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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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gruben; die Glieder sind meist mehr breit als lang und die Geschlechts-
theile in der Mitte der Glieder angebracht, wo sie eine Rosette bilden.
Die Grubenköpfe sind äußerst häufig, besonders in Fischen und bei
diesen grade hat man nachgewiesen, daß sie im Jugendzustande vier
einziehbare Hakenrüssel haben und daß die beiden Gattungen Scolex
und Tetrarhynchus nur ihre Larvenzustände sind. Eine Art, der breite
Grubenkopf, bewohnt den Dünndarm des Menschen, und ist in Hol-
land, Polen und der Schweiz einheimisch. Obgleich er eine fabelhafte
Länge erreichen kann, so ist er doch niemals von so unangenehmen
Zuständen begleitet wie der eigentliche Bandwurm und läßt sich leicht
durch Wurmmittel abtreiben. Die eigentlichen Bandwürmer
(Taenia)
haben mehr kürbiskernförmige, in die Länge gezogene Glie-
der. Die mit Eiern angefüllten Geschlechtstheile bilden darin eine
baumartige Verzweigung und die Geschlechtsöffnungen befinden sich auf
der Seite der Glieder, nicht aber in der Mitte. Man unterscheidet
die einzelnen Glieder leicht durch die seitlich heraushängenden Begat-
tungsorgane, während bei dem Grubenkopfe die Begattungsorgane
mitten aus dem Gliede hervortreten. Der Kopf der Bandwürmer trägt
stets einen doppelten oder einfachen Hakenkranz und vier Saugnäpfe
und ist äußerst schwierig zu entfernen.

Eine eigenthümliche Entartung der Bandwürmer ist diejenige,
welche die sogenannten Blasenwürmer (Cystica) hervorbringt.
Man findet nämlich in vielen Thie-
ren, besonders aber in sonst unzu-

[Abbildung] Fig. 194.

Der gewöhnliche Finnenwurm (Cysticercus
cellulosae
) vom Schweine.
Bei a sieht man das ganze Thier in
natürlicher Größe mit dem vierseitigen
Kopfe, dem geringelten dünnen Halse und
der Endblase. Bei b den Kopf vergrößert,
so daß der mittlere Hakenrüssel und die
Sauggruben deutlich sind.

gänglichen Theilen und stets in
Cysten eingeschlossen, Würmer oder
Wurmkolonieen, welche Köpfe mit
Saugnäpfen und Hakenrüsseln be-
sitzen, die vollkommen den Köpfen der
Bandwürmer entsprechen. Es sitzen
diese Kopfenden auf einem mehr
oder minder langen gegliederten
Halse, der in eine mit dicklicher, ei-
weißhaltiger Flüssigkeit gefüllte
Blase endigt. Nie und unter keinen
Umständen findet man bei diesen
Blasenwürmern, deren Köpfe meist
in die Blase zurückgezogen werden
können, eine Spur von Geschlechtstheilen. Man hat diese Thiere früher
als eine eigene Ordnung betrachtet, hat aber jetzt eingesehen, daß es

gruben; die Glieder ſind meiſt mehr breit als lang und die Geſchlechts-
theile in der Mitte der Glieder angebracht, wo ſie eine Roſette bilden.
Die Grubenköpfe ſind äußerſt häufig, beſonders in Fiſchen und bei
dieſen grade hat man nachgewieſen, daß ſie im Jugendzuſtande vier
einziehbare Hakenrüſſel haben und daß die beiden Gattungen Scolex
und Tetrarhynchus nur ihre Larvenzuſtände ſind. Eine Art, der breite
Grubenkopf, bewohnt den Dünndarm des Menſchen, und iſt in Hol-
land, Polen und der Schweiz einheimiſch. Obgleich er eine fabelhafte
Länge erreichen kann, ſo iſt er doch niemals von ſo unangenehmen
Zuſtänden begleitet wie der eigentliche Bandwurm und läßt ſich leicht
durch Wurmmittel abtreiben. Die eigentlichen Bandwürmer
(Taenia)
haben mehr kürbiskernförmige, in die Länge gezogene Glie-
der. Die mit Eiern angefüllten Geſchlechtstheile bilden darin eine
baumartige Verzweigung und die Geſchlechtsöffnungen befinden ſich auf
der Seite der Glieder, nicht aber in der Mitte. Man unterſcheidet
die einzelnen Glieder leicht durch die ſeitlich heraushängenden Begat-
tungsorgane, während bei dem Grubenkopfe die Begattungsorgane
mitten aus dem Gliede hervortreten. Der Kopf der Bandwürmer trägt
ſtets einen doppelten oder einfachen Hakenkranz und vier Saugnäpfe
und iſt äußerſt ſchwierig zu entfernen.

