sich zu gewissen Zeiten eigenthümliche Individuen aus, deren Verdau- ungsapparat meist nur rudimentär oder selbst gänzlich verkümmert ist; auch die Fühler dieser Geschlechtsindividuen sind durchaus verkümmert und meistens bilden sie nur geschlossene Becher, in deren Innerem sich vollständige Eier oder Samenthierchen erzeugen. Nach ihrer Entleerung verschwinden diese kapselförmigen Individuen wieder und der Polypenstock erscheint dann vollkommen geschlechtlos. Die letzte Art der Fort- pflanzung, welche die vollkommnere Quallenform liefert, werden wir erst später betrachten.
Man findet die Armpolypen in allen Meeren und eine Gattung, das einzige Beispiel unter sämmtlichen Strahlthieren, auch im süßen Wasser. Sie bilden stets nur sehr kleine, dünne Polypenstöcke, die entweder krustenartig sind oder kleine Fädchen und Bäumchen dar- stellen, die sich überall, besonders aber auch auf den Blättern der Tange und andern Seepflanzen ansiedeln. Diejenigen der südlichen Meere sind noch fast gar nicht bekannt und auch die der nördlichen See nur unzureichend untersucht.
Die Zahl der bekannten Armpolyen ist nur gering und steht durchaus in keinem Verhältniß mit derjenigen der vollendeteren For- men, so daß eine genauere Eintheilung derselben auch schon deshalb unthunlich ist, weil dieselbe aus der Kenntniß der beiden Erscheinungs- formen gemeinschaftlich hervorgehen müßte. Wir theilen einstweilen die Armpolypen in folgende Familien ein:
Die Familie der Süßwasserpolypen(Hydrida) besteht hauptsäch-
[Abbildung]
Fig 102.
a Wasserlinsen, an deren Wurzeln die Polypen sitzen. b ein entwickelter Polyp. c ein solcher mit zwei, der Ablösung na- hen ausgebildeten Knosven. d ein anderer, ganz zusammengezogen.
lich aus der Gattung Hydra, deren Arten man vorzüglich häufig an Wasserlinsenwur- zeln angeheftet findet. Das Thier ist ganz nackt, mit langen Fangarmen versehen, die es auch zum Umherklettern braucht, obgleich es sich gewöhnlich mit seinem Fuße festsetzt und ruhig auf Beute lauert. Die Fangarme selbst sind hohl und ihre Höhle steht mit der, den ganzen Leib des Thieres bildenden Verdauungshöhle in Verbindung. Sie kön- nen ungemein verlängert werden und dienen durch ihre Nessel- und Haftorgane zum Fangen der Beute, die besonders in Wasser- flöhen (Cyclops), kleinen Mückenlarven und derlei Thierchen besteht. Die Thiere sind ungeheuer gefräßig und pflanzen sich bei gu- tem Futter lebhaft durch Knospen fort, die
ſich zu gewiſſen Zeiten eigenthümliche Individuen aus, deren Verdau- ungsapparat meiſt nur rudimentär oder ſelbſt gänzlich verkümmert iſt; auch die Fühler dieſer Geſchlechtsindividuen ſind durchaus verkümmert und meiſtens bilden ſie nur geſchloſſene Becher, in deren Innerem ſich vollſtändige Eier oder Samenthierchen erzeugen. Nach ihrer Entleerung verſchwinden dieſe kapſelförmigen Individuen wieder und der Polypenſtock erſcheint dann vollkommen geſchlechtlos. Die letzte Art der Fort- pflanzung, welche die vollkommnere Quallenform liefert, werden wir erſt ſpäter betrachten.
Man findet die Armpolypen in allen Meeren und eine Gattung, das einzige Beiſpiel unter ſämmtlichen Strahlthieren, auch im ſüßen Waſſer. Sie bilden ſtets nur ſehr kleine, dünne Polypenſtöcke, die entweder kruſtenartig ſind oder kleine Fädchen und Bäumchen dar- ſtellen, die ſich überall, beſonders aber auch auf den Blättern der Tange und andern Seepflanzen anſiedeln. Diejenigen der ſüdlichen Meere ſind noch faſt gar nicht bekannt und auch die der nördlichen See nur unzureichend unterſucht.
