1163.021 müssen zwar zu dieser Höhe des Thuns sich erheben, wenn sie ächte Kunstwerke pvi_1163.022 hervorbringen wollen, sie müssen ein reines, ideales Bild geistig im pvi_1163.023 Jnnern erzeugen, aber während die andern dieß Bild im äußeren Stoff pvi_1163.024 niederlegen, bleibt es bei dem Dichter im Mittheilen nach außen geistig, pvi_1163.025 innerlich: daher ist sein Element wie das keines andern Künstlers die innere pvi_1163.026 Jdealbildung; daher haben wir die dichtende Phantasie die Phantasie der pvi_1163.027 Phantasie genannt. pvi_1163.028 §. 836. pvi_1163.029 Soll nun die dichtende Phantasie ihr inneres Bild in Kunstform darstellen pvi_1163.030 und hiemit den vollen Schein der Dinge vorführen, so muß sie nothwendig pvi_1163.031 auf alles Material, auch auf diejenige Beziehung zu einem solchen, die in pvi_1163.032 der Musik noch besteht (vergl. §. 759. 767, 3.), verzichten (vergl. §. 533. 534) pvi_1163.033 und sich statt dessen eines bloßen Vehikels bedienen. Dieß kann nur der pvi_1163.034 articulirte Ton, die Sprache sein, als das Mittel, wodurch der Dichter das pvi_1163.035 Bild, das er in sich selbst erzeugt hat, im Jnnern desjenigen hervorruft, an pvi_1163.036 den er sich wendet, also mit Phantasie in Phantasie thätig ist. Jn engerem pvi_1163.037 Sinne, als bei der Musik, ist daher die Phantasie, in welche der Dichter pvi_1163.038 das Gebilde der seinigen überträgt, das eigentliche Material, in welchem er pvi_1163.039 arbeitet.

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857, S. 1163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_poetik_1857/25>, abgerufen am 21.11.2024.