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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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sich an die äußere Haut an und lassen sich so herumtragen. Eine
ganz augenlose Gattung (Branchiobdella) lebt besonders häufig an den
Kiemen der Flußkrebse, und kann wegen der Durchsichtigkeit ihrer
Haut leicht zu mikroskopischen Beobachtungen benutzt werden. Der
große Verbrauch des medizinischen Blutegels zu ärztlichen Zwecken ist
bekannt. Man legt zu seiner Aufbewahrung eigene Zuchtteiche und
Tümpel an, deren Behandlung viele Sorgfalt erfordert und bezieht
jetzt die meisten aus Ostindien und Aegypten, da die ungarischen und
polnischen Sümpfe, welche sie früher in ungeheurer Anzahl lieferten,
fast erschöpft sind. Aulacostomum; Pentobdella.

Die Ordnung der Sternwürmer (Gephyrea) wird von

[Abbildung] Fig. 235.

Sipunculus.
a
Der mit rückwärtsgebo-
genen in Querreihen stehen-
den Haken besetzte Rüssel;
b die Fühlwarzen; c der
durch die Körperhaut durch-
scheinende Darm; d der After.

einer höchst eigenthümlichen Gruppe von Meer-
würmern gebildet, welche man bis jetzt großen-
theils als zu den Strahlthieren gehörig be-
trachtete, indem man sie den Seewalzen an-
reihte. Der Körper dieser Thiere ist walz-
enförmig, drehrund, von einer derben leder-
artigen Haut umhüllt und meist nackt, doch
sieht man bei einigen Gattungen steife, in die
Haut eingepflanzte, unbewegliche Borsten, oder
auch an dem Vorderende einige Haken, die zum
Festhalten dienen. Alle diese Thiere leben im
Sande, in Löchern und in Höhlen in ähnlicher
Weise unter dem Wasser, wie die Regenwür-
mer auf dem festen Lande. Sie zeigen keinen
besonders abgesetzten Kopf und keine Sin-
nesorgane. Das Nervensystem besteht aus
einem Bauchmarke und einem Schlundringe,
an dem sich ein unbedeutender Hirnknoten
erkennen läßt. Der Mund befindet sich an
dem vordern Ende des Körpers und ist
bei den meisten Gattungen mit einem lan-
gen Rüssel versehen, welcher in ähnlicher
Weise wie bei den Kratzern, mit rückwärts ge-
bogenen Haken besetzt ist. Der Darmkanal er-
scheint bei den meisten Gattungen gewunden, nur bei einigen grade
und öffnet sich an dem hintern Ende des Körpers; nur bei einer Gat-
tung findet sich der After auf der Bauchseite in der vordern Hälfte
des Körpers. Es sind diese Thiere meist noch sehr unbekannt, ihre
Anatomie sowie ihre Entwicklung bedarf noch vieler Aufklärung, bevor

ſich an die äußere Haut an und laſſen ſich ſo herumtragen. Eine
ganz augenloſe Gattung (Branchiobdella) lebt beſonders häufig an den
Kiemen der Flußkrebſe, und kann wegen der Durchſichtigkeit ihrer
Haut leicht zu mikroſkopiſchen Beobachtungen benutzt werden. Der
große Verbrauch des mediziniſchen Blutegels zu ärztlichen Zwecken iſt
bekannt. Man legt zu ſeiner Aufbewahrung eigene Zuchtteiche und
Tümpel an, deren Behandlung viele Sorgfalt erfordert und bezieht
jetzt die meiſten aus Oſtindien und Aegypten, da die ungariſchen und
polniſchen Sümpfe, welche ſie früher in ungeheurer Anzahl lieferten,
faſt erſchöpft ſind. Aulacostomum; Pentobdella.

Die Ordnung der Sternwürmer (Gephyrea) wird von

[Abbildung] Fig. 235.

