Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

zeln und Schossen abfressen, ist eine Fabel. Zur Brunstzeit entwickelt
sich bei diesen Thieren hinter den Geschlechtstheilen eine Anhäufung
von Drüsenbälgen, welche einen zähen klebrigen Schleim absondern,
der besonders zum Festhalten bei der Begattung dient. Die Drüsen-
bälge selbst schwellen zu dieser Zeit an und bilden entweder einen auf
dem Rücken liegenden Sattel oder einen förmlichen Gürtel um den
Leib, welcher von Unkundigen meist für eine vernarbte Wunde gehal-
ten wird. Einige Gattungen dieser Erdwürmer bauen sich förmliche
Röhren, während die meisten sich begnügen, ihre Gallerieen mit Schleim
auszufüttern und sie dadurch vor dem Zusammenfallen zu schützen.
Lumbricus; Saenuris; Enchytraeus; Euaxes; Rhynchelmis; Sternaspis.

Die Familie der Wasserschlängel (Naidida) begreift kleine, un-

[Abbildung] Fig. 236.

Nais (Stylaria) pro-
boscidea.
a
Rüsselartiger
Fortsatz des Kopfes,
hinter dem man den
Anfang des Dar-
mes und die beiden
Augen sieht. b
Schlund und Ma-
gen. c Darm,
durchscheinend durch
den Körper.

deutlich gegliederte, außer den Borstenbündeln am
Leibe auch noch mit einfachen Seitenborsten versehene
Würmer, welche besonders den Schlamm der süßen
Gewässer bewohnen und darin sich Galerieen gra-
ben, aus denen sie den stets lebhaft schlängelnden
Kopf hervorstrecken. Einige Arten (Chaetogaster)
schmarotzen auch in der Mantelhöhle der Wasser-
schnecken. Die meisten haben zwei deutliche Augen.
Es pflanzen sich diese Thiere unabhängig von der
geschlechtlichen Entwicklung auch noch in der oben
beschriebenen Weise durch Theilung fort und ihre
ausgezeichnete Reproductionskraft nach Verletzungen
ist schon oft der Gegenstand vielfacher Beobachtungen
gewesen. Nais; Chaetogaster; Stylaria; Proto; Aeo-
losoma.

Die Ordnung der Röhrenwürmer (Tubicola)
gehört ausschließlich dem Meere an und bildet mit
der folgenden Ordnung eine natürliche Gruppe in
ähnlicher Weise, wie die Egel und die Erdwürmer
eine größere zusammenhängende Gruppe darstellen.
Alle diese Würmer wohnen in dem ausgewachsenen
Zustande in Röhren, welche eine sehr verschiedene
Beschaffenheit zeigen. Bei den einen erscheinen sie
als vielfach gewundene Gallerieen aus fremden Kör-

zeln und Schoſſen abfreſſen, iſt eine Fabel. Zur Brunſtzeit entwickelt
ſich bei dieſen Thieren hinter den Geſchlechtstheilen eine Anhäufung
von Drüſenbälgen, welche einen zähen klebrigen Schleim abſondern,
der beſonders zum Feſthalten bei der Begattung dient. Die Drüſen-
bälge ſelbſt ſchwellen zu dieſer Zeit an und bilden entweder einen auf
dem Rücken liegenden Sattel oder einen förmlichen Gürtel um den
Leib, welcher von Unkundigen meiſt für eine vernarbte Wunde gehal-
ten wird. Einige Gattungen dieſer Erdwürmer bauen ſich förmliche
Röhren, während die meiſten ſich begnügen, ihre Gallerieen mit Schleim
auszufüttern und ſie dadurch vor dem Zuſammenfallen zu ſchützen.
Lumbricus; Saenuris; Enchytraeus; Euaxes; Rhynchelmis; Sternaspis.

Die Familie der Waſſerſchlängel (Naidida) begreift kleine, un-

[Abbildung] Fig. 236.