Die Zahl der bekannten Armpolyen iſt nur gering und ſteht durchaus in keinem Verhältniß mit derjenigen der vollendeteren For- men, ſo daß eine genauere Eintheilung derſelben auch ſchon deshalb unthunlich iſt, weil dieſelbe aus der Kenntniß der beiden Erſcheinungs- formen gemeinſchaftlich hervorgehen müßte. Wir theilen einſtweilen die Armpolypen in folgende Familien ein:
Die Familie der Süßwaſſerpolypen(Hydrida) beſteht hauptſäch-
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Fig 102.
a Waſſerlinſen, an deren Wurzeln die Polypen ſitzen. b ein entwickelter Polyp. c ein ſolcher mit zwei, der Ablöſung na- hen ausgebildeten Knosven. d ein anderer, ganz zuſammengezogen.
lich aus der Gattung Hydra, deren Arten man vorzüglich häufig an Waſſerlinſenwur- zeln angeheftet findet. Das Thier iſt ganz nackt, mit langen Fangarmen verſehen, die es auch zum Umherklettern braucht, obgleich es ſich gewöhnlich mit ſeinem Fuße feſtſetzt und ruhig auf Beute lauert. Die Fangarme ſelbſt ſind hohl und ihre Höhle ſteht mit der, den ganzen Leib des Thieres bildenden Verdauungshöhle in Verbindung. Sie kön- nen ungemein verlängert werden und dienen durch ihre Neſſel- und Haftorgane zum Fangen der Beute, die beſonders in Waſſer- flöhen (Cyclops), kleinen Mückenlarven und derlei Thierchen beſteht. Die Thiere ſind ungeheuer gefräßig und pflanzen ſich bei gu- tem Futter lebhaft durch Knospen fort, die
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ſich zu gewiſſen Zeiten eigenthümliche Individuen aus, deren Verdau-
ungsapparat meiſt nur rudimentär oder ſelbſt gänzlich verkümmert iſt;
auch die Fühler dieſer Geſchlechtsindividuen ſind durchaus verkümmert
und meiſtens bilden ſie nur geſchloſſene Becher, in deren Innerem ſich
vollſtändige Eier oder Samenthierchen erzeugen. Nach ihrer Entleerung
verſchwinden dieſe kapſelförmigen Individuen wieder und der Polypenſtock
erſcheint dann vollkommen geſchlechtlos. Die letzte Art der Fort-
pflanzung, welche die vollkommnere Quallenform liefert, werden wir
erſt ſpäter betrachten.
Man findet die Armpolypen in allen Meeren und eine Gattung,
das einzige Beiſpiel unter ſämmtlichen Strahlthieren, auch im ſüßen
Waſſer. Sie bilden ſtets nur ſehr kleine, dünne Polypenſtöcke, die
entweder kruſtenartig ſind oder kleine Fädchen und Bäumchen dar-
ſtellen, die ſich überall, beſonders aber auch auf den Blättern der
Tange und andern Seepflanzen anſiedeln. Diejenigen der ſüdlichen
Meere ſind noch faſt gar nicht bekannt und auch die der nördlichen
See nur unzureichend unterſucht.
Die Zahl der bekannten Armpolyen iſt nur gering und ſteht
durchaus in keinem Verhältniß mit derjenigen der vollendeteren For-
men, ſo daß eine genauere Eintheilung derſelben auch ſchon deshalb
unthunlich iſt, weil dieſelbe aus der Kenntniß der beiden Erſcheinungs-
formen gemeinſchaftlich hervorgehen müßte. Wir theilen einſtweilen
die Armpolypen in folgende Familien ein:
Die Familie der Süßwaſſerpolypen (Hydrida) beſteht hauptſäch-
[Abbildung Fig 102.
a Waſſerlinſen, an deren
Wurzeln die Polypen ſitzen. b
ein entwickelter Polyp. c ein
ſolcher mit zwei, der Ablöſung na-
hen ausgebildeten Knosven. d ein
anderer, ganz zuſammengezogen.]
lich aus der Gattung Hydra, deren Arten
man vorzüglich häufig an Waſſerlinſenwur-
zeln angeheftet findet. Das Thier iſt ganz
nackt, mit langen Fangarmen verſehen, die
es auch zum Umherklettern braucht, obgleich
es ſich gewöhnlich mit ſeinem Fuße feſtſetzt
und ruhig auf Beute lauert. Die Fangarme
ſelbſt ſind hohl und ihre Höhle ſteht mit
der, den ganzen Leib des Thieres bildenden
Verdauungshöhle in Verbindung. Sie kön-
nen ungemein verlängert werden und dienen
durch ihre Neſſel- und Haftorgane zum
Fangen der Beute, die beſonders in Waſſer-
flöhen (Cyclops), kleinen Mückenlarven und
derlei Thierchen beſteht. Die Thiere ſind
ungeheuer gefräßig und pflanzen ſich bei gu-
tem Futter lebhaft durch Knospen fort, die
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/134>, abgerufen am 22.12.2024.
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