Sipunculus.
a
Der mit rückwärtsgebo-
genen in Querreihen ſtehen-
den Haken beſetzte Rüſſel;
b die Fühlwarzen; c der
durch die Körperhaut durch-
ſcheinende Darm; d der After.

einer höchſt eigenthümlichen Gruppe von Meer-
würmern gebildet, welche man bis jetzt großen-
theils als zu den Strahlthieren gehörig be-
trachtete, indem man ſie den Seewalzen an-
reihte. Der Körper dieſer Thiere iſt walz-
enförmig, drehrund, von einer derben leder-
artigen Haut umhüllt und meiſt nackt, doch
ſieht man bei einigen Gattungen ſteife, in die
Haut eingepflanzte, unbewegliche Borſten, oder
auch an dem Vorderende einige Haken, die zum
Feſthalten dienen. Alle dieſe Thiere leben im
Sande, in Löchern und in Höhlen in ähnlicher
Weiſe unter dem Waſſer, wie die Regenwür-
mer auf dem feſten Lande. Sie zeigen keinen
beſonders abgeſetzten Kopf und keine Sin-
nesorgane. Das Nervenſyſtem beſteht aus
einem Bauchmarke und einem Schlundringe,
an dem ſich ein unbedeutender Hirnknoten
erkennen läßt. Der Mund befindet ſich an
dem vordern Ende des Körpers und iſt
bei den meiſten Gattungen mit einem lan-
gen Rüſſel verſehen, welcher in ähnlicher
Weiſe wie bei den Kratzern, mit rückwärts ge-
bogenen Haken beſetzt iſt. Der Darmkanal er-
ſcheint bei den meiſten Gattungen gewunden, nur bei einigen grade
und öffnet ſich an dem hintern Ende des Körpers; nur bei einer Gat-
tung findet ſich der After auf der Bauchſeite in der vordern Hälfte
des Körpers. Es ſind dieſe Thiere meiſt noch ſehr unbekannt, ihre
Anatomie ſowie ihre Entwicklung bedarf noch vieler Aufklärung, bevor

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[228/0234] ſich an die äußere Haut an und laſſen ſich ſo herumtragen. Eine ganz augenloſe Gattung (Branchiobdella) lebt beſonders häufig an den Kiemen der Flußkrebſe, und kann wegen der Durchſichtigkeit ihrer Haut leicht zu mikroſkopiſchen Beobachtungen benutzt werden. Der große Verbrauch des mediziniſchen Blutegels zu ärztlichen Zwecken iſt bekannt. Man legt zu ſeiner Aufbewahrung eigene Zuchtteiche und Tümpel an, deren Behandlung viele Sorgfalt erfordert und bezieht jetzt die meiſten aus Oſtindien und Aegypten, da die ungariſchen und polniſchen Sümpfe, welche ſie früher in ungeheurer Anzahl lieferten, faſt erſchöpft ſind. Aulacostomum; Pentobdella. Die Ordnung der Sternwürmer (Gephyrea) wird von [Abbildung Fig. 235. Sipunculus. a Der mit rückwärtsgebo- genen in Querreihen ſtehen- den Haken beſetzte Rüſſel; b die Fühlwarzen; c der durch die Körperhaut durch- ſcheinende Darm; d der After.] einer höchſt eigenthümlichen Gruppe von Meer- würmern gebildet, welche man bis jetzt großen- theils als zu den Strahlthieren gehörig be- trachtete, indem man ſie den Seewalzen an- reihte. Der Körper dieſer Thiere iſt walz- enförmig, drehrund, von einer derben leder- artigen Haut umhüllt und meiſt nackt, doch ſieht man bei einigen Gattungen ſteife, in die Haut eingepflanzte, unbewegliche Borſten, oder auch an dem Vorderende einige Haken, die zum Feſthalten dienen. Alle dieſe Thiere leben im Sande, in Löchern und in Höhlen in ähnlicher Weiſe unter dem Waſſer, wie die Regenwür- mer auf dem feſten Lande. Sie zeigen keinen beſonders abgeſetzten Kopf und keine Sin- nesorgane. Das Nervenſyſtem beſteht aus einem Bauchmarke und einem Schlundringe, an dem ſich ein unbedeutender Hirnknoten erkennen läßt. Der Mund befindet ſich an dem vordern Ende des Körpers und iſt bei den meiſten Gattungen mit einem lan- gen Rüſſel verſehen, welcher in ähnlicher Weiſe wie bei den Kratzern, mit rückwärts ge- bogenen Haken beſetzt iſt. Der Darmkanal er- ſcheint bei den meiſten Gattungen gewunden, nur bei einigen grade und öffnet ſich an dem hintern Ende des Körpers; nur bei einer Gat- tung findet ſich der After auf der Bauchſeite in der vordern Hälfte des Körpers. Es ſind dieſe Thiere meiſt noch ſehr unbekannt, ihre Anatomie ſowie ihre Entwicklung bedarf noch vieler Aufklärung, bevor

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/234>, abgerufen am 10.05.2024.