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Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857.

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der wühlenden Phantasie aufbietet, sie darzustellen. Vergl. über diesen pvi_1227.002
Sinn des vergleichenden Verfahrens Hegel Aesth. Th. 1. S. 521 ff., wo pvi_1227.003
namentlich die letztere Seite an Richard II treffend auseinandergesetzt ist. pvi_1227.004
Schließlich aber erkennen wir darin, wenn nicht der einzelne Vergleichungs= pvi_1227.005
Act, sondern diese Form überhaupt und ihre nimmer ruhende Thätigkeit pvi_1227.006
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Wesen der Welt Glieder Einer Kette sind und in unendliche Anziehungen pvi_1227.008
der Verwandtschaft treten können, daß das All im Flusse der innern Einheit pvi_1227.009
sich bewegt.

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Wir eilen nun, ohne auf die sogen. Allegorie im engeren Sinne des pvi_1227.011
Worts (eine durch mehrere Momente durchgeführte Metapher, welche in pvi_1227.012
der Art verdeckt ist, daß sie den verglichenen Gegenstand verschweigt und pvi_1227.013
räthselartig errathen läßt) einzugehen, zu dem Unterschiede des Gleichnisses pvi_1227.014
und der Metapher. [Annotation]

Die Metapher ist die kühnere, feurigere Form, indem pvi_1227.015
sie das Wie und So wegläßt und die zwei verglichenen Erscheinungen wie pvi_1227.016
identisch zu schauen nöthigt. [Annotation] Mit solcher Energie verfährt Shakespeare, pvi_1227.017
wenn sein Othello nicht sagt: mein Herz ist wie versteinert, sondern: mein pvi_1227.018
Herz ist zu Stein geworden, ich schlage daran und die Hand schmerzt mich. [Annotation]pvi_1227.019
Die Satz-Entwicklung kommt hier noch dazu, die verglichenen Zwei wie pvi_1227.020
identisch zusammenzuzwingen, [Annotation] ebenso wenn Othello einen Beweis verlangt, pvi_1227.021
an dem kein Häkchen sei, den kleinsten Zweifel d'ran zu hängen. [Annotation] Kürzer tritt die pvi_1227.022
Metapher durch den bloßen Genitiv oder eine Präposition auf, die das zur pvi_1227.023
Vergleichung Beigezogene zur Eigenschaft, Attribut, Theil eines zunächst unbildlich pvi_1227.024
gesetzten Ganzen zu machen scheinen, welches aber mittelbar dadurch pvi_1227.025
in seiner Totalität bildlich wird [Annotation] ( z. B. "die Thore, eurer Stadt geschloßne pvi_1227.026
Augen" [Annotation] , oder: "hier, nur hier, auf dieser Sandbank in der Zeit" [Annotation] ; dort pvi_1227.027
wird die Stadt zu einer Person [Annotation] , hier die Zeit zu einem Meer [Annotation] ); es ist dieß pvi_1227.028
eine Form, die enger bindet, als das bloße Epitheton [Annotation] (wie: Wunden, diese pvi_1227.029
Fenster, die sich aufgethan, dein Leben zu entlassen), doch geht letzteres wieder pvi_1227.030
in eine stärkere Form über, wenn das Verglichene nicht genannt, sondern pvi_1227.031
nur darauf hingezeigt wird (wie statt: Lippen: diese schwellenden Himmel). pvi_1227.032
Eine ganz gewöhnliche Wendung, die doch in der Lehre vom h. Abendmahl pvi_1227.033
auf so wilde Verhärtung stieß, ist die Bindung durch die Copula; lebendiger pvi_1227.034
ist das Band, wenn das Bild als bewegte Form im thätigen oder leidenden pvi_1227.035
Zeitworte liegt oder von diesem kühn subsumirt wird [Annotation] , wie wenn Hamlet pvi_1227.036
"Dolche zu seiner Mutter spricht." [Annotation] - Die ruhigere Form des bildlichen pvi_1227.037
Verfahrens, das Gleichniß, gewinnt dagegen, was sie zu erzwingen verzichtet, pvi_1227.038
indem sie Bild und Gegenstand auseinanderhält, durch stetigen Fortschritt pvi_1227.039
in ihrer Entwicklung, wie Northumberlands schönes Bild: Ganz pvi_1227.040
solch ein Mann, so matt, so athemlos u. s. w. (Heinrich IV, Abth. 2. pvi_1227.041
Act 1, Sc. 1.); natürlich verstärkt sich die überzeugende Kraft, wenn an die