Eine eigenthümliche Entartung der Bandwürmer iſt diejenige,
welche die ſogenannten Blaſenwürmer (Cystica) hervorbringt.
Man findet nämlich in vielen Thie-
ren, beſonders aber in ſonſt unzu-

[Abbildung] Fig. 194.

Der gewöhnliche Finnenwurm (Cysticercus
cellulosae
) vom Schweine.
Bei a ſieht man das ganze Thier in
natürlicher Größe mit dem vierſeitigen
Kopfe, dem geringelten dünnen Halſe und
der Endblaſe. Bei b den Kopf vergrößert,
ſo daß der mittlere Hakenrüſſel und die
Sauggruben deutlich ſind.

gänglichen Theilen und ſtets in
Cyſten eingeſchloſſen, Würmer oder
Wurmkolonieen, welche Köpfe mit
Saugnäpfen und Hakenrüſſeln be-
ſitzen, die vollkommen den Köpfen der
Bandwürmer entſprechen. Es ſitzen
dieſe Kopfenden auf einem mehr
oder minder langen gegliederten
Halſe, der in eine mit dicklicher, ei-
weißhaltiger Flüſſigkeit gefüllte
Blaſe endigt. Nie und unter keinen
Umſtänden findet man bei dieſen
Blaſenwürmern, deren Köpfe meiſt
in die Blaſe zurückgezogen werden
können, eine Spur von Geſchlechtstheilen. Man hat dieſe Thiere früher
als eine eigene Ordnung betrachtet, hat aber jetzt eingeſehen, daß es

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[196/0202] gruben; die Glieder ſind meiſt mehr breit als lang und die Geſchlechts- theile in der Mitte der Glieder angebracht, wo ſie eine Roſette bilden. Die Grubenköpfe ſind äußerſt häufig, beſonders in Fiſchen und bei dieſen grade hat man nachgewieſen, daß ſie im Jugendzuſtande vier einziehbare Hakenrüſſel haben und daß die beiden Gattungen Scolex und Tetrarhynchus nur ihre Larvenzuſtände ſind. Eine Art, der breite Grubenkopf, bewohnt den Dünndarm des Menſchen, und iſt in Hol- land, Polen und der Schweiz einheimiſch. Obgleich er eine fabelhafte Länge erreichen kann, ſo iſt er doch niemals von ſo unangenehmen Zuſtänden begleitet wie der eigentliche Bandwurm und läßt ſich leicht durch Wurmmittel abtreiben. Die eigentlichen Bandwürmer (Taenia) haben mehr kürbiskernförmige, in die Länge gezogene Glie- der. Die mit Eiern angefüllten Geſchlechtstheile bilden darin eine baumartige Verzweigung und die Geſchlechtsöffnungen befinden ſich auf der Seite der Glieder, nicht aber in der Mitte. Man unterſcheidet die einzelnen Glieder leicht durch die ſeitlich heraushängenden Begat- tungsorgane, während bei dem Grubenkopfe die Begattungsorgane mitten aus dem Gliede hervortreten. Der Kopf der Bandwürmer trägt ſtets einen doppelten oder einfachen Hakenkranz und vier Saugnäpfe und iſt äußerſt ſchwierig zu entfernen. Eine eigenthümliche Entartung der Bandwürmer iſt diejenige, welche die ſogenannten Blaſenwürmer (Cystica) hervorbringt. Man findet nämlich in vielen Thie- ren, beſonders aber in ſonſt unzu- [Abbildung Fig. 194. Der gewöhnliche Finnenwurm (Cysticercus cellulosae) vom Schweine. Bei a ſieht man das ganze Thier in natürlicher Größe mit dem vierſeitigen Kopfe, dem geringelten dünnen Halſe und der Endblaſe. Bei b den Kopf vergrößert, ſo daß der mittlere Hakenrüſſel und die Sauggruben deutlich ſind.] gänglichen Theilen und ſtets in Cyſten eingeſchloſſen, Würmer oder Wurmkolonieen, welche Köpfe mit Saugnäpfen und Hakenrüſſeln be- ſitzen, die vollkommen den Köpfen der Bandwürmer entſprechen. Es ſitzen dieſe Kopfenden auf einem mehr oder minder langen gegliederten Halſe, der in eine mit dicklicher, ei- weißhaltiger Flüſſigkeit gefüllte Blaſe endigt. Nie und unter keinen Umſtänden findet man bei dieſen Blaſenwürmern, deren Köpfe meiſt in die Blaſe zurückgezogen werden können, eine Spur von Geſchlechtstheilen. Man hat dieſe Thiere früher als eine eigene Ordnung betrachtet, hat aber jetzt eingeſehen, daß es

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/202>, abgerufen am 10.05.2024.