Nais (Stylaria) pro-
boscidea.
a
Rüſſelartiger
Fortſatz des Kopfes,
hinter dem man den
Anfang des Dar-
mes und die beiden
Augen ſieht. b
Schlund und Ma-
gen. c Darm,
durchſcheinend durch
den Körper.

deutlich gegliederte, außer den Borſtenbündeln am
Leibe auch noch mit einfachen Seitenborſten verſehene
Würmer, welche beſonders den Schlamm der ſüßen
Gewäſſer bewohnen und darin ſich Galerieen gra-
ben, aus denen ſie den ſtets lebhaft ſchlängelnden
Kopf hervorſtrecken. Einige Arten (Chaetogaster)
ſchmarotzen auch in der Mantelhöhle der Waſſer-
ſchnecken. Die meiſten haben zwei deutliche Augen.
Es pflanzen ſich dieſe Thiere unabhängig von der
geſchlechtlichen Entwicklung auch noch in der oben
beſchriebenen Weiſe durch Theilung fort und ihre
ausgezeichnete Reproductionskraft nach Verletzungen
iſt ſchon oft der Gegenſtand vielfacher Beobachtungen
geweſen. Nais; Chaetogaster; Stylaria; Proto; Aeo-
losoma.

Die Ordnung der Röhrenwürmer (Tubicola)
gehört ausſchließlich dem Meere an und bildet mit
der folgenden Ordnung eine natürliche Gruppe in
ähnlicher Weiſe, wie die Egel und die Erdwürmer
eine größere zuſammenhängende Gruppe darſtellen.
Alle dieſe Würmer wohnen in dem ausgewachſenen
Zuſtande in Röhren, welche eine ſehr verſchiedene
Beſchaffenheit zeigen. Bei den einen erſcheinen ſie
als vielfach gewundene Gallerieen aus fremden Kör-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0236" n="230"/>
zeln und Scho&#x017F;&#x017F;en abfre&#x017F;&#x017F;en, i&#x017F;t eine Fabel. Zur Brun&#x017F;tzeit entwickelt<lb/>
&#x017F;ich bei die&#x017F;en Thieren hinter den Ge&#x017F;chlechtstheilen eine Anhäufung<lb/>
von Drü&#x017F;enbälgen, welche einen zähen klebrigen Schleim ab&#x017F;ondern,<lb/>
der be&#x017F;onders zum Fe&#x017F;thalten bei der Begattung dient. Die Drü&#x017F;en-<lb/>
bälge &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chwellen zu die&#x017F;er Zeit an und bilden entweder einen auf<lb/>
dem Rücken liegenden Sattel oder einen förmlichen Gürtel um den<lb/>
Leib, welcher von Unkundigen mei&#x017F;t für eine vernarbte Wunde gehal-<lb/>
ten wird. Einige Gattungen die&#x017F;er Erdwürmer bauen &#x017F;ich förmliche<lb/>
Röhren, während die mei&#x017F;ten &#x017F;ich begnügen, ihre Gallerieen mit Schleim<lb/>
auszufüttern und &#x017F;ie dadurch vor dem Zu&#x017F;ammenfallen zu &#x017F;chützen.<lb/><hi rendition="#aq">Lumbricus; Saenuris; Enchytraeus; Euaxes; Rhynchelmis; Sternaspis.</hi></p><lb/>
          <p>Die Familie der <hi rendition="#b">Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chlängel</hi> (<hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Naidida</hi></hi>) begreift kleine, un-<lb/><figure><head>Fig. 236.</head><lb/><p><hi rendition="#aq">Nais (Stylaria) pro-<lb/>
boscidea.<lb/>
a</hi>&#x017F;&#x017F;elartiger<lb/>
Fort&#x017F;atz des Kopfes,<lb/>
hinter dem man den<lb/>
Anfang des Dar-<lb/>
mes und die beiden<lb/>
Augen &#x017F;ieht. <hi rendition="#aq">b</hi><lb/>
Schlund und Ma-<lb/>
gen. <hi rendition="#aq">c</hi> Darm,<lb/>
durch&#x017F;cheinend durch<lb/>
den Körper.</p></figure><lb/>
deutlich gegliederte, außer den Bor&#x017F;tenbündeln am<lb/>
Leibe auch noch mit einfachen Seitenbor&#x017F;ten ver&#x017F;ehene<lb/>
Würmer, welche be&#x017F;onders den Schlamm der &#x017F;üßen<lb/>
Gewä&#x017F;&#x017F;er bewohnen und darin &#x017F;ich Galerieen gra-<lb/>
ben, aus denen &#x017F;ie den &#x017F;tets lebhaft &#x017F;chlängelnden<lb/>
Kopf hervor&#x017F;trecken. Einige Arten (<hi rendition="#aq">Chaetogaster</hi>)<lb/>
