Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.
pvi_1441.001 §. 919. pvi_1441.0201. Der Unterschied der Hauptformen des Komischen fordert, was die pvi_1441.021 1. Hier, wo es sich von der Anwendung der großen Unterschiede des pvi_1441.035
pvi_1441.001 §. 919. pvi_1441.0201. Der Unterschied der Hauptformen des Komischen fordert, was die pvi_1441.021 1. Hier, wo es sich von der Anwendung der großen Unterschiede des pvi_1441.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0303" n="1441"/><lb n="pvi_1441.001"/> der herrlichen Rosalinde. Endlich öffnet sich ein Feld, worin auch das <lb n="pvi_1441.002"/> Rührende vorneherein so leicht genommen, in so heitere Bedingungen hineingestellt <lb n="pvi_1441.003"/> ist, daß wir uns von Anfang bis Ende in der Sphäre des reinen <lb n="pvi_1441.004"/> Spiels befinden; Shakespeare's Der Liebe Müh' umsonst, Gezähmte Böse, <lb n="pvi_1441.005"/> Sommernachtstraum gehören hieher. Wir enthalten uns, aus der Masse <lb n="pvi_1441.006"/> des Modernen weitere Beispiele einzureihen, aber wir wiederholen die Klage, <lb n="pvi_1441.007"/> daß uns die unendliche Poesie der Heiterkeit abgeht, die den stoffartigen <lb n="pvi_1441.008"/> Ernst des spannenden Theils unserer Fabel in die leichten Lüfte der humoristischen <lb n="pvi_1441.009"/> Jdealität erhöbe. Wir haben sehr lustige Jntriguenstücke, aber keine <lb n="pvi_1441.010"/> tief humoristische Charakterlustspiele, die zugleich in der Fabel sich leicht und <lb n="pvi_1441.011"/> geistreich bewegten. Es ist freilich schwer, die Prosa der Lebensverhältnisse <lb n="pvi_1441.012"/> zu bezwingen, nachdem der moderne, ausgebildet charakteristische Styl sich <lb n="pvi_1441.013"/> doch in sie einlassen muß; ähnlich schwer wie im Roman. Shakespeare <lb n="pvi_1441.014"/> war, wie wir vorhin angedeutet, durch die gelüftete, phantasiereiche, das Leben <lb n="pvi_1441.015"/> mit unendlichen Maskenscherzen schmückende, jeder Originalität und Narrheit <lb n="pvi_1441.016"/> freien Raum gönnende Sitte seiner Zeit unterstützt; das hochgestimmte, in <lb n="pvi_1441.017"/> allen Nerven bewegte sechszehnte Jahrhundert hat ihm den Weg in die <lb n="pvi_1441.018"/> Seligkeit des komischen Olympus geöffnet, wo er mit Aristophanes weilt.</hi> </p> </div> <lb n="pvi_1441.019"/> <div n="4"> <p> <hi rendition="#c">§. 919.</hi> </p> <lb n="pvi_1441.020"/> <note place="left">1.</note> <p> Der Unterschied der <hi rendition="#g">Hauptformen des Komischen</hi> fordert, was die <lb n="pvi_1441.021"/> unmittelbarste und einfachste derselben betrifft, eine besondere Neben-Eintheilung, <lb n="pvi_1441.022"/> welche sich darauf gründet, daß im Gebiete der Komödie die naive Poesie eine <lb n="pvi_1441.023"/> dauernde Rolle spielt: das <hi rendition="#g">Volkslustspiel</hi> bewegt sich rein auf dem Boden <lb n="pvi_1441.024"/> des <hi rendition="#g">Burlesken,</hi> die <hi rendition="#g">Kunstpoesie</hi> ist ihm fremder, am meisten hält sie ihn <lb n="pvi_1441.025"/> <note place="left">2.</note>in einer Gattung kleineren Umfangs, der <hi rendition="#g">Posse,</hi> fest. Jm Uebrigen zieht sich <lb n="pvi_1441.026"/> diese Form des Komischen wie die des <hi rendition="#g">Witzes</hi> und des <hi rendition="#g">Humors</hi> in unbestimmbaren <lb n="pvi_1441.027"/> Verhältnissen durch die verschiedenen Arten der Komödie, wie dieselben <lb n="pvi_1441.028"/> nach den andern Eintheilungsgründen sich unterscheiden, und es läßt sich <lb n="pvi_1441.029"/> nur so viel aufstellen, daß das Jntriguen-Lustspiel mehr Sache des Witzes, <lb n="pvi_1441.030"/> das Charakter-Lustspiel mehr Sache des Humors ist und daß, was den Stylgegensatz <lb n="pvi_1441.031"/> betrifft, der letztere seine entschieden angewiesene Stelle in der phantastischen <lb n="pvi_1441.032"/> Fabel der idealkomischen Richtung hat und eben hier zugleich in der <lb n="pvi_1441.033"/> Form des Burlesken sich ausspricht (vergl. §. 214).</p> <lb n="pvi_1441.034"/> <p> <hi rendition="#et"> 1. Hier, wo es sich von der Anwendung der großen Unterschiede des <lb n="pvi_1441.035"/> Komischen auf die Eintheilung der Komödie handelt, müssen wir noch einmal <lb n="pvi_1441.036"/> auf die Volkspoesie zurückkommen. Wir haben sie im Epos, in der <lb n="pvi_1441.037"/> lyrischen Dichtung thätig und am entschiedensten in der letzteren ihr Feld <lb n="pvi_1441.038"/> behaupten gesehen; aber auch das Drama ist ihr nicht verschlossen, der natürliche </hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1441/0303]