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der wühlenden Phantasie aufbietet, sie darzustellen. Vergl. über diesen pvi_1227.002
Sinn des vergleichenden Verfahrens Hegel Aesth. Th. 1. S. 521 ff., wo pvi_1227.003
namentlich die letztere Seite an Richard II treffend auseinandergesetzt ist. pvi_1227.004
Schließlich aber erkennen wir darin, wenn nicht der einzelne Vergleichungs= pvi_1227.005
Act, sondern diese Form überhaupt und ihre nimmer ruhende Thätigkeit pvi_1227.006
in's Auge gefaßt wird, die allgemeine, metaphysische Wahrheit, daß alle pvi_1227.007
Wesen der Welt Glieder Einer Kette sind und in unendliche Anziehungen pvi_1227.008
der Verwandtschaft treten können, daß das All im Flusse der innern Einheit pvi_1227.009
sich bewegt.

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Wir eilen nun, ohne auf die sogen. Allegorie im engeren Sinne des pvi_1227.011
Worts (eine durch mehrere Momente durchgeführte Metapher, welche in pvi_1227.012
der Art verdeckt ist, daß sie den verglichenen Gegenstand verschweigt und pvi_1227.013
räthselartig errathen läßt) einzugehen, zu dem Unterschiede des Gleichnisses pvi_1227.014
und der Metapher. [Annotation]