&#x017F;chmarotzen auch in der Mantelhöhle der Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;chnecken. Die mei&#x017F;ten haben zwei deutliche Augen.<lb/>
Es pflanzen &#x017F;ich die&#x017F;e Thiere unabhängig von der<lb/>
ge&#x017F;chlechtlichen Entwicklung auch noch in der oben<lb/>
be&#x017F;chriebenen Wei&#x017F;e durch Theilung fort und ihre<lb/>
ausgezeichnete Reproductionskraft nach Verletzungen<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;chon oft der Gegen&#x017F;tand vielfacher Beobachtungen<lb/>
gewe&#x017F;en. <hi rendition="#aq">Nais; Chaetogaster; Stylaria; Proto; Aeo-<lb/>
losoma.</hi></p><lb/>
          <p>Die Ordnung der <hi rendition="#b">Röhrenwürmer (<hi rendition="#aq">Tubicola</hi>)</hi><lb/>
gehört aus&#x017F;chließlich dem Meere an und bildet mit<lb/>
der folgenden Ordnung eine natürliche Gruppe in<lb/>
ähnlicher Wei&#x017F;e, wie die Egel und die Erdwürmer<lb/>
eine größere zu&#x017F;ammenhängende Gruppe dar&#x017F;tellen.<lb/>
Alle die&#x017F;e Würmer wohnen in dem ausgewach&#x017F;enen<lb/>
Zu&#x017F;tande in Röhren, welche eine &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedene<lb/>
Be&#x017F;chaffenheit zeigen. Bei den einen er&#x017F;cheinen &#x017F;ie<lb/>
als vielfach gewundene Gallerieen aus fremden Kör-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0236] zeln und Schoſſen abfreſſen, iſt eine Fabel. Zur Brunſtzeit entwickelt ſich bei dieſen Thieren hinter den Geſchlechtstheilen eine Anhäufung von Drüſenbälgen, welche einen zähen klebrigen Schleim abſondern, der beſonders zum Feſthalten bei der Begattung dient. Die Drüſen- bälge ſelbſt ſchwellen zu dieſer Zeit an und bilden entweder einen auf dem Rücken liegenden Sattel oder einen förmlichen Gürtel um den Leib, welcher von Unkundigen meiſt für eine vernarbte Wunde gehal- ten wird. Einige Gattungen dieſer Erdwürmer bauen ſich förmliche Röhren, während die meiſten ſich begnügen, ihre Gallerieen mit Schleim auszufüttern und ſie dadurch vor dem Zuſammenfallen zu ſchützen. Lumbricus; Saenuris; Enchytraeus; Euaxes; Rhynchelmis; Sternaspis. Die Familie der Waſſerſchlängel (Naidida) begreift kleine, un- [Abbildung Fig. 236. Nais (Stylaria) pro- boscidea. a Rüſſelartiger Fortſatz des Kopfes, hinter dem man den Anfang des Dar- mes und die beiden Augen ſieht. b Schlund und Ma- gen. c Darm, durchſcheinend durch den Körper.] deutlich gegliederte, außer den Borſtenbündeln am Leibe auch noch mit einfachen Seitenborſten verſehene Würmer, welche beſonders den Schlamm der ſüßen Gewäſſer bewohnen und darin ſich Galerieen gra- ben, aus denen ſie den ſtets lebhaft ſchlängelnden Kopf hervorſtrecken. Einige Arten (Chaetogaster) ſchmarotzen auch in der Mantelhöhle der Waſſer- ſchnecken. Die meiſten haben zwei deutliche Augen. Es pflanzen ſich dieſe Thiere unabhängig von der geſchlechtlichen Entwicklung auch noch in der oben beſchriebenen Weiſe durch Theilung fort und ihre ausgezeichnete Reproductionskraft nach Verletzungen iſt ſchon oft der Gegenſtand vielfacher Beobachtungen geweſen. Nais; Chaetogaster; Stylaria; Proto; Aeo- losoma. Die Ordnung der Röhrenwürmer (Tubicola) gehört ausſchließlich dem Meere an und bildet mit der folgenden Ordnung eine natürliche Gruppe in ähnlicher Weiſe, wie die Egel und die Erdwürmer eine größere zuſammenhängende Gruppe darſtellen. Alle dieſe Würmer wohnen in dem ausgewachſenen Zuſtande in Röhren, welche eine ſehr verſchiedene Beſchaffenheit zeigen. Bei den einen erſcheinen ſie als vielfach gewundene Gallerieen aus fremden Kör-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/236
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/236>, abgerufen am 10.05.2024.