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der herrlichen Rosalinde. Endlich öffnet sich ein Feld, worin auch das pvi_1441.002
Rührende vorneherein so leicht genommen, in so heitere Bedingungen hineingestellt pvi_1441.003
ist, daß wir uns von Anfang bis Ende in der Sphäre des reinen pvi_1441.004
Spiels befinden; Shakespeare's Der Liebe Müh' umsonst, Gezähmte Böse, pvi_1441.005
Sommernachtstraum gehören hieher. Wir enthalten uns, aus der Masse pvi_1441.006
des Modernen weitere Beispiele einzureihen, aber wir wiederholen die Klage, pvi_1441.007
daß uns die unendliche Poesie der Heiterkeit abgeht, die den stoffartigen pvi_1441.008
Ernst des spannenden Theils unserer Fabel in die leichten Lüfte der humoristischen pvi_1441.009
Jdealität erhöbe. Wir haben sehr lustige Jntriguenstücke, aber keine pvi_1441.010
tief humoristische Charakterlustspiele, die zugleich in der Fabel sich leicht und pvi_1441.011
geistreich bewegten. Es ist freilich schwer, die Prosa der Lebensverhältnisse pvi_1441.012
zu bezwingen, nachdem der moderne, ausgebildet charakteristische Styl sich pvi_1441.013
doch in sie einlassen muß; ähnlich schwer wie im Roman. Shakespeare pvi_1441.014
war, wie wir vorhin angedeutet, durch die gelüftete, phantasiereiche, das Leben pvi_1441.015
mit unendlichen Maskenscherzen schmückende, jeder Originalität und Narrheit pvi_1441.016
freien Raum gönnende Sitte seiner Zeit unterstützt; das hochgestimmte, in pvi_1441.017
allen Nerven bewegte sechszehnte Jahrhundert hat ihm den Weg in die pvi_1441.018
Seligkeit des komischen Olympus geöffnet, wo er mit Aristophanes weilt.
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§. 919.
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Der Unterschied der Hauptformen des Komischen fordert, was die pvi_1441.021
unmittelbarste und einfachste derselben betrifft, eine besondere Neben-Eintheilung, pvi_1441.022
welche sich darauf gründet, daß im Gebiete der Komödie die naive Poesie eine pvi_1441.023
dauernde Rolle spielt: das Volkslustspiel bewegt sich rein auf dem Boden pvi_1441.024
des Burlesken, die Kunstpoesie ist ihm fremder, am meisten hält sie ihn pvi_1441.025
in einer Gattung kleineren Umfangs, der Posse, fest. Jm Uebrigen zieht sich pvi_1441.026
diese Form des Komischen wie die des Witzes und des Humors in unbestimmbaren pvi_1441.027
Verhältnissen durch die verschiedenen Arten der Komödie, wie dieselben pvi_1441.028
nach den andern Eintheilungsgründen sich unterscheiden, und es läßt sich pvi_1441.029
nur so viel aufstellen, daß das Jntriguen-Lustspiel mehr Sache des Witzes, pvi_1441.030
das Charakter-Lustspiel mehr Sache des Humors ist und daß, was den Stylgegensatz pvi_1441.031
betrifft, der letztere seine entschieden angewiesene Stelle in der phantastischen pvi_1441.032
Fabel der idealkomischen Richtung hat und eben hier zugleich in der pvi_1441.033
Form des Burlesken sich ausspricht (vergl. §. 214).
2. pvi_1441.034
1. Hier, wo es sich von der Anwendung der großen Unterschiede des pvi_1441.035
Komischen auf die Eintheilung der Komödie handelt, müssen wir noch einmal pvi_1441.036
auf die Volkspoesie zurückkommen. Wir haben sie im Epos, in der pvi_1441.037
lyrischen Dichtung thätig und am entschiedensten in der letzteren ihr Feld pvi_1441.038
behaupten gesehen; aber auch das Drama ist ihr nicht verschlossen, der natürliche
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