Die Metapher ist die kühnere, feurigere Form, indem pvi_1227.015
sie das Wie und So wegläßt und die zwei verglichenen Erscheinungen wie pvi_1227.016
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wenn sein Othello nicht sagt: mein Herz ist wie versteinert, sondern: mein pvi_1227.018
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solch ein Mann, so matt, so athemlos u. s. w. (Heinrich IV, Abth. 2. pvi_1227.041
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[1227/0089] pvi_1227.001 der wühlenden Phantasie aufbietet, sie darzustellen. Vergl. über diesen pvi_1227.002 Sinn des vergleichenden Verfahrens Hegel Aesth. Th. 1. S. 521 ff., wo pvi_1227.003 namentlich die letztere Seite an Richard II treffend auseinandergesetzt ist. pvi_1227.004 Schließlich aber erkennen wir darin, wenn nicht der einzelne Vergleichungs= pvi_1227.005 Act, sondern diese Form überhaupt und ihre nimmer ruhende Thätigkeit pvi_1227.006 in's Auge gefaßt wird, die allgemeine, metaphysische Wahrheit, daß alle pvi_1227.007 Wesen der Welt Glieder Einer Kette sind und in unendliche Anziehungen pvi_1227.008 der Verwandtschaft treten können, daß das All im Flusse der innern Einheit pvi_1227.009 sich bewegt. pvi_1227.010 Wir eilen nun, ohne auf die sogen. Allegorie im engeren Sinne des pvi_1227.011 Worts (eine durch mehrere Momente durchgeführte Metapher, welche in pvi_1227.012 der Art verdeckt ist, daß sie den verglichenen Gegenstand verschweigt und pvi_1227.013 räthselartig errathen läßt) einzugehen, zu dem Unterschiede des Gleichnisses pvi_1227.014 und der Metapher. Unterkategorie der Metapher: Allegorie? (als spezielle Form der Metapher) Die Metapher ist die kühnere, feurigere Form, indem pvi_1227.015 sie das Wie und So wegläßt und die zwei verglichenen Erscheinungen wie pvi_1227.016 identisch zu schauen nöthigt. Mit solcher Energie verfährt Shakespeare, pvi_1227.017 wenn sein Othello nicht sagt: mein Herz ist wie versteinert, sondern: mein pvi_1227.018 Herz ist zu Stein geworden, ich schlage daran und die Hand schmerzt mich. Othello (Othello wird als Figur erwähnt), Quelle: William Shakespeare: Othello, https://textgridrep.org/browse/-/browse/vn7q_0. pvi_1227.019 Die Satz-Entwicklung kommt hier noch dazu, die verglichenen Zwei wie pvi_1227.020 identisch zusammenzuzwingen, Quelle: Othello (siehe vorherige Paraphrase) ebenso wenn Othello einen Beweis verlangt, pvi_1227.021 an dem kein Häkchen sei, den kleinsten Zweifel d'ran zu hängen. Quelle: Othello; Quelle/Autor ergibt sich aus vorheriger Paraphrase Kürzer tritt die pvi_1227.022 Metapher durch den bloßen Genitiv oder eine Präposition auf, die das zur pvi_1227.023 Vergleichung Beigezogene zur Eigenschaft, Attribut, Theil eines zunächst unbildlich pvi_1227.024 gesetzten Ganzen zu machen scheinen, welches aber mittelbar dadurch pvi_1227.025 in seiner Totalität bildlich wird ( z. B. „die Thore, eurer Stadt geschloßne pvi_1227.026 Augen“ Quellenannahme: William Shakespeare: König Johann, https://textgridrep.org/browse/-/browse/vnjn_0. , oder: „hier, nur hier, auf dieser Sandbank in der Zeit“ Wortlaut offenbar verändert (...Sandbank unserer Zeitlichkeit) Quellenannahme: William Shakespeare: Macbeth, https://textgridrep.org/browse/-/browse/vn2s_0, ; dort pvi_1227.027 wird die Stadt zu einer Person Quellenannahme: William Shakespeare: König Johann, https://textgridrep.org/browse/-/browse/vnjn_0. ,hier die Zeit zu einem Meer Quellenannahme: William Shakespeare: Macbeth, https://textgridrep.org/browse/-/browse/vn2s_0. ); es ist dieß pvi_1227.028 eine Form, die enger bindet, als das bloße Epitheton Epitheton als Parallelkategorie (wie: Wunden, diese pvi_1227.029 Fenster, die sich aufgethan, dein Leben zu entlassen), doch geht letzteres wieder pvi_1227.030 in eine stärkere Form über, wenn das Verglichene nicht genannt, sondern pvi_1227.031 nur darauf hingezeigt wird (wie statt: Lippen: diese schwellenden Himmel). pvi_1227.032 Eine ganz gewöhnliche Wendung, die doch in der Lehre vom h. Abendmahl pvi_1227.033 auf so wilde Verhärtung stieß, ist die Bindung durch die Copula; lebendiger pvi_1227.034 ist das Band, wenn das Bild als bewegte Form im thätigen oder leidenden pvi_1227.035 Zeitworte liegt oder von diesem kühn subsumirt wird Nennung: Lehre vom hl. Abendmahl (Quelle/Werk: Neues Testament?) , wie wenn Hamlet pvi_1227.036 „Dolche zu seiner Mutter spricht.“ Wortlaut offenbar verändert; Hamlet (als Figur genannt); Quelle: William Shakespeare: Hamlet https://textgridrep.org/browse/-/browse/vncw_0 – Die ruhigere Form des bildlichen pvi_1227.037 Verfahrens, das Gleichniß, gewinnt dagegen, was sie zu erzwingen verzichtet, pvi_1227.038 indem sie Bild und Gegenstand auseinanderhält, durch stetigen Fortschritt pvi_1227.039 in ihrer Entwicklung, wie Northumberlands schönes Bild: Ganz pvi_1227.040 solch ein Mann, so matt, so athemlos u. s. w. (Heinrich IV, Abth. 2. pvi_1227.041 Act 1, Sc. 1.); natürlich verstärkt sich die überzeugende Kraft, wenn an die

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TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen zum Gebrauche für Vorlesungen. Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. Die Künste. Fünftes Heft: Die Dichtung (Schluss des ganzen Werkes). Stuttgart, 1857, S. 1227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_poetik_1857/89>, abgerufen am 22.11.2024.